1986 wurde das Buch „Roter Drache“ von Thomas Harris zum ersten Mal unter dem Titel „Manhunter“ (oder auch „Blutmond“) verfilmt, doch es war erst einige Jahre später, dass Jonathan Demme mit dem „Schweigen der Lämmer“ die Buchreihe von Harris der breiten Masse bekannt, und Demme zusammen mit seinen Hauptdarstellern Jodie Foster und Anthony Hopkins zu Oscar-Gewinnern machte...
Damals hieß Dr.Hannibal Lecter noch „Dr.Lektor“ und wurde von dem großartigen Brian Cox („25th Hour“) verkörpert, doch da das Original wenig erfolgreich lief und die Figur erst mit den „Lämmern“ und Hopkins populär wurde, entschied man sich im Jahre 2002 (nach dem Erfolg der Fortsetzung „Hannibal“) zu einem Remake mit Hopkins in der nun untrennbar mit ihm verbundenen Rolle...
Soviel also zu den Entstehungsgründen von „Red Dragon“ – wieder mal eines dieser rein kommerziellen Remakes, wie es scheint, doch glücklicherweise setzte man bei diesem Film auf Qualität in Sachen Besetzung und Inszenierung, wodurch ein dem Original ziemlich ebenbürtiges Remake entstand:
Will Graham (Edward Norton) schafft es am Anfang des Films, den Serienkiller Dr.Lecter zu fassen, wird dabei jedoch so schwer verletzt und traumatisiert, dass er den Dienst an den Nagel hängt und sich nach Florida absetzt. Einige Jahre später sucht ihn sein Chef Jack Crawford (Harvey Keitel) jedoch auf und bittet ihn um Mithilfe bei einem aktuellen Fall – ein unbekannter Killer (von der Presse nur „die Zahnfee“ genannt) tötet bei Vollmond ganze Familien auf brutalste Weise, und das FBI hat keinerlei Anhaltspunkte...
Nach erstem Zögern willigt Will ein, die Ermittlungen zu unterstützen, doch beim Wettlauf gegen die Zeit muss er erkennen, dass Dr.Lector die einzige wahre Chance darstellt, den Täter rechtzeitig ausfindig zu machen – vor allem weil sich jener als Fan von Lectors Arbeit entpuppt...
Die Grundstory blieb bei der Neubearbeitung des Stoffes nahezu unverändert und wirkt insgesamt glatter, mehr Mainstream, während das Original im Vergleich bei manchen Szenen einen fast bizarr wirkenden Einschlag besitzt, welcher jedoch vermutlich zum Teil auch nur von dem bei der Entstehung vorherrschenden Zeitgeist und dem heute fast ungewohnten visuellen Stil der 80er stammt – dabei beziehe ich mich hauptsächlich auf Musikuntermalungen einiger Szenen, wie beispielsweise als der Killer den Bekannten der von ihm angebeteten Kollegin tötet, oder bei dem finalen Feuergefecht mit der Polizei.
„Manhunter“ war ein deutliches Produkt der 80er Jahre, was vor allem an Regisseur Michael Mann („Heat“) lag, denn er stilisierte jede Einstellung zu einem kühlen Bildnis – phasenweise wirkt der Film daher wie eine lange Folge „Miami Vice“ (eine Serie, an der Mann ebenfalls beteiligt war).
William Peterson spielte Will Graham damals nachdenklich, kontrolliert und zurückhaltend – diese Art der Darstellung perfektionierte er inzwischen im Rahmen seiner Hauptrolle in der Hit-Serie „C.S.I.“.
In „Red Dragon“ übernahm Edward Norton („Primal Fear“) diese Rolle und legte sie ähnlich, aber nicht nur als bloße Kopie an. Norton (ohnehin der wohl beste Schauspieler seiner Generation) versteht es, die innere Zerrissenheit der Figur (hervorgerufen durch die traumatischen Ereignisse im Fall Lecter) subtil, aber doch verdeutlicht hervorzubringen.
Allgemein ist die Besetzung des Remakes erstklassig – besonders Ralph Fiennes („Stange Days“) überzeugt als „Zahnfee“. Die großartige Emily Watson („Equilibrium“), Harvey Keitel („Reservoir Dogs“) und Phillip S.Hoffman („Magnolia“) runden das talentierte Ensemble ab – und natürlich Hopkins, der seiner Rolle (wie schon in den vorangegangenen Filmen) das gewisse Etwas, also eine Mischung aus Faszination und Abscheu, verleiht.
Warum sich also das Remake ansehen?
Zumal werden viele das Original ohnehin nicht kennen, und vor allem „jüngere“ Zuschauer werden mit der aktualisierten Bildsprache von „Red Dragon“ mehr anfangen können, als mit den stilvoll-kühlen 80er Jahre Bilder Manns.
Zudem ist das Remake keine reine Kopie geworden, sondern fügt auch großartige neue Elemente hinzu – beispielsweise die Absicht des Killers, sich in Anlehnung an Blake´s Gemälde (namens „Roter Drache“) selbst in den Drachen zu „verwandeln“ (zu diesem Zweck hat er seinen Körper mit jenem Motiv als Tattoo verziert und isst (!) in einer großartigen Sequenz gar das Gemälde, um es sich einzuverleiben – diese Elemente kamen im Original nicht vor). Es gibt auch eine tolle Szene zwischen Fiennes und seiner blinden Freundin Riba (Watson) in seinem brennenden Haus – sowohl schauspielerisch als auch optisch ein Fest (und ein echter Höhepunkt vor dem eher konventionellen eigentlichen Showdown).
Was mich auch sehr positiv überrascht hat, ist die Leistung von Regisseur Brett Rattner, dem mit diesem Film ein qualitativer Quantensprung gegenüber seinen anderen (vorhergehenden) Werken gelang, da es sich bei jenen Filmen hauptsächlich um „Action-Buddy“-Komödien (wie „Money Talks“ oder „Rush Hour“) handelte – Hut ab!
Leider ist „Red Dragon“ weder so psychologisch ausgefeilt wie „das Schweigen der Lämmer“, noch so schockierend und blutig wie „Hannibal“, sondern das kommerziellste Werk der „Serie“ – aber trotzdem noch ein guter und sehenswerter Thriller, der als „Prequel“ gut funktioniert ... vor allem in der letzten Szene, als man Lecter mitteilt, es wäre eine junge „FBI“-Agentin da, um mit ihm zu sprechen...
Fazit: Ein dem Original ziemlich ebenbürtiges Remake – spannend, gut produziert und hervorragend besetzt = 8 von 10.