Review

"Ist Wahnsinn heilbar?"
Im vorigen Jahrhundert wurden tatsächlich derart undifferenzierte Fragen in den Raum geworfen, als Lobotomie, Elektroschocktherapie und andere Foltermethoden zur gängigen Behandlung in der Psychiatrie gehörten. Vage basierend auf der Kurzgeschichte "Das System von Dr. Teer und Prof. Feder" von Edgar Alan Poe streut Regisseur Brad Anderson mit seiner Adaption deutliche Kritik an psychiatrische Verfahren der damaligen Zeit ein, verzettelt sich phasenweise jedoch zwischen Irrenhaus-Thriller und bemüht wirkender Liebesgeschichte.

Der frisch promovierte Dr. Newgate (Jim Sturgess) möchte Ende des Jahres 1899 in der abgelegenen, titelgebenden Nervenheilanstalt ein wenig Praxis sammeln und lässt sich gerne vom Leiter Dr. Lamb (Ben Kingsley) durch die Räumlichkeiten führen. Als er auf die Patientin Eliza Graves (Kate Beckinsale) trifft, ist er sogleich von ihr angetan und auch das unkonventionelle Konzept, sich frei bewegender Geisteskranker überrascht den Neurologen. Dann allerdings entdeckt er im Kesselraum des Anwesens Unglaubliches...

Anderson erzählt seine Geschichte angenehm unaufgeregt, verzichtet auf jeglichen modernen Schnickschnack und vertraut stattdessen auf die ruhige Kamera, den Score von John Debney und das Setting im viktorianischen Ambiente einschließlich toller Kostüme, was durchaus funktioniert.
Als Newgate im dichten Nebel nach einer kurzen Kutschfahrt das Anstaltsgelände erreicht, wähnt man sich fast in einem klassischen Streifen aus dem Hause Hammer, womit sogleich eine dichte Grundstimmung geschürt wird, welche sich fortan durch die Darbietung zieht.

Jedoch lässt der erste Twist nicht lange auf sich warten und wer sich zuvor ein wenig mit dem Stoff beschäftigte (Trailer, Klappentext), dürfte diesbezüglich ohnehin nicht mehr überrascht werden. Das Spiel mit wahren und vorgegaukelten Identitäten innerhalb eines geistig zum Teil unberechenbaren Umfeldes funktioniert allerdings über weite Teile recht gut und selbst die anberaumte Liebesgeschichte rudert zumindest ein wenig vor und zurück.
Kleinere Leerläufe entstehen dennoch, da sich nach der ersten Wendung kaum spannende Momente einstellen und die Erzählung etwas zu sehr auf das Gesamtbild in der Anstalt fokussiert ist, anstatt sich auf interessante Nebenfiguren zu konzentrieren.

Das Finale zieht indes wieder ein wenig an und fördert einen weiteren Twist zutage, der durchaus zu überraschen weiß, obgleich er einige Unwahrscheinlichkeiten mit sich bringt.
Ein tief verwurzeltes Trauma durch einen winzigen Schlüsselreiz offen zu legen, scheint ebenfalls ein wenig weit hergeholt, doch aufgrund großartig aufspielender Mimen, werden solche Mankos ein wenig kaschiert, zumal Kingsley mit ungeheurer Präsenz punktet, Beckinsale erstaunlich nuanciert performt und Sturgess mit Zurückhaltung überzeugt.

Dass charismatische Gesichter wie Michael Caine, Brendan Gleeson oder Jason Flemyng innerhalb dessen fast schon ein wenig beiläufig erscheinen, ist eher dem partiell unausgegorenem Drehbuch geschuldet, welches im Mittelteil ein wenig fahrig anmutet und sich nicht so recht zwischen Systemkritik und seichtem Thriller entscheiden kann.
Dennoch überzeugen die latent beklemmende Grundatmosphäre, die tolle Ausstattung und das makellose Handwerk innerhalb eines ruhig erzählten Stoffes, welcher unterm Strich eher ältere Filmfans ansprechen dürfte.
Knapp
7 von 10

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