Nach dem sensationellen Erfolg von "Das Schweigen der Lämmer" und dem Sequel "Hannibal" war es klar, dass es bald auch eine Verfilmung des ersten Thomas Harris-Romanes geben wird, in dem Hannibal Lecter auftritt. Zwar wurde "Roter Drache" schon einmal, und zwar im Jahre 1986 gedreht, aber in postmodernen 80er Jahre Stil und mit einem recht schwachem Drehbuch - und ohne dem genialen Anthony Hopkins als Hannibal the Cannibal.
2002 kam dann schließlich das Prequel heraus: "Roter Drache", das "Manhunter"-Remake. Mit konventionellerer Optik, deutlich besserem Drehbuch und einer extrem hervorragenden Besetzung. Waren es im Original Mittelklasse-Stars wie Dennis Farina und William Petersen, die auf der Jagd nach der Zahnfee waren, haben wir hier einen wahren Overkill von großen Namen: Edward Norton gibt eine überaus überzeugende Vorstellung als FBI-Profiler Will Graham, ebenso wie Harvey Keitel oder der erschreckend bösartige Ralph Fiennes. Außerdem starke Performances von Philip Seymour Hoffman, Emily Watson, Mary-Louise Parker, Frank Whaley, Bill Duke und Mary Beth Hurt.
Das Drehbuch konzentriert sich öfter und intensiver um das kaputte Seelenleben in der "Zahnfee" Francis Dolarhyde. Seine Motive, und seine Gedanken werden uns zwar filmisch recht plump durch einen simplen Off-Kommentar seiner verstorbenen Mutter (gesprochen von Ellen Burstyn) dargebracht, aber dennoch können wir uns eher in die verwirrte Psyche des Irren hineinfühlen, ja, wir fühlen sogar Mitleid für den verzweifelten Mann, der sogar erwägt sich die Kugel selber in den Kopf zu jagen, als er Angst vor sich und seinen Fantasien bekommt. Trotz dieser Variationen ist "Roter Drache" eher ein Remake von "Manhunter", als eine neue, werkgetreuere Fassung des Romans.
Denn ansonsten geht Regisseur Brett Rattner fast genau den Weg, den auch "Manhunter" einschlug. Vielleicht noch etwas grauenerregender und spannender, und sicherlich gerade durch die Partizipation Anthony Hopkins' schauspielerisch attraktiver. Natürlich sind die Möglichkeiten die Figur des Hannibal Lecter einzusetzen deutlich beschränkt. Rattner nutzt jede auch ach so einfache und langweilige Möglichkeit um Hopkins' diabolisches Hannibal-Lachen einzufangen. Sei es in Rückblicken oder in zusätzlichen Szenen. Lecter tritt deutlich aggressiver und abweisender auf als in den Vorgängerfilmen. Da ist kaum mehr etwas von dem intellektuellen, mit Zitaten jonglierenden Gourmet, Lecter wird recht simpel von Hopkins dargestellt: Bösartig. Wenn die Settings in "Roter Drache", und das Auftreten verschiedener "Schweigen der Lämmer"-Charaktere, wie zum Beispiel Dr. Chilton (wieder Anthony Heald), nicht wären, Hopkins' Darstellung wäre nichts als enttäuschend. So wird man aber immer an bessere Zeiten erinnert, und die wenigen Hannibal-Szenen werden eh von den anderen, viel besseren Darstellungen überflügelt.
Die Geschichte von "Roter Drache" ist interessanter und filmisch schöner zu erzählen, als "Hannibal". Es ist jedoch auf Brett Rattner, einem sehr einfallslosen Mainstreamregisseur der schon die geistlosen "Rush Hour"-Filme verbrochen hatte, zurückzuführen, dass hier der Film auf ganz gewöhnliche Pfade tritt, und es nicht schafft die perfekte Intergrität von Demmes "Schweigen" oder die opulente Ästhetik von Scotts "Hannibal" zu erreichen, oder wenigstens einen eigenen, ambivalenten Stil zu entwickeln. Doch Ted Tallys Drehbuch und die durchweg gute Darstellerriege können über die Patzer hinwegtäuschen.
"Roter Drache" ist der schwächste "Hannbial"-Film mit Anthony Hopkins. Es ist traurig zu sehen, wie viel Potential hier in dem Film verschenkt wurde. Hätte man einen erfahreneren Regisseur eingesetzt, wäre hier eventuell ein weitaus größerer Film geworden. So ist es "nur" ein konventioneller Thriller, trotz durchweg hoher Spannungskurve, einem brillanten Psychopathen und einer erstklassigen Besetzung.