Nachdem der berüchtigte Regisseur und Gimmick-Freund William Castle „Die Zwangsjacke“ mit Hollywood-Diva Joan Crawford abgedreht hatte und mittlerweile mit Fug und Recht als Experte für laut polternde, liebenswerte und unterhaltsame US-B- bzw. -Low-Budget-Movies galt, verfilmte er mit „Er kam nur nachts“ im Jahre 1964 ein weiteres Drehbuch des „Psycho“-Autors Robert Bloch. „Er kam nur nachts“ ist irgendwo zwischen Grusel-Krimi und Psycho-Thriller einzuordnen und hat mit Barbara Stanwych („Untergang der Titanic“) erneut eine alternde Hollywood-Ikone in der Hauptrolle vorzuweisen.
Der blinde, doch vermögende Howard Trent (Hayden Rorke, „Die unteren Zehntausend“) glaubt, dass seine Frau Irene ihn betrügt, da sie im Schlaf von einem anderen Mann redet. Er vertraut sich dem Anwalt Barry Moreland (Roger Taylor, „Die Macht und ihr Preis“) an und konfrontiert seine Frau mit den Vorwürfen. Kurz darauf ist er nach einer rätselhaften Explosion im Haus spurlos verschwunden. Seine Frau wird fortan mit alptraumhaften Visionen geplagt und bekommt zunehmend Schwierigkeiten, Traumwelt und Realität auseinanderzuhalten. Hilfesuchend wendet sie sich an Moreland…
Oberflächlich betrachtet ist „Er kam nur nachts“ ein reißerischer Kriminalfilm, der sich einiger Horrorfilm-Ingredienzien bedient, in dem letztlich aber nichts wirklich Übersinnliches vor sich geht. Der blinde Howard Trent wird bereits zu Lebzeiten mit seinen weißen, leeren Augen extrem gruselig inszeniert. Sein verbranntes Antlitz steigert diesen Effekt noch und mit Kunstnebel, Schnitttechnik und schaurigen Requisiten erzeugte, atmosphärisch unheimliche Szenen, die bereits das Surreale streifen, beweisen Castles Händchen für die Reproduktion klassischer Genre-Charakteristika, die die Erwartungshaltung des Publikums erfüllen. Ein psychologisch ähnlich versierter Thriller wie „Mörderisch“ oder „Die Zwangsjacke“ wurde „Er kam nur nachts“ indes nicht, wenngleich, wagt man einen Blick unter die Oberfläche, der Subtext im prä-emanzipatorischen Zeitalter durchaus mutig von den heimlichen Wünschen und Begierden einer unbefriedigten Ehefrau handelt, welche als Sympathieträgerin eingeführt wird. Viel mehr an psychologischem Tiefgang bietet Castles Film aber nicht und auch die letztliche Auflösung der Geschehnisse ist nicht sonderlich schwer zu erraten. Stattdessen lädt „Er kam nur nachts“ dazu ein, die schönen, stimmig ausgeleuchteten und von einem sich überraschend im Ohr festsetzenden Soundtrack begleiteten Schwarzweiß-Bilder ebenso auf sich wirken zu lassen wie Taylors und Stanwychs (trotz guter darstellerischer Leistungen Laien-)Psychospiel genussvoll beizuwohnen. Allzu glaubwürdig wirkt dieses aber eben nicht, derart leicht dürfte kaum eine Frau im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte zur Hysterie zu verleiten sein. Auch dann nicht, wenn diese anscheinend stets in voller Montur zu nächtigen bevorzugt…
Wie auch bei „Die Zwangsjacke“ ergeht man sich in etwas unnötig ausführlichen Erklärungen am Ende, statt sich auf den Intellekt seines Publikums zu verlassen. Unterm Strich handelt es sich aber um ein gelungenes, kurzweiliges Vergnügen für den nostalgischen oder historisch interessierten Genrefilmfreund, das auf die Castle-typische Art sympathisch, charmant und ein bisschen naiv erscheint. Und irgendwie gefällt mir die Idee mit dieser bizarren Explosion im Haus sehr. Kawumm, ein Zimmer weniger. Warum nicht.