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Mit "Brother" enthüllt sich uns die auf Zelluloid gebannte Vorstellung Takeshi Kitanos von einem Gangsterfilm, der seine Akzente auf die Mentalität und Tradition der Yakuza und die daraus mitunter folgende emotionale Verbrüderung seiner Mitglieder setzen möchte. Eine wirklich brüderliche Beziehung entwickelt sich hier allerdings nur zwischen den Charakteren Aniki und Denny. Es sind zwei im Grundsatz von unterschiedlicher Kultur beeinflusste und dementsprechend mit völlig verschiedener Mentalität erzogene Persönlichkeiten, deren Differenzen bei ihrem ersten Treffen auch sofort aufeinander prallten, die mit der Zeit aber gereift und hier am Ende ehrlich und freundschaftlich auf mentaler Ebene miteinander verbrüdert sind.

Was jedoch lässt sich über das Verhältnis der restlichen Mitglieder untereinander sagen? Äußerlich proklamieren sie sich zwar als eine Familie; allerdings würde ich nur ungern von einer tief verwurzelten, geistigen Brüderschaft sprechen. Dazu werden die Beziehungen hier nicht intensiv genug beleuchtet und zu keinem Zeitpunkt beispielsweise durch Unruhe bringende Konflikte innerhalb der Gruppe wirklich auf die Probe gestellt. Eine tiefe psychische Verbundenheit der Protagonisten drückt sich nämlich nur geringfügig im Lernen und Ausleben von Yakuza-Sittlichkeiten und ihren Bräuchen aus. Vielmehr sind es von Herzen kommende, menschliche Gesten, die sich hier größtenteils vermissen lassen, als ein aus Sicht der Amerikaner nach exotischen Werten bedingtes Handeln, das man sich vielleicht nur anerziehen lassen hat. Allgemein sehr zugute halten kann man aber das überwiegend gelungene Gesamtexperiment, in westlich angelegte Charaktere fernöstliche Komponenten einzuschmelzen.

Die im Kern durchaus interessante Geschichte wird leider nur ermüdend monoton präsentiert. Aniki kommt nach Amerika und verhilft durch knallharte Kompromisslosigkeit der kleinen Bande seines Halbbruders zu einem Aufstieg im Milieu. Aus unbedeutenden, lumpigen Drogendealern werden professionelle, stets elegant gekleidete Gangster. Sphärenkonflikte mit anderen kriminellen Organisationen sind eine logische Konsequenz, können aber eigentlich immer gelöst werden; nur die Mafia ist dann doch ein zu großer Brocken. In kontinuierlicher und berechenbarer Weise gibt es auf den jeweiligen Seiten immer wieder massenweise Opfer zu beklagen. Erschießungen sind kurz und schmerzlos; mit den zurückbleibenden, sehr auffälligen Blutflecken meist infolge gezielter Kopfschüsse spielt Kitano auf makabere Weise, sodass die trocken ausgeführten Einschüsse insgesamt an Realismus und Seriosität verlieren und stattdessen teilweise eine unterhaltende Funktion übernehmen.

Sehr stark fällt auch die Selbstinszenierung Takeshi Kitanos auf. Im Vergleich zu den anderen Charakteren zeichnet er seinen Aniki Yamamoto doch außerordentlich akkurat und setzt ihn dementsprechend gerne glänzend als Ruhepol, der sein Schicksal längst kommen sieht, in Szene. Wenn Aniki zur Waffe greift, dann ist das höchst routiniert und skrupellos und verstärkt wie seine Wortkargheit und sein minimales Mienenspiel seine abgebrühte Erscheinung. Diese Coolness, die auch bei den Schusssequenzen deutlich wird, passt jedoch für meinen Geschmack nicht so recht zum teils wirklich anspruchsvollen, dramatischen Kontext, sowie zu den allgemein ruhigen, gar episch angelegten Klängen von "Brother".

So besitzt das Werk sowohl seriöse, als auch rein der Unterhaltung dienende Elemente; in ihrer vorliegenden Umsetzung jedoch eine mir persönlich weniger schmeckende Kombination. Hier sind coole, Ernsthaftigkeit zerstörende Einschusssequenzen, wie das penetrant eingesetzte, plakative Blutspritzen, einfach weniger angebracht. Trotzdem, "Brother" ist ein guter Gangsterstreifen und gerade für Genrefans oder Kitano-Anhänger in jedem Falle empfehlenswert.

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