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Direkt nachdem Ridley Scott mit „Hannibal“ den von den meisten Kritikern verrissenen, aber erfolgreichen dritten Roman von Thomas Harris um den Serienkiller Hannibal Lecter verfilmt hatte, machte man sich an das Remake seines ersten Buches „Blutmond“, das Mitte der 80er als TV-Spielfilm eher schlecht als recht und vor allem ohne Anthony Hopkins verfilmt worden ist, dem im Vorfeld mehr Aufmerksamkeit gewidmet wurde, als seine, in diesem Fall kleinere, Rolle eigentlich wert gewesen wäre. Und man mag es kaum glauben, diese erneute Verfilmung übertrifft das Original, obwohl sie eigentlich nur dazu gedacht war, die Franchise ein letztes Mal zu melken.

Als beeindruckend erweist sich der Cast: Neben Hopkins wurde Edward Norton, Harvey Keitel, Ralph Fiennes, Emily Watson und viel weitere bekannte Gesichter verpflichtet, die von vorne herein ein Garant für einen Kassenknüller sein sollten. Warum angesichts dieser beeindruckenden Namen aber Brett Ratner als Regisseur verpflichtet wurde, der schon bei anspruchslosen Mainstreamern wie „Rush Hour“ nur konventionelle Arbeit ablieferte, wird wohl ewig das Geheimnis der Produzenten bleiben.

Und obwohl bei der Inszenierung kein eigener Stil Ratners zuerkennen ist (Im Grunde kopiert er, wenn auch nicht ungeschickt, schon da gewesenes, designt nur alles etwas düsterer und farbloser), bleibt „Red Dragon“ ein Erlebnis, was den Schauspieler und auch dem Drehbuch zuzuschreiben ist. Das Remake funktioniert auf psychologischer Ebene weitaus besser als das, zumindest in dieser Hinsicht, etwas plumpere Original.

Dolarhyde (Fiennes) ist ein krankes Individuum, das einst seine Familie tötet und nun schon zwei Familien auf brutale Weise ermordete. Anfangs noch ein entstelltes kaltes Monster und emotioneller Krüppel fängt man an seine Psyche zu verstehen und sogar mit ihm zu fühlen. Selbst von Kindheitserinnerungen geplagt und suizidgefährdet, sind die Morde wie ein Rausch, den er nicht aufhalten kann. Die Polizei hält ihn für einen Wahnsinnigen ohne Methode und steht vor einem Rätsel. Was tun?

Ihm gegenüber der Rückkehrer Will Graham, der im Intro noch Hannibal Lecter zur Strecke brachte (endlich sehen wir das, wovon in „Hannibal“ noch berichtet wurde), das aber fast mit dem Leben bezahlen muss und daher ausstieg um sein Leben fernab von Grauen und Killern weiterzuleben, bis man ihn um Hilfe bittet. Da er die entsprechenden Resultate bringt und ihn schließlich die alte Leidenschaft wieder packt, geht er jedoch wieder weiter, als er eigentlich wollte und sucht schließlich Rat bei seinem Todfeind: Dr. Lecter

Und obwohl Hopkins Name dick und fett auf dem Kinoposter zu sehen ist, bleibt er hier, wie im Roman, eine Nebenfigur, jedoch eine faszinierende. Verglichen mit „Hannibal“ und „Schweigen der Lämmer“ ist seine Aura aber fast verpufft. Zu wenig wird von seiner Intelligenz, seiner literarischen Rätsel und seinen Wortspielen geboten. Dank des Drehbuchs verkommt der Kannibale hier zu einem, zwar immer noch Furcht einflößenden, aber letzten Endes nur böse guckenden Psychopathen, der in Graham (im Gegensatz zu Agent Sterling) keinen Gegner findet und die Psyche des Killer ohne lange Nachzudenken durchschaut. Zumindest aber sorgt der Einbau aller aus „Das Schweigen der Lämmer“ bekannten Charaktere (besetzt von den gleichen Schauspielern) in seinem Hochsicherheitstrakt für ein freudiges Wiedersehen.

Über Routine kommt der Thriller allerdings nie hinaus. Dem Treiben folgt man zwar aufmerksam, einige Wendungen sind auch recht überraschend, aber Unterschiede gibt es im Ablauf verglichen mit dem Original nur unwesentliche. Graham pirscht sich an den irren Psychopathen heran, der inzwischen mit schwach ausgeprägter Schizophrenie eine Beziehung einzugehen versucht, nebenher aber auch ein Exempel statuieren will. Dabei will das Geschehen aber nie so recht griffig und spannend werden, was der streckenweise zu tempolosen Inszenierung zu verdanken ist.

Im Gegensatz dazu überzeugen aber die Schauspieler. Dass Edward Norton sich inzwischen in fast jeder Rolle zurechtfindet dürfte inzwischen bekannt sein, so dass diese gute Leistung hier kaum noch überrascht. Aber von Ralph Fiennes hat man in den letzten Jahren auch Schlechteres gesehen, so dass seine beeindruckende, feinfühlige Darstellung des sanften, schüchternen Psychopathen, der seine Sehnsüchte zu unterdrücken versucht, schon eine Überraschung ist. Der Supportcast bekommt zwar wesentlich weniger Screentime überzeugt aber, ohne Ausfälle, durch die Bank weg.

Fazit:
„Red Dragon“ ist ein gelungenes Remake, was vor allem den hervorragenden Schauspielern, einem weitestgehend verbesserten Script und der Musik Danny Elfmanns zu verdanken ist. Mit Brett Ratner wurde allerdings ein zu unerfahrener Regisseur verpflichtet, der diesen Streifen zwar routiniert runterkurbelte, dabei aber nie seinen eigenen Stil findet, keine Akzente setzen, beziehungsweise Überraschungen bieten kann, nie richtig schocken kann (verglichen mit den beiden anderen Kinofilmen geradezu harmlos) und letztendlich nur Altbewährtes auftischt.

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