"The World of Kanako" war mein Überasschungsfilm des FFF2015. Die Inhaltsangabe lässt einen B-Movie angehauchten Rachethriller erwarten, aber schon die Eingangssequenz macht klar, dass hier weitaus mehr geboten wird. Ein Schnittstakkato auf mehreren Zeitebenen wirft uns in die düstere Welt von Ex-Cop Akikazu Fujishima der erst die Frau und dann seinen Job verloren hat. Jetzt fristet er sein Dasein als abgehalfterter Wachmann auf Medikamenten, als just in dem von ihm bewachten Laden 3 Menschen ermordet werden. Kurz darauf meldet sich nach langer Zeit seine Ex-Frau, da die gemeinsame Tochter seit mehreren Tagen spurlos verschwunden ist. Fujishima wittert die Chance seine Familie zurückzugewinnen und macht sich auf die Suche. Sie soll ihn immer tiefer in einen Strudel aus Gewalt, Sex und Drogen führen, denn seine Tochter Kanako hatte sehr wohl ihre Geheimnisse...
Tetsuya Nakashima beschert uns hier einen stilistisch überragenden Japano-Thriller, wie ich ihn schon lange nicht mehr gesehen habe. Virtuos wird zwischen mehreren Zeitebenen und einer Parallelhandlung jongliert, so dass die ungebrochene Aufmerksamkeit des Zuschauers unabdinglich ist. Der Schnitt ist nur als meisterhaft zu bezeichnen, alleine erwähnte Eingangssequenz lässt mit der Zunge schnalzen.
Ein weiteres Highlight ist die Darstellung von Koji Yakusho, der sich als kaputter Ex-Cop wie eine Naturgewalt durch die Handlung walzt und einfach nicht zu stoppen ist. Fujishima ist als Hauptperson alles andere als ein Symphat und mit seiner Gewalt gegen Frauen bestimmt nicht jedermanns Liebling. Es gibt eigentlich keine Figur, die man als Sympathieträger ausmachen
könnte und so hofft man doch, dass die verzweifelte Hauptperson irgendwie an ihr Ziel gelangt. Eine große Leistung.
Zur Handlung möchte ich nicht viel sagen, da Kanakos Verbleib und ihre Geheimnisse Triebfeder der Handlung sind.
Neben der stilistischen Vielfalt (sogar kurze Cartoon Sequenzen sind enthalten) ist auch beim Inhalt Abwechslung angesagt: Einerseits ein nihilistisches, düsteres Thriller-Drama punktet "The World of Kanako" an anderen Stellen auch mit überaus schwarzem Humor und Reminiszenzen an B-Movies aus den 70ern (Soundtrack, Inserts, Vorspann). Die Bezeichnung "Pulp-Fiction" passt auf den Film somit auch ganz gut. Neben Fujishima sind viele Figuren nur relativ grob umrissen und dienen nur der Handlungsfortführung. Ein paar Logiklöcher sind bei genauem Hinsehen auch auszumachen und bei der Auflösung muss man etwas guten Willen mitbringen.
Bei einem derartig gut gemachten wilden Ritt fällt das aber nicht schwer ins Gewicht und wird durch Handwerk und Hauptdarsteller mehr als ausgeglichen.
Düsteres, dreckiges Kino aus Japan, welches einen schön durchgeschüttelt aus dem Kinosessel entlässt.
Von mir 9/10