„Wir haben einen Fall! Einen mutmaßlichen Mordfall“ – „Boah…“
Mit „Zorn: Tod und Regen“, der Verfilmung des gleichnamigen Romans aus der Feder des Schriftstellers Stephan Ludwig, etablierte die ARD im Frühjahr 2014 eine neue TV-Krimireihe jeweils rund eineinhalbstündiger Filme um den Hallenser Kripokommissar Claudius Zorn und seinen ungleichen Kollegen Schröder. Mit der Regie des ersten Falls betraute man Mark Schlichter, der zuvor bereits einige Erfahrung u.a. im Inszenieren von „Schimanski“- und „Tatort“-Episoden gesammelt hatte.
„Sie gelten als faul und unmotiviert!“
Kripokommissar Claudius Zorn (Mišel Matičević, „Im Schatten“) hatte sich seinen Beruf ursprünglich einmal anders vorgestellt: Statt Schwerverbrecher zu überführen scheint er zum Aktenwälzen verdammt. Entsprechend demotiviert kommt der mürrische Einzelgänger seinen Aufgaben nach, kann aber glücklicherweise auf seinen strebsamen Kollegen Schröder (Axel Ranisch, „Dicke Mädchen“) zählen. Doch als die Folterspuren aufweisende, ausgeblutete Leiche einer Frau auf einer Parkbank drapiert aufgefunden wird, setzt Staatsanwalt Sauer (Anian Zollner, „Keine Angst“), wahrlich kein Freund Zorns, ausgerechnet ihn auf den Fall an. Zunächst eher widerwillig arrangiert sich Zorn mit seiner Aufgabe und stößt auf Widersprüchlichkeiten, die sogar Sauer eventuell verdächtig machen. Doch während der Ermittlungen sind weitere Todesfälle zu beklagen – sogar ins Zorns persönlichem Umfeld…
Man versucht sich hier an einem etwas merkwürdigen Spagat: Einerseits entwickelt man eine düstere Stimmung, in deren Mittelpunkt mit Claudius Zorn ein schlecht gelaunter, leicht abgefuckter Ermittler steht, der von allem und jedem genervt scheint, Kette raucht, soziale Kontakte meidet und ein Problem mit dem weiblichen Geschlecht hat – und unter seiner rauen, abweisenden Schale einen tiefsitzenden Weltschmerz verbirgt. Sein adipöser Kollege bildet einen Antipol, entspricht eher dem Typ „ungebumster Streber“ und sorgt im Zusammenspiel mit Zorn als Teil einer entgegengesetzten Zweckgemeinschaft andererseits für einen komödiantisches Tonfall in den gemeinsamen Szenen. Dem gegenüber stehen wiederum die grausamen Morde und die unappetitlichen bis gruseligen Bilder der Opfer, mit denen der Film nicht geizt.
Nur in dieser Episode fungiert Katrin Bauerfeind („Halbe Hundert“) als sexy Vorzimmerdame Hannah, die Zorn offensiv Avancen macht und ihn tatsächlich ins Bett bekommt, während es ihm im Fahrstuhl mit seiner sympathischen jungen Nachbarin Malina (Katharina Nesytowa, „Let’s Go!“) regelmäßig die Sprache verschlägt. Mit einem Streifenbullen (Martin Reik, „Bornholmer Straße“) liefert sich Zorn einen Kleinkrieg, weil er erwartet, über der Straßenverkehrsordnung zu stehen, und mit dem Ehemann (Lucas Gregorowicz, „Das Wunder von Bern“) der zweiten Toten betrinkt er sich in einem Restaurant. Dass Hannah das nächste Opfer wird ist eine handfeste Überraschung, da ihre Rolle als von längerer Verweildauer angelegt schien. Dass sie nicht das letzte Todesopfer in diesem Reihenauftakt bleiben wird, ist der geheimnisvollen, verschwörerischen Handlung geschuldet, die sich erst gegen Ende im Showdown in Form von Dialogen und in Schwarzweiß gehaltenen Rückblenden komplett entspinnt und als überkonstruierte Räuberpistole entpuppt, die auch vor einem beinahe toten Kollegen Zorns nicht Halt macht. Dick aufgetragen und ein bisschen zu viel des Guten. Thorsten Merten (Weimarer „Tatorte“) als Robert Stapic einmal arg gegen den Strich besetzt zu sehen bereitet indes Freude.
Die Figuren erscheinen fast allesamt noch etwas zu unglaubwürdig, allen voran Zorn, der von Matičević verkörpert noch zu viel von einem Schönling hat. In Verbindung mit den starken Kontrasten zwischen komödiantischem Buddy-Witz und bemühter Neo-noir-Atmosphäre will das alles noch nicht so ganz zusammenpassen, birgt aber – auch aufgrund stark besetzter Nebenrollen wie beispielsweise der der Staatsanwältin Frieda Borck mit der wunderbaren Emily Cox („Rammbock“) – einiges Potential für ansprechende und spannende Krimiunterhaltung mit einem Antihelden als Zentrum.