Review

„Yeah Bitch! Monsters!“

Der größte Japaner aller Zeiten kehrt endlich auf die Leinwand zurück. In 3D. Die Trailer sind raffiniert geschnitten und wirken deshalb extrem stimmungs- wie spannungsvoll. Regisseur Gareth Edwards hatte zuvor mit MONSTERS aus geringsten finanziellen Möglichkeiten einen in jeder Hinsicht wirklich außergewöhnlichen Genrefilm gezaubert. Dazu kommt es noch zu einem Wiedersehen mit Bryan „Heisenberg“ Cranston in einer wichtigen Nebenrolle.

Beste Voraussetzungen also für ein großes Spektakel – und entsprechend ausgeprägt war meine Vorfreude. Leider fällt mein Fazit aber bestenfalls zwiespältig aus: Der zweite Versuch eines US-GODZILLA-Reboots nach dem Emmerich-Debakel von 1998 macht zwar einiges richtig, jedoch mindestens genauso viel falsch, und wird dem Großen Grünen ultimativ eindeutig nicht gerecht.

Dabei hat man sich ganz offensichtlich darum bemüht, auf Fan-Befindlichkeiten zu achten und alte Fehler zu vermeiden: Godzillas Äußeres ist klar an das seiner (späteren) japanischen Vorlagen angelehnt, er erreicht eine stattliche Höhe und trägt ein gar nicht mal zu niedliches Antlitz spazieren. Seine Hintergrundgeschichte passt in den bisherigen Storykosmos – genau wie ein Großteil seines Verhaltens im Filmverlauf, in dem er sich deutlich mehr mit feindlichen Monstern als mit den kleinen, aufgeregt durch die Gegend rennenden Menschlein in seiner Umgebung beschäftigt. Und, man glaubt es kaum: Tatsächlich wird von ihm zunächst als „Gojira“ gesprochen. Und zuletzt als „King of all monsters – Savior of mankind“.

Dass es Menschen gibt, die Godzilla nicht als Bedrohung wahrnehmen, sondern in ihm von Anfang an vor allem das Potenzial zu unser aller Rettung vor ganz anderen Gefahren sehen, ist weiß Gott keine seltsame neue Idee. Dass sich hier aber weder unter den portraitierten Vertretern von Medien und Politik noch unter denen von Wissenschaft und vor allem Militär jemand findet, der auch nur eine Sekunde lang Godzillas prinzipielle Gutartigkeit anzweifelt, der sich von ihm vielleicht ein kleines bisschen bedroht fühlt, ist arg seltsam, unglaubwürdig und nimmt der Figur ein gutes Stück ihrer überwältigenden Aura. Aber nicht genug damit, dass er förmlich als allseits geschätzte Schutzvorrichtung gegen fiese Fressfeinde des Menschen aufgebaut wird: Er gibt sich auch noch erkennbar Mühe, persönlich möglichst wenig Schaden an unserer Infrastruktur anzurichten. Weicht Hochhäusern lieber aus, sofern das gerade machbar ist, als sie einfach monsteradäquat beiseite zu wischen, wenn sie ihm im Wege stehen. Todesopfer werden sowieso vermieden, klar. Kein zu niedliches Antlitz, aber ein zu niedliches Gemüt also: Zu sagen, dass das Team um Edwards ihn entmannt (bzw. entmonstert) hat, wäre zwar vielleicht etwas übertrieben. Allerdings tut man ihm nicht unrecht, wenn man Godzilla in dieser Inkarnation als einen Hippiesaurus beschreibt.

Dazu passt, dass im ganzen Film ausschließlich moralisch einwandfreie und sich politisch korrekt gerierende Menschen unterwegs sind. Selbst der Armee-Kommandant scheint sich im Innersten dafür zu schämen, auf dem Einsatz schwerer (Atom-)Waffen gegen die Monsterbrut beharren zu müssen. Und der als solcher zwar ins Drehbuch geschriebene, jedoch nicht entsprechend inszenierte „Held“ ist zwar ebenfalls Armeeangehöriger, trägt jedoch keine Waffen, sondern verdient sich sein Geld vielmehr als Bombenentschärfer. Brav.

Viel ZU brav das alles, und das spiegelt sich in nichts deutlicher als im zuletzt Genannten, „Ford Brody“: Aaron Taylor-Johnson konnte als nerdy KICK-ASS noch begeistern, hier jedoch spielt er vollkommen farblos inszeniert eine vollkommen belanglose Figur und bleibt auch durch sein Schauspiel nicht in Erinnerung. Allerdings gilt das für die weitaus meisten menschlichen Rollen: Das Drehbuch des vorher nicht großartig in Erscheinung getretenen Max Borenstein lässt ihnen weder ausreichend Tiefe zukommen noch baut es ihre Beziehungen zueinander konsequent genug auf, spielt sie aus, nutzt sie dramaturgisch sinnvoll. Wie etwa sollen wir ernsthaft mit Ford Brody um das Wohlergehen seiner jungen Familie fiebern, wenn wir Frau und Sohn bloß drei, vier Mal ein paar Sekunden lang zu Gesicht bekommen haben (und er, davon abgesehen, ohnehin eher die emotionale Intensität einer Autobahnleitplanke ausstrahlt)?

Während uns hier also insgesamt viel zu viele Charaktere um die Ohren gehauen werden, die niemals zu echten Charakteren heranreifen können oder gleich gar keine Relevanz für die Story haben, verhält es sich bei einem bestimmten ganz anders. Mit ihm beginnt der Film, seine Stimme unterlegt den Haupt-Trailer, er spielt wieder einmal alle an die Wand: Bryan Cranston. Das Problem ist nur, dass er eben „Walter White" ist. Seine Meisterrolle noch zu präsent, seine hiesige Figur als verzweifelt-besessener Physiker ihr viel zu nahe. Und in seinem Bücherregal stehen sogar unübersehbar zwei dicke „Chemistry“-Wälzer. Vielleicht wäre GODZILLA ein besserer Film geworden, wenn sein Sohn nicht Ford Brody geheißen hätte, sondern Jesse Pinkman. „Yeah Bitch! Monsters!“

Aber natürlich gibt es auch Positives zu berichten. Neben dem Creature-Design fallen hier vor allem Kameraarbeit und Bildsprache ins Auge: Sowohl sind die Kämpfe der Monster angemessen actionreich und dennoch übersichtlich in Szene gesetzt als auch das apokalyptische Flair des Geschehens weltuntergangsschön zum Leben erweckt. Speziell eine Sequenz bleibt in Erinnerung, in der Fallschirmspringer über einem San Francisco herunterkommen, das unmittelbarer Zerstörung anheimfällt: Im schwarzroten Feuerschein wirkt die Stadt aus der Ferne, als stünde sie mitten im weit geöffneten Höllenschlund.

Die Monster sind also formschön, visuelle Kraft blitzt immer wieder mal auf, auch über die Spezialeffekte und Fights kann man prinzipiell nicht meckern. Wohl aber darüber, dass sie viel zu selten, viel zu spät zum Einsatz kommen. Es dauert schier ewig, bis der Große Grüne seinen ersten angemessenen Auftritt hat – und die Zeit bis dahin vertrödeln wir mit dem weitgehend uninteressanten, uninspirierten Vorstellen menschlicher Figuren, die, wie erwähnt, kaum beeindrucken können oder in ernsthaft interessante Konstellationen geraten.

Muss ich zur Story auch noch was sagen? Nicht wirklich. Die handelt vom Üblichen und ist schon okay so: Menschlicher Fortschrittsdrang hat dazu geführt, dass zwei ausnehmend hässliche, insektenartige Urzeitkreaturen zum Leben erwacht sind, die sich von radioaktiver Strahlung ernähren. Sie drohen, unsere Zivilisation auszulöschen, nichts kann sie stoppen, dann kommt Godzilla aus dem Meer gestapft und die Monster-Wrestling-Mania beginnt.

Mit einer Vorgeschichte um Ford Bradys Vater, mehreren darauf folgenden Quasi-Expositionen neu ansetzender Storylines, keinem führenden menschlichen Charakter oder einer energisch auf ein spektakuläres Ziel zulaufenden Handlung fehlt hier jedoch zwischenzeitlich immer wieder deutlich die Spannung. Der Film zerfällt in sehr unterschiedlich interessante Einzelstücke. Und Godzilla selbst wirkt am Ende fast so, als hätte auch er nur eine Nebenrolle gespielt. Genau wie jede andere Figur in diesem Film.

Mehr als 5 von 10 Punkten kann ich dafür nicht vergeben.
Sorry, grüner Freund.

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