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BROTHER ist im Ganzen hervorragende Gangsterfilm-Unterhaltung mit einem sehr unamerikanischen, tragischen Unterton, wie man ihn aus anderen Kitano-Filmen kennt. Der Film erinnert stark an SONATINE, der allerdings in einem rein japanischen Milieu angesiedelt ist. BROTHER ist der Versuch, die Geschichte vom Killer im Exil auf quasi internationalem Parkett neu zu realisieren, wobei die Rückbindung an die japanische Kultur jedoch sehr stark bleibt. Das Ehrbewusstsein der Yakuza wird auf demonstrative und gleichzeitig sehr eindringliche Weise vorgeführt, z. B. ist es hier absolut keine Frage, dass man sich mal eben schnell in den Kopf schießt, nur um vor jemand anders die Todesverachtung des eigenen Clans zu beweisen. Dies wird im Gegenzug von der anderen Seite gebührend gewürdigt, worin sich zeigt, dass das ganze Töten in diesem Film unter Beachtung sehr strenger Prinzipien erfolgt und nicht triebhafter Beliebigkeit unterliegt, was natürlich nicht heißen soll, dass man es deshalb gut finden könnte. Der aus Japan wegen Clanstreitigkeiten geflohene Killer Aniki schafft es, diesen Ehrenkodex innerhalb eines kleinen Grüppchens von Ganoven zu etablieren und durch die Fusion mit einer anderen "Familie" zu einer ernsthaften Konkurrenz für die italienische Mafia zu werden. Dass dies jedoch letztlich nicht gut gehen kann, verrät schon das tragisch-ebenmäßige Voranschreiten der Handlung, die von Takeshi Kitano beeindruckend in Szene gesetzt ist.
Dem Thema entsprechend ist der Film nicht gerade unblutig, und die Effekte, inkl. Fingerkuppe ab und Harakiri, sind gut umgesetzt. Die Blutflecken an der Wand sehen allerdings erstens wie abstrakte Kunstwerke und zweitens immer sehr gleich aus, was man jedoch als künstlerisch gewollt und legitim ansehen muss.
Ganz ohne Schwachpunkte ist das Werk jedoch nicht. Die Bruderschaft zwischen Aniki und seinem schwarzen "Brother" Denny ist eine hollywoodtypische political-correctness-Kiste und driftet spätestens am Ende des Films in schmalzigen Kitsch ab. Kaum korrekt ist dagegen Kitanos Umgang mit dem weiblichen Geschlecht. Genau wie in SONATINE kommt eigentlich nur eine einzige Frau vor, die als verrücktes Huhn präsentiert wird und deren unsinnige Präsenz nur noch deutlicher macht, dass es in BROTHER einzig und allein um Männergemeinschaften geht. Dies wäre eigentlich nichts Schlechtes, problematisch ist jedoch, dass dieses PC-Defizit mit einem Überschuss auf der anderen Seite, nämlich dem "rassenübergreifenden" Bruderschaftsprinzip, ausgeglichen wird.
Takeshi Kitano mag ein genialer Regisseur sein, aber als Schauspieler kann er nicht durchgehen, weil er immer nur ein und denselben Gesichtsausdruck drauf hat und somit für keine andere Rolle als den eiskalten Killer geeignet ist.
Letztlich hat dieser Film jedoch immer noch weit mehr zu bieten als die meisten Hollywoodstreifen, die sich mit diesem Thema befassen. Darum ausdrückliche Empfehlung.

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