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Andy Kaufman war ein popkulturelles Ereignis. Der polarisierende Provokant war außerhalb Amerikas kurioserweise nie bekannt, ist aber ohne Zweifel der größte Komiker, der je im Fernsehen aufgetreten ist - und das, obwohl er sich nie selber als Komiker bezeichnet hätte: Entertainer, Musiker, Sänger, Tänzer ja; Komiker nein. Andy Kaufman zu verstehen und nachzuvollziehen war schier unmöglich. Auf der Bühne wandelt er von einem unsichereren, ausländischen und namenslosen Mann zu einem perfekten Macho-Elvis-Imitator. Backstage war er dann plötzlich wieder der verwirrte Ausländer.

Das Phänomen Kaufman ist schlecht in Worte zu fassen. Schwer ist es den wahren Andy da irgendwo zwischen seinen tausenden Maskeraden auszumachen, schwer ist es zu differenzieren, was gestellte Provokation war, und was ein Teil des wahren Andys war. Regisseur Milos Forman schafft mit "Der Mondmann" das Unglaubliche. Das fabelhafte Biopic zeigt Andy zwar kaum privat, aber beobachtet ihn bei seinem Rollenwechsel bei seinen Anfängen, und gibt auch einen köstlichen Abriss seiner bekanntesten Werke zum Besten. Daraus wird eine biographische Collage, exzellent recherchiert, und noch schöner erzählt, die mehr über Andy Kaufman aussagt, als alle bemühten Analysen.

Forman zeigt Kaufman bei seinem legendären ersten Auftritt bei "Saturday Night Live", bei dem er unsicher auf der Bühne im Spotlight steht, mit Mühe im Publikum herumschaut, und sich keine Sekunde auf einen Punkt mit seinen Augen konzentrieren kann. Zögerlich startet Andy eine Vinylplatte mit dem "Mighty Mouse"-Theme, das er beim Refrain plötzlich enthusiastisch im Playback mitsingt. Auch sehen wir, wie Kaufman seinem ignoranten Publikum anstatt seine übliche Show durchzuziehen, ihm Fitzgeralds "Der Große Gatsby" vorliest.

Forman zeichnet Kaufmans eigenwillige Komik: In einer Fernsehshow manipuliert er die vertikale Bildstabilität während der Ausstrahlung. Die Folge ist, dass das Fernsehbild herumspringt. Kaufman fand den Gedanken komisch, dass sein Publikum aufstehen, auf den Fernseher schlagen, und sich ärgerlich über den Apparat äußern würde. Ein Witz, den nur er verstand. Ähnlich kompliziert verhält es sich mit Andys Tony Clifton-Maskerade. Clifton, Andys alter ego, ist ein ungehobelter, schnauzbärtiger Showrabauke, der eine Geschmacklosigkeit nach der anderen vom Stapel lässt. Als sich die Figur des Clifton als verkleideter Kaufman in der Öffentlichkeit etabliert hat, trat Andy konsequent neben Clifton auf, um seine Zuschauer noch mehr zu verwirren.

Regisseur Forman vermeidet langweilige Klischees, und stellt uns Andy Kaufman so dar, wie er wirklich war. Herausfordernd, unterwandernd, provozierend. Aber er zeigt auch die tragische Seite Andys: Sein wohl größter Gag, eine riesige über Monate hinweg inszenierte Show, in der Andy gegen Frauen im Boxring ankämpft, und schließlich im Kampf gegen einen Profi-Wrestler fast das Genick gebrochen wird, bedeutet für ihn das kommerzielle Aus. Zwar werden seine Taten, seine Performances, immer hochwertiger und vertrackter, immer ausgereifter - seinen Bezug zum Publikum hatte Andy längst verloren.

Als seine ungeliebte Sitcom "Taxi" abgesetzt wird, scheint es kaum schlimmer kommen zu können. Bis Andy, ein notorischer Nichtraucher, die Diagnose auf Lungenkrebs erhält. Wir sehen das Leiden, den Optimismus und die Hoffnung des Andy Kaufman. In einer Schlüsselszene wird Andy Opfer seines eigenen Tricks. Andy, der auf komische Weise mit Illusion und Wirklichkeit jongliert, fliegt auf die Philippinen, um sich von einem Wunderheiler den Tumor herausnehmen zu lassen. Als Andy dann wirklich auf der Pritsche des Scharlatans liegt, muss er feststellen, dass das Blut und der schlaffe Tumor nur vorher bereits präparierte Fälschungen sind. Seinen eigenen Trick vor Augen muss Andy anfangen zu lachen.

Und bei diesen Szenen wird deutlich, was für ein Glück Jim Carrey für diesen Film war. Seine energetische, überraschend qualitative Darstellung des Andy Kaufmans ist die beste Vorstellung seiner bisherigen Karriere. Als Carrey mit Kaufmans alten Co-Stars aus "Taxi" vor der Kamera steht, beteuern diese in Interviews, dass Carrey auf wundersame Weise "Andy Kaufman wurde", nie "spielte". Ja, Carrey zeigt sich hier fernab von seinen üblichen grimassierenden, oftmals nur anstrengend komischen Figürchen, und porträtiert seinen Star feinfühlig und geheimnisvoll.

Milos Forman ist ein Ausnahmefilm geglückt. Sinnvoll, intelligent, dennoch sehr komisch. Die präzise Zeichnung der Künstlerpersönlichkeit Kaufman wird durch die starke, sehr atmosphärische Musik R.E.M.s unterstützt, und mittels der einfallsreichen Inszenierung veredelt. "Der Mondmann" ist ein perfektes Beispiel für eine grandiose, filmische Biographie - denn obwohl Forman wenig persönliche Szenen einbaut, wissen wir nach den 110 Minuten Film mehr über Kaufman, als die meisten anderen Leute.

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