Zeitgenössische Schwarzweißfilme sprechen oftmals ein bestimmtes Klientel an und nicht selten denkt man dabei entweder an Arthouse im Allgemeinen oder an eine Hommage, beispielsweise an die französischen Krimis der Sechziger. Ein wenig erinnert die Optik des Schweizer Regisseurs Mathieu Seiler tatsächlich an jene Zeit, denn sein surrealistisch anmutendes Thriller-Experiment bindet einige auffällige Reminiszenzen ein.
Severine (Anna Hausburg) trennt sich aufgrund eines Traumes von ihrem Freund Tom, welcher sich jedoch nicht so leicht abservieren lässt und mithilfe eines Fremden eine gefakte Rettungsaktion starten will, um letztlich als Held dazustehen. Doch über Umwege landet Severine in einer ländlichen Villa, in welcher eben jener Fremde ein Snuff-Projekt leitet.
Eine ganze Weile hält sich Severine versteckt, bis sie sich zum Gegenschlag entschließt...
Es wird auffallend wenig gesprochen in dem Werk, welches in erster Linie Gewalt, Begierden und sexuelle Fantasien in den Vordergrund rückt. Severine schwankt zwischen Träumerin, kindlicher Unschuld und eiskalter Rächerin, irgendwo zwischen kindlicher Naivität, Prüderie und latenter Sehnsucht nach Nähe. Von ihrem Traum bekommt der Zuschauer nur indirekt etwas mit, vielmehr sind an jeder Ecke Symbole und Metaphern versteckt und spätestens in der Villa, als sich Severine unterm Bett befindet und Bruchstücke der brutalen Szenerie über ihr mitbekommt, vermischen sich Wahnvorstellungen und Realität.
Storytechnisch ist das Ganze reichlich dünn, denn der Nebenhandlungsstrang mit Toms Plan wird lediglich angerissen, jedoch nicht konsequent zu Ende geführt, während viele namenlose Nebenfiguren eher als Platzhalter in Severines Welt fungieren. Etwa die junge Mutter mit ihrer Tochter im Rollstuhl, die gesichtslose, männliche Gestalt auf einem Foto, drei Fotografen im Park oder der vermeintliche Retter, der sich nicht eindeutig als der Mann des besagten Traumes identifizieren lässt.
Vieles ist der Deutung des Betrachters überlassen, welcher sich von Vornherein auf die traumwandlerische Stimmung einstellen sollte, um nicht binnen kurzer Zeit das Interesse zu verlieren, zumal die Handlung nur selten durch Gewalteruptionen unterbrochen wird.
Jene sind zwar kurz und heftig, jedoch nie selbstzweckhaft, wobei abgetrennte Köpfe und später ein per CGI hochgejagtes Gebäude nicht so überzeugend in Szene gesetzt sind.
Stattdessen setzt Seiler latent auf seine Hauptakteurin Hausburg, welche mit viel Präsenz und facettenreichem Spiel zu überzeugen vermag. Sie passt perfekt ins Ambiente der Szenerie und als sie so während der Fahrt in ihrem Käfer mehrfach in den Rückspiegel blickt, erinnert das nicht von Ungefähr an bestimmte Einstellungen von Hitchcock.
Auch der Score bringt eine breite Palette gekonnter und stimmiger Untermalungen und gleichwohl verstärken die Schauplätze die unwirkliche Atmosphäre fast durchgehend.
Letztlich sollte man in der Stimmung sein, diesem ungewöhnlichen Mix aus Noir, Krimi und Exploitationer zu folgen, denn ein wenig zäh mutet der Stoff auf Dauer schon an. Das geringe Budget ist dem Werk nur selten anzumerken, zumal darstellerisch eher überdurchschnittlich performt wird, jedoch verlässt er sich insgesamt zu sehr auf die Stärken seiner Bilder, anstatt die Geschichte zielbewusst voranzutreiben.
Keine Angelegenheit für Zwischendurch, sondern eine, die Geduld und Interpretationsfreudigkeit voraussetzt.
5,5 von 10