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"Ich werde dich nicht völlig aussaugen. Du wirst mein Sklave sein, weil ich nicht glaube, dass du menschlichen Blutes würdig bist, wirst du dich vom Blut streunender Hunde ernähren. Du wirst meine Fussbank sein und auf mein Kommando wirst du Hundescheiße vom Haken meines Stiefels lecken. Und weil Du mein Hund sein wirst, ist dein neuer Name Bello. Willkommen in der Sklaverei!"  Ich kann mir nicht helfen, immer wenn ich den Name Salma Hayek höre, muss ich unweigerlich an diese exotisch hübsche Frau und ihre einzigartige Schlangentanzszene aus dem Kultfilm "From dusk till dawn" (1996) denken. Mit welchen stich- und bleihaltigen Argumenten sich die holde Weiblichkeit gegen Unterdrückung, Prostitution, Sklaverei und ein gewalttätiges Yakuza Oberhaupt zu erwehren weiß, zeigt die auch  heute nicht minder attraktive Mexikanerin in ihrem 2014 erschienen unterhaltsamen Action-Reißer "Everly", welcher von der filmischen Klasse her zwar nicht ganz mit Rodriguez Meisterwerk mithalten kann, für Actionfreunde aber mindestens den einen oder auch anderen Schauwert bieten dürfte.

Dabei war Hayek gar nicht mal erste Wahl für die Rolle der tapferen Everly,  sie kam erst ins Spiel, als Kate Hudson kurz vor Drehbeginn absagte. Joe Lynch, der sich unter anderem auch für den zweiten Teil von Wrong Turn (2007) verantwortlich zeigte, führte Regie und schrieb gemeinsam mit Yale Hannon das Skript. Nach der Fertigstellung im Jahr 2010 gelangte das Drehbuch auf eine Blacklist von zwar ausgezeichneten, aber noch nicht an Studios vergebenen Projekten, ehe 2014 dann endlich die Realisierung begann. Die unfreiwillige Prostituierte Everly (Salma Hayek) erhält nach 4 Jahren grenzenloser sexueller Tyrannei und Schikane Ihres Zuhälters, dem Yakuza Boss Taiko (Hiroyuki Watanabe), ein verlockendes Angebot vom FBI. Wenn sie gegen Taiko aussagt, kommt sie in eine Art Zeugenschutzprogramm. Taiko bekommt Wind von der drohenden Gefahr und entsendet gegen ein Kopfgeld von 500.000 Dollar eine ganze Armee von Killern und Yakuza-Gängstern zu Everlys Bordellwohnung um sie zu töten. Doch die anfangs verängstigte Frau lernt schnell, sich mit Waffengewalt gegen die komplette Unterwelt zu behaupten. Als Taiko zusätzlich noch Everlys Mutter Edith (Laura Cepeda) und ihre kleine Tochter Maisey (Aisha Ayamah) bedroht, wird ihr bewusst, dass auch wenn sie heute Nacht sterben wird, sie alles dafür tun muss, dass ihre Familie, die sie seit 4 Jahren nicht gesehen hat, überlebt...

Es ist schon faszinierend, was Joe Lynch hier trotz des räumlich begrenzten Areals für ein brachiales Actionfeuerwerk abfackelt, denn 95 % der Handlung spielt in Everlys prunkvoll eingerichteten Establishment und die tragische Heldin wehrt wie eine mittelalterliche Burgherrin den Ansturm der scharenweise heraneilenden Eindringlinge gekonnt ab, welche brutalst wie die Fliegen sterben.  Lynch versteht es, die zahlreichen Shoot-Outs äußert blutig aber auch stilvoll mit variablen Perspektivwechseln sowie rasanter und übersichtlicher Kameraführung in Szene zu setzen. Für die Wunddarstellung sind größtenteils altmodische Bloodpacks im Einsatz, auf CGI wurde weitgehendst verzichtet, was der ganzen Szenerie natürlich auch einen gewissen Druck verleiht. Deutlich bemerkbar ist für den Zuschauer auch die spürbare Steigerungskurve der Actionintensität, je länger der Film dauert, desto härter und greifbarer fallen auch die Actionsequenzen aus und gipfeln in einem wirklich ausgiebigen und hochspannenden Showdown mit einigen unvorhersehbaren Wendungen und einem genialen, mitreißenden Schlussmoment. Mehr wird an dieser Stelle nicht verraten, deswegen mein Tipp, ANSCHAUEN!

Aber Everly bietet  nicht nur gefällige Dauer-Action. Lynch generiert bei all dem Tempo auch immer wieder reichlich Platz für schwarzhumorige, schräge Ideen, die in der zweiten Filmhälfte sogar in bizarren Terror- und Foltereinlagen enden, was die teilweise gewollte Überzeichnung  von Action und Gewalt zusätzlich unterstreicht. Der auf der Couch sitzende, langsam dahinsiechende Yakuza mit der Bauchwunde sticht schon mit einer gewissen Skurrilität und geheimnisvollen Präsenz ins Auge, richtig morbide wird es, wenn der Sadist mit seinem Foltersklaven die Bühne betritt und selbst vor dem Quälen mit hochgiftigen Säuresubstanzen nicht zurück schreckt. Hier balanciert Everly klar zwischen kompromissloser Mainstream Action am oberen Limit und eindeutig alternativer, perfider Special- Interest Unterhaltung, trotz des meines Erachtens nach hohen Unterhaltungsfaktors wird der starke Tobak bestimmt nicht jedermanns Sache sein. Wie der Streifen ungeschnitten den 18er Segen der freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) erhalten konnte, bleibt für mich jedenfalls ein unverständliches Rätsel.

Dass Salma Hayek der optische Hingucker des Films ist, muss eigentlich nicht extra erwähnt werden und auch schauspielerisch gelingt ihr es, den Wandel von der verzweifelten Bordsteinschwalbe zur gnadenlosen Rächerin und "Lebensversicherung" für ihre Tochter, welche von Aisha Ayamah herzerfrischend verkörpert wird, glaubhaft darzustellen. Hiroyuki Watanbe besticht als gewissenloser Yakuzaanführer mit einer grandios diabolischen Performance. Leider erhält er etwas sehr wenig Screentime, was aber auch dem erst späten bildlichen Auftreten kurz vor "Sendeschluss" geschuldet ist. Eine ebenfalls erinnerungswürdige Vorstellung gibt Togo Igawa als "der Sadist" ab. Er zelebriert regelrecht die kranke Perversität und Gnadenlosigkeit seiner Rolle mit feurigem Enthusiasmus. Die Besetzung von Everlys Mum durch Laura Cepeda war meiner Meinung  eine krasse Fehlentscheidung, ihr Schauspiel konnte mich überhaupt nicht erreichen und ihre ständigen Moralpredigten haben irgendwann auch an meinen Nerven gezerrt. Die weiteren, meist japanischen Darsteller agieren solide ohne zu glänzen, erfüllen aber ihren Zweck vollumfänglich: Kanonenfutter zu sein für den Gegenschlag der Titelheldin!

Die in Serbien gedrehte, Kammernspiel ähnliche und mit pechschwarzen Humor ausgestattete Action Groteske „Everly - Die Waffen einer Frau“, so der komplette deutsche Titel, bietet insgesamt kurzweilige, derbe Genreunterhaltung mit einer rassig scharfen Titelheldin und lässt das Herz eines jeden Actionfans dank einer brutalen, knallharten und flott inszenierten Gewaltorgie höher schlagen. Actiontechnisch ließ sich Joe Lynch nach eigenem Bekunden von bekannten Referenzwerken wie Taken, Die Hard, Kill Bill und Hayeks Frühauftritt Desperado inspirieren. Ergänzend pfeift er auf tiefgründige Gespräche mit Charakterzeichnung und nutzt die knapp 90 Minuten lieber für sein offenkundiges Faible für provokante und skurrile Inhalte, welche dafür sorgen, dass sein Einraum Szenario niemals langweilig wird, auch wenn er gerade im letzten Abschnitt für den typischen Popcorn-Action Sympathisant vielleicht ein wenig übertreibt und er beim vorangegangenen Casting nicht immer mit jeder einzelnen Entscheidung (Stichwort: Mutter) vollkommen richtig lag. MovieStar Wertung: 8 von 10 Punkte.

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