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Der Ex-Cop Akikazu Fujishima ist am Ende, sein Leben besteht darin, sich langsam zu Tode zu saufen, nachdem seine Frau ihn mit der Tochter verlassen hat. Doch plötzlich, nach 3 Jahren, meldet sie sich wieder bei ihm: Tochter Kanako ist verschwunden, und Akikazu soll sie finden. Der geht also los, spricht mit Schulfreundinnen, mit der Mutter, mit Freundinnen der Freundinnen, und allmählich dämmert ihm, dass Kanako nicht die süße und liebenswerte Tochter ist, wie er immer meinte, sondern tatsächlich sein eigen Fleisch und Blut: Ein rücksichtloses und eiskaltes Stück Scheiße, so wie er selbst. Doch das merkt er erst, als er die Stiefel der Yakuza im Gesicht spürt. Und die Polizei im Genick hat. Eine Menge Tote um ihn  herum liegen. Und Erinnerungen wach werden, die kein liebender(!) Vater jemals haben möchte …

Finstere Filme. Ich mag finstere Filme. MR 73 von Olivier Marchal. Oder I SAW THE DEVIL von Kim Jee-woon. Filme, in denen es regnet, eine Menge Blut fließt, und die Protagonisten düstere Gesellen sind. THE WORLD OF KANAKO ist auch ein finsterer Film, aber ich muss gestehen, dass mir ein Film selten solche Angst gemacht hat wie dieser. Wo MR 73 in einer Parallelwelt der Polizei spielt, mit der ich hoffentlich niemals zu tun haben werde, und wo I SAW THE DEVIL durch die comichafte Überdrehtheit klar macht dass dies nur ein Film ist, da herrscht in KANAKO bittere Realität. Immerhin reden wir hier vom Schicksal einer 17-jährigen Schülerin, wie es sie möglicherweise (hoffentlich nicht) an jeder weiterführenden Schule gibt.

Es fällt mir schwer, die Schwärze und den Nihilismus dieses Films in Worte zu fassen. Während andere düstere Epen sich in depressiven Bildern und schwerer Stimmung ergehen, wird hier durch die collagenartige Struktur fast ein leichtes Ambiente erzeugt, wie bei einem heiteren Tanz in einem Vernichtungslager. Sergeant Pepper tanzt den Adolf Hitler. Und umso härter wird der Zuschauer von der Gewalt getroffen, umso intensiver werden die Tritte und die Schläge gespürt. Und die Abgründe ausgelotet.

Dabei sind die Abgründe nicht nur abgründig, sie sind bodenlos und tiefschwarz. So viel Bosheit und Grausamkeit wie es hier gibt, ist sonst nur in der Realität zu finden. Je länger KANAKO dauert, und er dauert gefühlte Ewigkeiten, desto entsetzlicher werden die Charaktere, desto widerlicher zeigen sich deren Aktionen, und desto alptraumhafter zeigt sich die Welt in der diese Geschichte spielt. Das Ganze ist eingebettet in ein Stakkato aus mehreren, sich überlappenden, Erzählebenen, welche die Vorgeschichten (mehrere!) und den Hauptstrang quasi gleichzeitig erzählen. Trotzdem verliert der Zuschauer niemals den Überblick (wenn er ihn denn erst einmal gefunden hat), und weiß immer welche Story gerade erzählt wird. Ein Labyrinth mit Gebrauchsanleitung gewissermaßen. Allerdings ist dabei viel Konzentration gefragt, was den Film gleich noch mal intensiviert. Mal eben aufs Klo gehen und den Player weiterlaufen lassen geht hier definitiv nicht! Und die ganze Story mit allen Figuren erzählen, das könnte ich jetzt nicht so ohne weiteres …

Ein Film, der einem den Glauben an das moderne Kino wiedergibt. Der unglaublich schmerzt. Und der zumindest mir Angst macht in einem Grad, wie ich es selten erlebt habe.

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