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Mit tiefenpsychologischen Ansätzen haben die Ausführungen des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl wenig gemein, als dieser mehrfach von "Blühenden Landschaften" im Osten der Republik sprach. Im Psychodrama von Florian Gottschick gibt es eine Reise in die DDR-Vergangenheit, verbunden mit Schuldgefühlen und Begierden und eine Konfrontationstherapie, die erst im letzten Drittel ein wenig an Fahrt gewinnt.

Ein nahezu verwaistes Provinznest in Brandenburg: Hierher verschlägt es Anna (Anna Griesebach) und ihren weitaus jüngeren Lebensgefährten Stefan (Vladimir Burlakov), sowie ihren Jugendfreund Bernd (Benno Führmann) und dessen Lebenspartner Marc (Kai Ivo Baulitz), um in Annas Elternhaus einige Erinnerungen aufzufrischen, bevor dieses abgerissen wird. Zunächst beschnuppern sich die beiden Paare vorsichtig, doch aus Zurückhaltung wird Provokation, aus einer verdrängten Last ein frisch erscheinendes Trauma...

Soviel zu den blühenden Landschaften, den toten Nestern, in denen die Zeit stehen geblieben scheint und der Eindruck eines Geisterdorfes vorherrscht. Anna und ihr Freund wollen noch einmal ihr Elternhaus besichtigen, denn sie möchte in Erinnerungen schwelgen und mit Teilen der Vergangenheit abschließen. Doch Schuldgefühle holen Anna ein, zeitgleich wissen sie und Bernd mehr, als es im ersten Augenblick den Anschein hat, zumal beide mal ein Paar waren.

Angeblich trägt Anna eine Mitschuld am Suizid eines ehemaligen Mitschülers, welcher sich aus Scham von einer Brücke stürzte, was die letzten Einwohner des Ortes nach all den Jahren noch deutlich spüren lassen. Und tatsächlich scheint Anna mit Ankunft im Ort wie ausgewechselt wie Stefan schon bald feststellen muss. Darüber hinaus kommt es zu sexuellen Spannungen, denn auch diesbezüglich wird die Konstellation mehr oder minder offen gekreuzt. Zunächst wird diese Abteilung ein wenig naiv angegangen, obgleich schon früh ersichtlich ist, wer da in welche Richtung tendieren dürfte.
In diesem Kontext wird ein wenig zu lange um den heißen Brei geredet, welcher letztlich nur lauwarm ausgelöffelt wird.

Auch bremsen zu viele unnötige Einschübe die eigentlich dichte Stimmung immer wieder aus, Momente beim Frühstück oder am Nachmittag erweisen sich für den weiteren Verlauf als unerheblich und auch die alte Verkäuferin mit ihrem spärlichen Tante-Emma-Laden entpuppt sich als redundante Figur mit leidlichem Symbolcharakter.

So wirklich will sich die Anspannung nicht auf den Betrachter übertragen, denn zu deutlich werden einige Vorzeichen mit eindeutigen Silhouetten eingeschoben und zu erwartungsgemäß geht Anna mit ihrem tief verwurzelten Trauma um, was eine zweite Sichtweise im letzten Drittel dennoch recht gut durchdacht offen legt.
Letztlich hinterlässt die Aufarbeitung einen ordentlichen Interpretationsspielraum, da sich Alpträume, Wahnvorstellungen und Realität zusehends vermengen und bis zuletzt nicht deutlich wird, was sich in Wahrheit und was im Kopf der Protagonisten abspielt.

Stimmungsmäßig punkten die verlassenen Kulissen durchaus, der Score trifft meistens ins Schwarze, Kamera und Schnitt arbeiten einwandfrei und auch darstellerisch wird passable Kost geboten.
Demgegenüber ermüdet die leicht überambitionierte Herangehensweise zwischen Psychoanalyse und Traumabewältigung, was durch einige nicht zu Ende gedachte Szenen untermauert wird.
Atmosphärisch überzeugend, storytechnisch merklich unausgegoren.
5 von 10

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