Der amerikanische Bürgerkrieg bietet sich an als Kontext einer tristen Geschichte. Ob es die Nahtoderfahrungen junger Männer, ob es Schwarze sind, die erstmals Freiheit schnuppern, oder ob wir mit dezimierten Familien mitleiden, die ihr leidgeprüftes Schicksal stemmen müssen - das blau-graue Massensterben liefert in jedem Fall den passenden Rahmen. Zumindest jeder Amerikaner weiß um die für heimische Verhältnisse beispiellose Dimension des von 1861 bis 1865 währenden Konflikts, der noch nach über 150 Jahren ein größeres Politikum darstellt als der Vietnamkrieg. Man ist sich uneinig in den Staaten. Wer trägt woran wieviel Schuld? An den Ursachen der Tragödie. An deren Verlauf und Eskalation. Und an ihren Konsequenzen. Diese manische Unsicherheit findet nun einmal mehr Ausdruck in einem kompromisslos finster gelungenen Stück filmischer Vergangenheitsbewältigung. Die steckt diesmal allerdings im Thriller-Kostüm und gerät unorthodox.
Schon die ersten Minuten lassen es angebracht erscheinen, die Kinder aus dem Wohnzimmer zu schicken. Denn die zwei Männer (darunter Sam Worthington), die da im brennenden Süden der Spätphase des Bürgerkriegs aus einer Kutsche steigen, erschießen gleich zu Beginn des Films unvermittelt zwei Frauen, von denen eine zuvor offensichtlich vergewaltigt wurde. Und mit dieser motivlosen Barbarei machen die beiden weiter. Kaltblütig und allmächtig. Von Beginn an ist klar, wohin die Blutspur der zwei uniformierten Nordstaatler führen wird, nämlich zu den drei Heldinnen der Geschichte. Die leben mutterseelenalleine auf einem Hof (denn die Männer sind im Krieg) und leisten im täglichen Kampf ums Dasein ganze (Männer-)Arbeit. Dabei bietet das soziale Miteinander der zwei Schwestern mit der schwarzen Dienstmagd genügend Platz für die angezeigte cineastische Befreiung der ehemaligen Sklavin.
Von grauen Bildern begleitet verstreicht ein pechschwarzer Film, der sich in seiner Linienführung nicht hetzen lässt. Und doch steigt die Spannung kontinuierlich. Den meisten Regisseuren misslingt dieser Spagat. Doch der ehemalige Werbefilmer Daniel Barber, der 2009 den nicht weniger radikalen Selbstjustiz-Reißer „Harry Brown" mit Michael Caine inszenierte, gelingt innerhalb seiner (finanziell beschränkten) Möglichkeiten eigentlich alles Wesentliche. Auch seine Figuren wirken glaubhaft, wenn auch (dem heutigen Filmpublikum zuliebe) ein wenig aus der Zeit gefallen. Vor allem Brit Marling schenkt mit ihrem patenten Spiel der Dame des Hofes einen kraftvollen Charakter, der zwischen ihrer in alten Denkmustern gefangenen jüngeren Schwester und der ihre Würde verteidigenden schwarzen Dienstmagd erfolgreich vermittelt und unterdessen das Wetterleuchten am Horizont wahrnimmt, das einen Sturm ankündigt, der ihre Heimat verwüsten wird.
Bei dem Thema steht natürlich auch Onkel Toms Hütte im Garten. Doch wird die Ehrrettung der Schwarzen behutsam (wenn auch nachdrücklich) in die Story untergehoben, ohne Beigabe von Moralin. Dabei verzeihen wir der sehr sorgsam durchdachten, unkonventionell inszenierten Geschichte gern den einen oder anderen Anachronismus. Denn weder war der Süden in der Endphase des Bürgerkriegs aller wehrfähigen Männer beraubt (so wie das im Film dargestellt wird), noch hätte sich eine Sklavin getraut, die Ohrfeige einer weißen Frau mit einer Backpfeife zu quittieren. Eine solche Antwort passt zu den Märchenfiguren Quentin Tarantinos, nicht aber zu den seit Generationen in Unfreiheit lebenden Leibeigenen des historischen Südens, deren Sozialisation solch eine (berechtigte) Reaktion verboten hätte. Es ist bemerkenswert, dass Daniel Barber eine solch plakative Szene trotz malträtierter Etikette erfolgreich dazu nutzt, sein Stück dramaturgisch zu bereichern.
Eigentlich ist da nicht viel Substanzielles, das man „The Keeping Room" zuschreiben könnte. Wenn man von den (den zeitlichen Umständen geschuldeten) Problemen der drei Frauen absieht, konzentriert sich Daniel Barber wirksam auf die beklemmende Atmosphäre seines Films und das spannungssteigernde Moment der sich langsam nähernden Gefahr. Dem übrigens in Rumänien gedrehten Thriller-Western sieht man sein europäisches Setting wohltuend wenig an. Wüsste man es nicht besser, die Wälder der Karpaten könnten auch die südlichen Appalachen sein. Kein Grund also, sich davon abschrecken zu lassen. Nur ein wenig dickhäutig sollte man sein. Denn obwohl in jenen Breitengraden die Sonne reichlich scheint, bleibt es kalt. Eiskalt.