Ein wahrer Kritikerfilm
Seit wenigen Stunden hat Birdman nicht nur den wichtigsten Oscar für den besten Film erhalten, er hat auch mehr oder weniger die diesmal recht unterhaltsame Show dominiert und geprägt... Welcher Film wäre also besser geeignet für meine erste Filmkritik :)
Jahrelang habe ich Kommentare/Tests/Reviews zu Parfums geschrieben (Parfumo / Leimbacher), nun wage ich mich auch an mein Hobby Nummer 1: die Welt des Films, die mich schon seit 15 Jahren fesselt, prägt & begeistert - länger als jede andere Kunstform, jedes andere Hobby (Parfums, Fitness, Mode).
Genug zu mir, Zeit über Birdman zu schwafeln, einem Film über den man Bücher schreiben könnte, der beeindruckt & wichtig ist. Ob er der beste Film des Jahres ist, bleibt Geschmacksache, aber er ist defintiv ein Schwergewicht & man wird über ihn noch lange reden - das wird man aber auch über Boyhood, seinem größten Oscar-Konkurrenten der fast leer ausging letzte Nacht.
Birdman polarisiert - ich würde mal behaupten Filmliebhaber, Techniker & Kritiker lieben ihn, das Massenpublikum wird sich langweilen. Ich liege irgendwo dazwischen, kann beide Seiten verstehen. Beeindruckt war ich von Technik, Schauspiel, Idee & Themenvielfalt, musste jedoch auch ab & zu auf die Uhr schauen aus Langeweile - ganz plump, ehrlich & böse gesagt.
Birdman ist ein Filmgourmet-Happen - man muss ausgeschlafen & fit im Kopf sein, man muss sich auf ihn einlassen. Er ist ein Kritikerfilm - nicht nur weil diese ihn fast alle ausschließlich in den Himmel loben & nur das Gute in ihm sehen, sondern auch weil er ein Film ist, der an vielen Themen Kritik übt. Er reißt Vieles an, bringt wenig zu Ende, stellt viele wichtige Fragen & Denkanstöße. Kritisiert werden die oberflächliche Filmindustrie allgemein, alternde Stars, der Remake- & Comicverfilmungswahn bis hin zu Kritikern selbst, zu denen ich mich auch zählen würde, und noch viel mehr.
Defintiv ein Film über den man noch länger nachdenken muss, sei es auch nur über ein bestimmtes Thema das der Film andeutet & das einen besonders anspricht. Irgendwie fehlte ihm aber das Herz & die schlauen, zum Teil lustigen Szenen & Gespräche zogen nicht alle bei mir.
Hervorzuheben sind die Schauspielleistungen: Michael Keaton als ehemaliger Batman gibt die doppeldeutige Rolle seines Lebens & hätte den Oscar verdient gehabt, Zach Galfianakis überrascht toll, Norton ist eine coole Sau, Naomi Watts sexy wie immer & Emma Stone hat eine Szene in der einem der Atem stockt vor lauter Schauspielkunst.
Auch toll: die Schnittechnik bzw. der gesamte Style des Films, der wie aus einem Guss wirkt, als ob es gar keine Schnitte gibt. Grandios, noch besser als bei Gravity.
Das Birdman den Hauptoscar kriegt war für mich sowieso eigentlich nur eine kleine Überraschung, da die Academy bekanntlich Filme über ihr eigenes Business, die Film- & Theater-Branche liebt, siehe Chicago oder Shakespeare in Love.
Fazit: ein Erlebnis von Film, das mich leider emotional nicht so gepackt hat wie erhofft... kein Film den ich gerne noch öfters gucken möchte, dies aber wohl muss, da in ihm noch so viel mehr steckt! Vielleicht wird es ja Liebe auf den dritten oder vierten Blick!