"Prevolution" hatte den Überraschungseffekt voll auf seiner Seite. Die Animation der Affen kann rückblickend als Meilenstein in der Entwicklung der Computeranimation betrachtet werden, noch dazu sorgte der ruhige und wohlüberlegte Aufbau, seinerzeit und auch jetzt noch ein Anachronismus im Hollywood-Mainstream, für weiteres Wohlwollen. "Revolution" gehorcht den Signalen des Wyatt-Films - indem er alles anders macht.
Fortsetzungskino als systematisches Planspiel, bei dem ein erster Film eigenständig kaum funktioniert, sondern von vornherein auf kommende Sequels baut, kann wirtschaftliche Risiken bergen, ist aber mit den Triumphen Marvels im Kinosektor zum Erfolgsmodell avanciert. Die Zeiten hastiger und unüberlegter Nachschübe im "Matrix"- oder "Fluch der Karibik"-Stil als Reaktion auf nackte Zahlen scheinen ausgedient zu haben, woran sicherlich auch die zunehmende Konditionierung des Publikums durch Qualitätsserien ihren Anteil hat. Filme wie Serien werden zunehmend als große Geschichten in Kapitel-Häppchen verstanden.
Im Zuge dieses Verständnisses bietet sich die im Original fünfteilige Affensaga natürlich an. Wyatts Film funktionierte gerade deswegen so gut, weil er auf das baute, was noch nicht gezeigt, aber schon versprochen wurde, das Unvorstellbare, das noch passieren würde. Er beanspruchte nicht für sich, dass man auf seiner Dramaturgie beharren müsse, im Gegenteil, er forderte zukünftige Sequels geradezu heraus, den eigenen Platz im großen Affenbuch anzunehmen und einen ganz eigenen Pfad zu verfolgen. Das ließ "Revolution" im Vorfeld so unheimlich spannend wirken, denn man wusste, dieselbe Kiste in Grün würde es nicht nochmal geben. Matt Reeves nimmt die Vorlage dankend auf und macht sein eigenes Ding. In der Natur der Sache liegt dann aber auch: Ob man seiner Vision nun das Scheitern im Schatten des Vorgängers unterstellt oder einen weiteren Erfolg, womöglich gar das Übertreffen des ersten Films, hängt wohl ganz von der eigenen Fokussierung auf bestimmte Aspekte ab.
Einig werden sich die Meisten wohl darin sein, dass dieses Sequel – zum Vergleich, "Transformers 4" dreht ja gerade noch seine letzten Runden - wohl zu den intelligentesten und anspruchsvollsten in diesem Jahr gehört (ob dazu viel nötig ist, sei mal dahingestellt). Unbestreitbar bietet er nicht nur enorme Spannung und Dramatik, sondern darüber hinaus auch Anregungen für filmphilosophische Diskurse, was man von der Konkurrenz in Sichtnähe nicht behaupten kann. Die mit einem enormen Handlungssprung einsetzende Geschichte stellt außerdem unter Beweis, dass sie eine Weiterentwicklung des Inhalts und damit auch des Aufbaus fordert.
Streiten kann man darüber, wie Matt Reeves diesen Aufbau anlegt – als typisches Blockbuster-Endzeitepos nämlich, mit reichlich Schwarzweißmalerei, zwar nicht in der Gegenüberstellung Affe vs. Mensch, da auf beiden Seiten Differenzierungen vorliegen, aber doch von Individuum zu Individuum, da fast jeder Akteur, sei er ein Mensch oder ein Affe, einer „bösen“ oder einer „guten“ Seite zugeschrieben werden kann. Hier mag der Film die aufgetürmten Erwartungen nach Rupert Wyatts stilvoller Eröffnung enttäuschen; auch dass es auf jedes Menschen-Deckelchen ein Affen-Töpfchen gibt, irritiert die ansonsten so sehr um Realismus bemühte Konzeption der durch und durch ins Post-Nolan-Filmzeitalter passenden Franchise-Neuauflage sehr.
Suchen muss man die überragenden Qualitäten dieses Films dann doch im Detail. Was dieser Film am ehesten aus dem Initialwerk gezogen und naturgemäß noch optimiert hat, sind die Affen. Als Kunstgeschöpfe sind sie vielleicht noch von Realaufnahmen zu unterscheiden, wenn man sich die (typisch für die Reihe aber dennoch realitätsnahe) Phantastik ihres Handelns – des gutturalen Sprechens, ihrer unheimlichen Gebärden und der unnatürlichen Intelligenz in ihren Augen – vor Augen führt; rein bildkompositorisch könnten sie für das Auge des Betrachters durchaus so existieren, wie es das Bild eben vorgibt. Und in den Augen des Affen, mit deren Close-Up der Film treffenderweise auch endet, findet sich die Wahrheit dieses Films, der in erster Linie nicht etwa einfach ein Plädoyer gegen den Krieg ist, sondern eine sozialpsychologische Auseinandersetzung über das stetige Gleiten von Ver- und Misstrauen innerhalb von Gruppen und in Abgrenzung zu anderen Gruppen. Die Voraussetzungen für ein Gelingen derart hoher Ambitionen waren schon in „Prevolution“ gegeben, jetzt sind sie aber noch greifbarer. Andy Serkis weckt die durch seine eigene Produktionsfirma erschaffene Kunstfigur Caesar absolut eindrucksvoll zum Leben, wobei sein Schauspiel so fließend durch die Maske der Computeranimation dringt wie eine Hand durch einen Wasservorhang. Die Anzahl der Ausdrücke, die Caesar im Repertoire hat, lässt sich kaum addieren und überhaupt sind seine Ausdrücke für reine Addition nicht gemacht, denn eine Emotion geht hochkomplex in die andere über, ist immer auch die Schlussfolgerung aus der vorhergehenden Emotion, ein Produkt aus den Erfahrungen in der Vergangenheit mit der momentanen Situation des gegenwärtigen Handelns. Soziologen, Psychologen und Kommunikationswissenschaftler tanzen da auch mal den Ringelpiez. Toby Kebbell agiert auf der Gegenseite als Koba deutlich physischer, reaktionärer und instinktgetriebener als Serkis / Caesar und liefert dennoch einen Charakter voller Überraschungen und verblüffender Momente, hinter denen stets die Grundaussage steht, dass Intelligenz die gewährlichste Waffe auf diesem Planeten ist.
Aufgrund dieser emotionalen Komplexität fällt die saubere Seitenaufteilung dann auch gleich viel weniger ins Gewicht, zumal der Film optisch atemberaubend geworden ist: Das Artdesign schlägt mit einer eindrucksvollen Postapokalypse zu Buche, bei dem sich wie in „Last Man On Earth“ die Natur langsam ihr Recht auf Ausbreitung zurückholt und dabei urbane Strukturen zurückdrängt. Der permanente Regen taucht den Film in ein sattes, nasses Grün, an dem man sich bereits in der herausragenden Eröffnungssequenz kaum sattsehen kann, in der die noch wortlosen Affen ganz und gar die Faszination des Stummfilms auf den Betrachter ausüben; nicht nur, was die Verständigung über Gestik und Mimik anbelangt, sondern auch bezüglich der schieren Faszination für die Erfindung des Films, die der Mensch vor hundert Jahren beim Blick auf die Leinwand empfunden haben muss.
Im Rückblick mag "Revolution" etwas weniger gehaltvoll wirken als der Auftakt und die fehlende Tiefe im Drehbuch mit geballter Affenpower auszugleichen versuchen, jedoch stand Reeves auch in der nicht zu unterschätzenden Pflicht, mehr zeigen zu müssen. Also verlässt er sich ganz auf die Subtexte, die zwischen den Zeilen des Drehbuchs angesiedelt sind, und gewinnt mit ihnen das Spiel.