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Ben Affleck spielt den Besitzer einer Bar, der an seinem fünften Hochzeitstag nach Hause kommt, statt seiner Frau, gespielt von Rosamund Pike, aber den Schauplatz eines Kampfes vorfindet. Er ruft die Polizei, die umgehend Ermittlungen aufnimmt, wobei ein Verbrechen zunehmend wahrscheinlicher erscheint. Während der Fall eine immer größere öffentliche Aufmerksamkeit erregt und der Medienzirkus den Angerhörigen der Vermissten kaum noch von der Pelle rückt, erhärtet sich zunehmend der Verdacht, dass die Verschwundene womöglich von ihrem Mann ermordet wurde.

Wenngleich „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ und „The Social Network“ zweifelsohne sehr gute Filme waren, man hat David Fincher im Thriller-Genre dennoch schmerzlich vermisst. Nach seinen Kultfilmen „Sieben“ und “Fight Club“ hat er in den letzten zwölf Jahren lediglich zwei Thriller abgeliefert, „Verblendung“, bei dem es sich um einen guten Genre-Beitrag handelte und sein Meisterwerk „Zodiac“. Mit „Gone Girl“ war es nun also endlich wieder so weit, Fincher kehrt mit der Verfilmung des gleichnamigen Romans zu seinen Wurzeln zurück, wobei ihm erneut ein Genre-Highlight gelungen ist.

„Gone Girl“ ist in erster Linie sehr wendungsreich und immer wieder überraschend. So lässt schon die erste Wendung nicht lange auf sich warten, als der Protagonist nach Hause kommt ist seine Frau verschwunden, im Wohnzimmer sind Spuren eines Kampfes zu sehen. Mit dem Eintreffen der Polizei startet der Film dann durch und lässt sich auch nicht durch die Rückblenden ausbremsen, die den Charakteren Profil verleihen und die Ehe der Hauptfiguren näher beleuchten. Und so geht es dann auch weiter: spannend und wendungsreich. Der Verdacht wird immer wieder in unterschiedliche Richtung gelenkt, bis es zur 180°-Wendung kommt, die zwar durchaus absehbar ist, dem Film in der Mitte aber dennoch eine interessante und völlig neue Richtung eröffnet. So verbleibt das Geschehen nicht in altbekannten Handlungsbahnen und hält seine Spannung aufrecht, bis gegen Ende dann die nächste Überraschung folgt. Auf jeden Fall kann man froh sein, dass im Trailer nicht allzu viel vorweggenommen wurde.

Dabei gewinnen die Figuren zunehmend an Profil, wobei neue Facetten der Protagonisten immer zum richtigen Zeitpunkt beleuchtet werden, um den Fokus des Zuschauers, die Erwartungen an das weitere Geschehen und die Perspektive auf das bereits Gesehene in eine andere Richtung zu lenken. Der Medienrummel und besonders die Art und Weise, wie in diversen Talkshows und Nachrichtensendungen mit dem Fall umgegangen wird, hat dabei satirische Züge, wenngleich die öffentliche Aufmerksamkeit bei einem Fall dieser Art ein wenig zu übertrieben daherkommt. Dennoch sind die Ansätze einer Mediensatire nicht schlecht, zumal die Medien zumindest am Anfang meist die Meinung aufgreifen, die sich auch der Zuschauer zum Fall bildet. Kleine Kritik muss allenfalls an den letzten zehn Minuten geübt werden, in denen der Film nach der finalen Wendung etwas unglücklich ausklingt, an Spannung verliert und einen etwas unbefriedigenden Ausgang nimmt.

Handwerklich setzt Fincher die gelungene Story virtuos um. Wie schon bei „Zodiac“ setzt er dabei nicht auf die düstere Atmosphäre, die Radikalität, die seine frühen Meisterwerke „Fight Club“ und „Sieben“ noch auszeichnete, sondern auf einen langsamen, sachlichen Erzählstil, der der Story eher gerecht wird. Er erzählt ruhig und unaufgeregt wie die Hauptfigur zunehmend ins Fadenkreuz der Ermittler und der Medien gerät und streut Rückblenden ein, die die bisherige Beziehung des Protagonisten zu seiner Frau vertiefen und die Frage nach seinem wahren Gesicht immer wieder aufwerfen. Fincher macht das gewohnt gradlinig und verirrt sich nicht in dem Spiel der Identitäten, Lügen und Wahrheiten, nimmt seine Wendungen nicht vorweg und vertieft auch die emotionalen Seiten seiner Figuren, was dem Film neben der Spannung auch Emotionalität und Dramatik verleiht. Audiovisuell leistet Fincher dabei ohnehin gewohnt gute Arbeit, was im Grunde überhaupt keiner Erwähnung mehr Bedarf. Filme dieser gehobenen Lauflänge, die direkt Fesseln und ohne Längen auskommen sind selten, Fincher ist dies hier aber erneut gelungen. Hier und da platziert er sogar ein paar ganz nette Gags, die der ernsten Stimmung jedoch keinen Abbruch tun.

Neben den letzten Minuten, die etwas fade daherkommen und dem leicht überzogenen Medienzirkus ist der Cast ein weiterer kleiner Kritikpunkt am ansonsten rundum gelungenen Thriller. Ben Affleck spielt wie gewohnt etwas aufgesetzt und ausdruckslos, was schade, aber auch nicht übermäßig ärgerlich ist. Zum einen hat man nämlich schon schlechtere Leistungen des Mimen gesehen, zum anderen passt seine aufgesetzte Art sehr gut zu seiner Figur, die man sehr lange nicht durchschauen soll. Der zweite Kritikpunkt am Cast ist die Besetzung von „How I Met Your Mother“-Schönling Neil Patrick Harris, den man nicht nur aufgrund seiner Rolle in der Comedy-Serie auch hier nicht wirklich ernst nehmen kann. Ansonsten werden aber gelungene Vorstellung geliefert, besonders von Rosamund Pike, die nicht nur als ängstliches Opfer eine sehr gute Figur macht.

Fazit:
Fincher ist erneut ein sehr überzeugender Thriller gelungen, bei dem die Hintergründe des Verschwindens und die wahren Gesichter der Figuren lange im Verborgenen bleiben, während Spannung und Dramatik trotz des ruhigen Erzählstils durchweg hoch gehalten werden. Auch nach der 180°-Wendung in der Filmmitte behält der zweieinhalbstündige Film an Fahrt und bleibt packend bis zum Schluss. Trotz kleinerer Schwächen handelt es sich hierbei somit um ein Highlight des Kinojahres.

87%

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