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Howard Phillips Lovecrafts Horror-Story The Lurking Fear (Die lauernde Furcht), geschrieben im November 1922 und erstveröffentlicht als vierteilige Fortsetzungsgeschichte von Januar bis April 1923 im Home Brew-Magazin, wurde bislang drei Mal verfilmt. Im Jahre 1989 entstand unter der Regie von David McCormick Dark Heritage, eine inoffizielle Umsetzung der Vorlage, die ich nicht kenne. Fünf Jahre später drehte C. Courtney Joyner für Full Moon Entertainment Lurking Fear (Shocking Fear, 1994), ein eher durchschnittliches, wenig bemerkenswertes Filmchen, das zumindest aufgrund der Besetzung einen Blick wert ist. Wesentlich gelungener ist da schon Bleeders (aka Hemoglobin), eine etwa acht Millionen CAD teure kanadisch-amerikanische Co-Produktion, die im Juli und August 1996 auf Grand Manan Island in New Brunswick, Kanada, gedreht wurde. Wie Dark Heritage ist auch Bleeders keine offizielle Adaption der Lovecraft-Story. Als Grundlage diente ein altes Skript von Dan O'Bannon (The Resurrected), welches er wohl zusammen mit Ronald Shusett (Dead & Buried) verfaßt hatte und das von Charles Adair und Gerald Seth Sindell be- bzw. überarbeitet wurde. Für die Regie verpflichtete man Peter Svatek, auf dessen Konto bereits die Filme Witchboard III: The Possession (1995) und Sci-fighters (1996) gingen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen und ist meiner Ansicht nach einer der unterbewertetsten Genrefilme der 1990er-Jahre.

Um ungestört seinen verbotenen, widernatürlichen und ungesunden Gelüsten nachgehen zu können, verlegte der reiche Van Daam-Clan einst seinen Wohnsitz von Holland nach New England, auf eine kleine, ruhige, abgeschiedene Insel. Mehr als dreihundert Jahre sind seitdem vergangen, und die Familie ist nach einem verheerenden Feuer, das vor einigen Jahrzehnten ihr Schloß verschlungen hat, wie vom Erdboden verschluckt. Auf der Suche nach seinen Vorfahren verschlägt es den todkranken John Strauss (Roy Dupuis, Screamers) auf ebendiese Insel. Es ist der letzte Strohhalm, nach dem er und seine Frau Kathleen (Kristin Lehman, The Loft) greifen, denn die mysteriöse, vererbte Blutkrankheit, an der er leidet, scheint unheilbar zu sein und schwächt ihn von Tag zu Tag mehr. Tatsächlich stellt sich heraus, daß John ein Nachfahre der Van Daams ist, und daß sein fragiler Gesundheitszustand die Folge jahrhundertelanger Inzucht ist. Noch während das Ehepaar auf der Insel verweilt kommt es zu alarmierenden Vorkommnissen. In den exhumierten Särgen - der Friedhof soll aufs Festland verlegt werden - fehlen die Leichen, Menschen verschwinden spurlos, und ein grotesk deformiertes Wesen wird von einer Schiffsschraube zerfetzt. Als ein Mädchen beim Versteckspielen in die Erde gezerrt wird und der Inselarzt Dr. Marlowe (Rutger Hauer, The Hitcher) bei der Suche nach dem Kind auf ein verzweigtes Tunnelsystem stößt, spitzen sich die Ereignisse rasant zu.

Bleeders nimmt sich sehr viel Zeit, um die Figuren einzuführen. Das Geschehen entfaltet sich langsam und bedächtig, sodaß die erste halbe Stunde lang Geduld gefragt ist. In klassischer Monsterfilmtradition füttert man das Publikum häppchenweise mit Andeutungen, ohne konkret etwas zu zeigen. Eine POV-Aufnahme durch die vergitterte Luftschachtabdeckung hier, ein vorbeihuschender Schatten da, eine unförmige Hand dort. Erst als sich die unter Tage lebenden, lichtscheuen Kreaturen an den Inselbewohnern vergreifen, da man ihnen mit der Verlegung des Friedhofs den Nahrungsnachschub abgeschnitten hat, verdichtet sich das Mystery-Motiv zu einem grausigen Horror-Szenario, welches schließlich in einen blutigen Überlebenskampf im und um den sturmumtosten Leuchtturm gipfelt. Die schauspielerischen Darbietungen sind großteils in Ordnung. Rutger Hauer als trinkfreudiger Arzt agiert gewohnt souverän, Kristin Lehman kauft man ihre Liebe zu ihrem Mann ebenso ab wie ihre Verzweiflung hinsichtlich seiner Krankheit und ihre nackte Panik, als sie letztendlich mit dem monströsen Grauen konfrontiert wird, lediglich Roy Dupuis bleibt im wahrsten Sinne des Wortes blaß. Darüber hinaus ist er nicht sonderlich sympathisch gezeichnet, weshalb einen sein Schicksal auch mehr oder minder kalt läßt. Nein, in dieser Hinsicht macht Bleeders leider keinen Stich, aber das ist verschmerzbar, weil der Streifen genug Trümpfe in der Hinterhand hat, die er nach und nach geschickt ausspielt.

Den ersten Trumpf knallt er recht zeitig auf den Tisch, indem er eine der sympathischsten Figuren über die Klinge springen läßt. Ein erster kleiner Schock, mit dem nicht zu rechnen war. Daß in weiterer Folge auch kleine Kinder gefressen werden, ist da nur konsequent. Selbst wenn das Blut nicht in Strömen fließt... harmlos ist Bleeders keineswegs, das garantieren schon die angerissenen Themen wie Inzest zwischen Zwillingen, genetische Mutationen, groteske Deformationen, Kannibalismus und Hermaphroditismus. Dazu passend ist die Stimmung trist und humorlos; der Film ist von der ersten bis zur letzten Minute völlig ernst angelegt. Erstklassige Arbeit haben einmal mehr die Maskenbildner geleistet, welche die degenerierten Kreaturen liebevoll designt und gestaltet haben. Wie sie da durch die dunklen Gänge huschen, torkeln oder sich auf andere Art und Weise fortbewegen (bei einigen endet der Körper im Beckenbereich), das ist einerseits bedrohlich und verstörend, andererseits jedoch auch irgendwie erbärmlich und mitleiderregend. Die dramaturgisch routiniert aufgebaute Horrormär erreicht ihren Höhepunkt im tollen, packenden Finale (untermalt von einem starken Score, der dem Geschehen zusätzliche Kraft und Intensität verleiht), welches nur ein Manko aufweist: Es ist leider ziemlich kurz geraten. Am bittersüßen Ende gibt es allerdings wenig auszusetzen. Erwähnenswert sind noch die schönen, wildromantischen Landschaften sowie eine heiße Sexszene, die einen etwas selbstzweckhaften Eindruck hinterläßt.

Insofern ist, um auf den Begriff "unterbewertet" zurückzukommen, eine Wertung von schlappen 3,80 Punkten bei der Internet Movie Database einfach nur absurd, ein schlechter Witz. Das mag verstehen, wer will; ich tu's nicht. Selbst die unterdurchschnittliche OFDb-Wertung von 4,90 ist kaum verständlich, insbesondere wenn man berücksichtigt, daß Lurking Fear auf 5,32 Punkte kommt (alle Wertungen abgerufen am 19.05.2018). Und mit Lurking Fear wischt Bleeders, man möge mir meine saloppe Formulierung verzeihen, den Boden auf. Nein, ein vergessenes Meisterwerk ist der Streifen ebenso wenig wie ein übersehener Genreklassiker oder ein durch den Rost gefallenes Kleinod, dazu ist Svateks Regie zu durchschnittlich, die Figurencharakterisierung zu oberflächlich und der generelle Look zu bieder. Doch sowohl als (unautorisierte) Lovecraft-Verfilmung als auch als grimmig-düsteres Monster-Movie weiß Bleeders sehr wohl zu überzeugen. Eine Acht oder gar eine Neun (von möglichen Zehn) auf der üblichen Bewertungsskala ist für Bleeders definitiv außer Reichweite, aber eine (sehr) gute Sieben erachte ich als durchaus angemessen.

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