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Der amerikanische Reboot des Godzilla-Franchise ist nicht der erhoffte große Wurf, den Fans entgegengefiebert haben. Das liegt weniger an der Monsteraction, denn die gerät tricktechnisch beeindruckend und ist spektakulär inszeniert. Als Fluch erweist sich vielmehr, dass Regisseur Gareth Edwards den Geist des Originals wahrt, damit aber nicht nur die Stärken, sondern auch seine Schwächen übernimmt. So geraten die menschlichen Protagonisten reichlich uninteressant, wogegen nicht einmal der fähige Cast anzuspielen vermag. Zudem wird die eigentlich recht brauchbare Story durch einige haarsträubenden Momente ein ums andere Mal empfindlich aus der Bahn geworfen. Sicherlich kein gänzlich misslungener Sommerblockbuster, aber auf jeden Fall mit einiger Luft nach oben.

Seit der Erbebenspezialist Joe Brody (Bryan Cranston) bei einem Störfall in einem japanischen Atomkraftwerk seine Frau Sandra (Juliette Binoche) verlor, ist er von der Idee besessen, die Behörden vertuschen die wahren Umstände der Katastrophe. Gemeinsam mit seinem entfremdeten Soldaten-Sohn Ford (AaronTaylor-Johnson) entdeckt er einen gigantischen Kokon inmitten der Trümmer des havarierten Atommeilers, der unter der Aufsicht des japanischen Spezialisten Dr. Ichiro Serizawa (Ken Watanabe) heranwächst. Machtlos müssen sie zusehen, wie die riesige Kreatur „Muto" schlüpft, auf ihrem Weg Richtung Westküste der USA eine Schneise der Zerstörung hinterlässt und schließlich auch Fords Frau Elle (Elizabeth Olsen) in Lebensgefahr bringt. In diesem Moment erhebt sich ein anderes Monster.Ein gewisses Maß an Toleranz für fantastische Geschichten sollte man natürlich mitbringen, wenn man sich einen Godzilla-Film anschaut. 60 Jahre und über 25 Leinwandauftritte hat der japanische Koloss mittlerweile auf seinem stacheligen Buckel. Dabei erfuhr er in seiner wechselvollen Geschichte unter anderem eine Umdeutung von Monster zum Antihelden und vom Mahnmal gegen den missbräuchlichen Einsatz von Atomkraft zum Kämpfer für Umweltschutz. Umso bemerkenswerter ist es, dass der britische Nachwuchsregisseur Gareth Edwards viele dieser Elemente aufgreift und daraus trotzdem einen weitgehend eigenständigen Ansatz kreiert. Der ist im Vergleich zum amerikanischen Vorgänger „Godzilla" (1998) ungleich düsterer und ernster. Inszenierte Emmerich das Monster augenzwinkernd als wüste Popcornrampensau, so darf der 2014er-Godzilla wieder jene dramatische und ernsthafte Bedrohung sein, die er ursprünglich gewesen ist.Wie schon im Original von 1954 versteht Gareth Edwards seine Version bei allem Monstergetöse auch als plakative Warnung vor dem ausufernden Einsatz von Atomenergie. Edwards fokussiert seine Kritik allerdings eher auf ein unschönes Nebenprodukt der vermeintlich sauberen Atomtechnik, das 1954 in dieser Form noch gar nicht als Problem wahrgenommen werden konnte. Seine Mutos sind hier eine Metapher für den Atommüll, der unter der Erde verklappt wird, dort immer weiter wächst und irgendwann zu einem unkontrollierbaren Risiko wird. Dem dezidiert atomkritischen Subkontext des Originals ist 2014 allerdings eine eher ambivalente Haltung gewichen. Atomkraft ist hier gleichzeitig das Problem -die Mutos- als auch Teil der Lösung, nämlich Godzilla. Wenn die Militärs im Film leichtfertig zur Problemlösung Atomwaffen einsetzen wollen, nur um das Problem damit zusätzlich zu verschärfen, plädiert Edwards vor allem für einen verantwortungsvollen Umgang mit Atomkraft, nicht für dessen Verzicht. Gleichzeitig kann er nicht beantworten, ob so eine Nutzung angesichts wachsender Atommüllberge überhaupt möglich ist. Diese ideologiefreie, aber auch unentschlossene Haltung passt wunderbar in unseren ultrapluralistischen Zeitgeist, in dem ein Unglück wie Fukushima zwar die Massen mobilisiert, echte Konsequenzen, wie bspw. der deutsche Atomausstieg, aber nur fallweise gezogen werden.

Viel Kritik hat Edwards sein der Ansatz eingebracht, seinen Titelhelden erst reichlich spät und nur sporadisch in voller Pracht und Aktion zu zeigen. Bevor Godzilla Atom-Atem speien, Monster bekämpfen und Städte dem Erdboden gleichmachen, ist er über weite Strecken buchstäblich auf Tauchstation. Die Strategie dahinter ist genauso nachvollziehbar wie konventionell: Edwards will die Spannung kontinuierlich steigern und das Finale seines Films nicht dadurch entwerten, indem er zu früh seine Hauptattraktion präsentiert. Dieses Konzept hat durchaus eine lange Tradition im Monsterkino. Was ursprünglich aus einer Behelfslösung bei mangelndem Budget für ausufernde Spezialeffekte entstand, wurde später als dramaturgischer Handgriff entdeckt und perfektioniert. Weshalb aber wird Spielberg, der in seinen Creature-Features „Der weiße Hai" (1974) und „Jurassic Park" (1993) ganz ähnlich vorgegangen ist, für diesen Ansatz einhellig gelobt, während sich Edwards Kritik ausgesetzt sieht? Dafür gibt es gleich mehrere Gründe: Zum einen verpasst es Edwards, seine recht spannende Entstehungsgeschichte auch mit spannenden Charakteren zu unterfüttern. Gerät die Vater-Sohn-Geschichte noch einigermaßen fesselnd, so wirkt spätestens der generische Ehefrau-des-Soldatenheldes-in-Gefahr- Plot mitunter unfreiwillig komisch. Das hat „Independence Day" (1994) deutlich unterhaltsamer, selbstironischer und emanzipierter hinbekommen. Ein echtes Interesse an den Figuren, geschweige denn Empathie stellt sich kaum ein, was angesichts des enorm talentierten Casts und dem großen Platz, den Edwards ihnen einräumt, umso ärgerlicher ist. Kurz: Das durchwachsene Drehbuch von Max Borenstein stellt dem ungenierten Monsteraction ein ums andere Mal ein Beinchen. So wird beispielweise niemals befriedigend erklärt, was Godzilla eigentlich 60 Jahre auf dem Meeresboden veranstaltet hat. Darüber hinaus übertreibt es Edwards, seinen finalen Höhepunkt immer und immer wieder anzuteasen, nur um dann in den entscheidenden Momenten wegzublenden - das evoziert ab einem gewissen Punkt eher Frust als Spannung. Stattdessen ergeht sich der Film in redundanten OMG-Reaction-Shots, in denen die Darsteller ehrfürchtig die Zerstörungsorgien der Monster bestaunen dürfen, ohne wirklich selbst aktiv zu werden. Die Unmutsbezeugungen der Zuschauer rühren auch aus einer gleich doppelt falsche Positionierung des Publikums durch die Marketingkampagne im Vorfeld des Films (wofür Edwards freilich nichts kann). Das Publikum erwartet Schwergewicht Bryan Cranston und bekommt stattdessen Leichtmatrose Aaron Taylor-Johnson als Hauptrolle. Das Publikum erwartet Godzilla und bekommt stattdessen Muto-Action. Darüber hinaus ist es zumindest diskutabel, ob das ausgedehnte Teasing-Konzept in Zeiten medialer Dauerbeschallung durch Trailer, Teaser, Virals und immerhin 28 Vorgängerfilmen überhaupt zweckdienlich ist. Das angepeilte Mainstream- Publikum interessiert sich nicht für die Nuancen im Design der Kreatur oder eine Rückenfinne hier oder da. Es kennt Godzilla, es hat für ihn bezahlt und möchte ihn dann bitteschön auch sehen. Zahlreiche enttäuschte Kommentare in diese Richtung zeigen, dass Edwards die Erwartungshaltung diesbezüglich falsch eingeschätzt hat, bzw. es nicht schafft, das Interesse des Publikums anderweitig zu kanalisieren.

Unterm Strich bleibt ein solider Monsterfilm mit bescheidenem Godzilla-Anteil. Die größten Stärken entfaltet der Film, wenn Edwards seine Monster von der Kette lässt. Das ist perfekt getrickst, kompetent gefilmt und spannend inszeniert. Zwischen zeitlich muss man sich allerdings durch eine nicht sonderlich spannende Nebenhandlung beißen, die sich nach verheißungsvollem Auftakt leider in Klischees und Plattitüden verliert.Daran werden ich mich erinnern: Godzilla gibt Muto atomare Mund-zu-Mund-Beatmung.

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