All sein Herzblut und Geld hat Riggan Thomson (Michael Keaton) in sein erstes Broadwaystück gesteckt. Der einstige Held aus den „Birdman“-Superheldenfilmen ist in die Jahre gekommen, hat Toupet und Bauch und sieht in seinem Theaterstück die letzte Chance sich einen Namen als ernsthafter Künstler zu machen. Im Zuge der Vorbereitungen kommt es zu diversen Pannen und Zerwürfnissen mit den Schauspielern. So droht Riggans Traum zu platzen…
BIRDMAN ist nicht die neueste Comic-Auskoppelung von Marvel oder DC, sondern ein Metadrama über die Leiden eines Schaffenden und Kreativen und wie schwierig das ist und überhaupt. Hollywood beweihräuchert sich also mal wieder selbst und zwar im ganz großen Stil. Es wird scharf geschossen in Richtung der Kritiker. Diese arroganten Schnösel! Was erlauben die sich eigentlich!? Zitate wie „Als Schauspieler riskiert man alles…“ klagen hart an und erfechten Genugtuung für das Verrichten der höchsten Künste, ähm, des Schauspiels. Da mag wohl was dran sein, Klempner und Krankenschwestern braucht die Welt aber nun mal auch. Die ganze Thematik wirkt daher abgehoben, blasiert und wie ein Werk von Hollywood für Hollywood. Die Awards werden nur so purzeln, soviel ist gewiss. Was kann man aber als Max Mustermann, als „Norm Hull“ wie Brian Griffin sagen würde, aus dem Streifen ziehen? BIRDMAN ist zunächst technisch perfekt umgesetzt. Der Film enthält die ersten eineinhalb Stunden nur ein-zwei merkliche Schnitte, wenn überhaupt. Dies verdeutlicht den Trubel, den Rausch, den Sog im Rahmen einer Produktion und erzeugt eine Art Hyperrealismus. Getragen wird der diffuse Plot von seinen bahnbrechenden Schauspielern. Michael Keaton (BEETLEJUICE, DESPERATE MEASURES), der einzig wahre Batman, als tragischer, gealterter Held. „Batman“ als „Birdman“. Das ist fast wie Mickey Rourke als THE WRESTLER oder Joaquin Phoenix in I’M STILL HERE. Keaton ist aber weit davon entfernt sich selbst zu spielen. Ihm steht die Rolle des von Zweifeln zerfressenen Schauspielers, Produzenten und Aufnahmeleiters zwar fabelhaft, mehr aber nicht. Edward Norton (FIGHT CLUB, AMERICAN HISTORY X) spielt als exzentrische Rampensau alle an die Wand. Sein Ständer vor Publikum sollte einen Oscar wert sein. Auch die weiblichen Nebenrollen, Naomi Watts (KING KONG, MULHOLLAND DRIVE, FUNNY GAMES U.S.) und vor allem Emma Stone (AMAZING SPIDER-MAN, CRAZY STUPID LOVE), haben’s ordentlich in sich.
Birdman fliegt. Birdman kräht. Wie Robin Williams in HOOK. Trotz des Titels hat man es nicht mit einem Superheldenfilm zu tun. Im Gegenteil. Hauptcharakter Riggan hat sein gefiedertes Alterego oftmals als Engelchen/Teufelchen im Nacken. Als Zuschauer wartet man bis zum Schluss auf die komplette Metamorphose á la BLACK SWAN. Regisseur Inárritu (AMORES PERROS, BABEL, 21 GRAMM) klagt aber eben diese Denkweise des vorherrschenden Popcorn-Kino an. Das Publikum sei verdummt und nur auf Auf-die-Fresse-Action konditioniert. Recht hat er. Sein BIRDMAN macht dies bezüglich tatsächlich eine Ausnahme. Dieser ist zwar auch wunderschön fürs Auge. Regt aber auch angenehm zum Grübeln an.
Kritik an der Kritik und der reinen Vernunft. Wer hätte gedacht, dass es Filmschaffende so hart haben!? Diese armen Menschen! Verdienen zig Millionen Dollar und können sich doch bestimmte Dinge nicht kaufen, wie da wären: Selbstachtung, Anerkennung, inneren Frieden.
Fazit:
Auf den Spuren von Godards VERACHTUNG. Über Kreativitätsräusche, Todessehnsucht und explodierende Perfektionisten.