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„Sie ist ein unheimliches Mädchen!“

US-Regisseur Alfred Sole drehte in seiner Karriere nur vier Filme. Er begann 1973 mit dem Porno „Deep Sleep“. 1976 folgte mit „Communion – Messe des Grauens“ in seiner Mischung aus Horror, Thriller und Mystery ein waschechter Prä-Slasher, bevor es 1980 mit „Tanya’s Island“ und 1982 mit der Horror-Parodie „Freitag, der 713.“ schon wieder zu Ende ging. Das ist schade, denn im Falle des vorliegenden Films lohnt sich das Hingucken zweimal.

Die kleine Karen (Brooke Shields, „Freaks“) wird kurz vor ihrer Kommunion, einem katholischen Ritus, in der Kirche ermordet. Der Verdacht fällt auf Karens Schwester, die zwölfjährige Alice (Paula E. Sheppard). Alice lebt bei ihrer geschiedenen Mutter und gilt als verhaltensauffällig bis bösartig. Zunächst kann ihr nichts nachgewiesen werden, doch nachdem auch ihre Tante einen Angriff fast mit ihrem Leben bezahlen musste, wird sie in eine psychiatrische Heilanstalt gebracht. Aber es geschehen weitere Morde. Wer steckt wirklich im gelben Regenmantel und schwingt das Messer?

„Irgendwann bring ich dich um, du Biest!“

„Communion – Messe des Grauens“ lässt sich nicht lange bitten und mordet die kleine Brooke Shields in ihrer zweiten Filmrolle bereits nach ca. zehn Minuten aus der Handlung. Der Mörder trägt einen gelben Regenmantel, wie auch Alice einen hat, und außerdem exakt die Maske auf dem Anlitz, die Alice zuvor trug. Nun ist Alice sicherlich kein kleiner Engel, sondern mit ihren Verhaltensstörungen eher das exakte Gegenteil ihrer allseits beliebten Schwester Karen – doch ist sie wirklich zu solchen Taten fähig? Diese Frage beschäftigt den Zuschauer eine ganze Weile, denn das Whodunit? des Films lockt möglicherweise auf eine falsche Fährte – möglicherweise aber auch nicht, gerade angesichts weiterer Spielfilme jenes Jahrzehnts um mörderische Kinder. Dabei setzen Sole und Drehbuchautorin Rosemarie Ritvo auf ein vordergründig spießbürgerliches, von der rückständischen Kirche und ihren Ansichten durchsetztes Umfeld, unter dessen Fassade es schon länger kräftig brodelt und gegen das Alice nach der Scheidung ihrer Eltern verständlicherweise rebelliert. Einiges wirkt dabei immer ein gutes Stück weit der Reali- und Normalität entrückt; mal offensiv in Form des fetten Nachbarn Mr. Alphonso (Alphonso DeNoble, „Bloodsucking Freaks“), einem Katzenliebhaber, der Alice zu nahe kommt, mal subtiler in Form von im Polizeibüro hängender Nacktbilder. Irgendwie passt dazu, dass die auch nach lediglich zwölf Jahren aussehende Sheppard kurioserweise bei den Dreharbeiten schon 19 Jahre alt gewesen soll. Viele Zooms auf Gesichter verringern die Distanz des Zuschauers zum Geschehen, der Zeuge eines Lügendetektortests wird, in dessen Rahmen Alice behauptet, Karen wäre mit dem Messer auf ihre Tante losgegangen, und damit verstärkt den Mystery-Anteil des Films prägt. Die Attacken des Mörders fallen durchaus unangenehm und brutal aus und fanden wohldosiert ihren Weg in „Communion – Messe des Grauens“. Der gruselige Soundtrack mit seinem Kindergesang erinnert bisweilen gar etwas an Dario Argentos „Suspiria“, der wohlgemerkt erst ein Jahr später erschien. Die Vergleiche mit „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ kommt nicht nur angesichts der Regenmäntel nicht von ungefähr, doch ist Soles Werk der bessere Film mit stimmigerer Geschichte.

Überraschend gibt Sole das Whodunit? bereits nach 70 Minuten auf und demaskiert den Mörder – was der Film unverhofft gut übersteht und ein starkes, fast schon hypnotisches Finale einläutet, das dann endgültig keinen Zweifel mehr daran lässt, dass es Sole und Ritvo auf religiösen Wahn abgesehen hatten. Das ist in beeindruckender Weise gelungen. „Communion – Messe des Grauens“ ist gut geschauspielert (Sheppard gibt souverän das undurchsichtige, garstige Gör, obwohl es sich anscheinend um ihr Debüt handelte und sie außer in „Liquid Sky“ anschließend nicht mehr vor die Kamera trat!), ungemütlich inszeniert, inspiriert von manch Genreklassiker und doch eigenständig und letztlich sicherlich einer der stärksten Vertreter des Prä-Slashers, bevor John Carpenter die Genreformel mittels „Halloween“ in Zelluloid goss. Das eine oder andere etwas bemüht wirkende Verwirrspiel und die technische Ungeschliffenheit, die ein Quasi-Debüt mit sich bringt, kosten einen halben Punkt, so dass faire 7,5 von 10 gelben Regenmänteln für Alice und ihre Familie bleiben.

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