Review

Nachdem „The Amazing Spider-Man“ (wenig verwunderlich) nicht nur an der Kasse erfolgreich war, sondern auch schon diverse Ansätze für Fortsetzungen in seine Geschichte eingebaut hatte, war es wenig verwunderlich, dass zwei Jahre später prompt ein Sequel folgte.
Schon der Auftakt, wie beim Vorgänger auf Peter Parkers (Andrew Garfield) Vergangenheit bezogen, nimmt einen losen Faden des Erstlings auf und enthüllt mehr über das Schicksal von Richard (Campbell Scott) und Mary Parker (Embeth Davidtz), nachdem sie den Filius bei Onkel und Tante parkten: Bei der Flucht via Flugzeug werden sie von Oscorp-Schergen aufgespürt, es kommt zu Kampf und Absturz (aber nicht ohne vorher einen wichtigen Upload getätigt zu haben), womit „The Amazing Spider-Man 2“ den Tod der beiden bestätigt, nachdem im Vorgänger nur Zeitungsartikel darüber berichteten – es sei denn, weitere Fortsetzungen schreiben die Geschichte anderweitig weiter oder enthüllen zuvor nicht gezeigte Informationen.
Danach landet „The Amazing Spider-Man 2“ wieder in der Gegenwart, in der Peter sein Spider-Man-Dasein genießt und den Russenmafioso Aleksei Sytsevich (Paul Giamatti) dingfest macht, als der mit seiner Bande Plutonium klauen will und dabei mit einem gepanzerten Transporter durch die Innenstadt walzt. Während die Polizei kaum etwas machen kann, sichert Spider-Man das brandgefährliche Zeug und überwältigt den Proletengangster, der eine (kurze) willkommene Abwechslung zu den sonstigen Wissenschaftlerschurken des Spider-Man-Universums bietet, ehe er fast zu spät zu seiner eigenen Zeugnisvergabe kommt. Nebenbei rettet er noch den unscheinbaren Oscorp-Ingenieur Max Dillon (Jamie Foxx) davor überfahren zu werden.

Dort warten Tante May (Sally Fields) und Freundin Gwen Stacey (Emma Stone), die Jahrgangsbeste ist. Eigentlich alles gut, doch Peter denkt an das Versprechen, dass er Gwens Vater gab, was zu Beziehungsstreit führt. Wenigstens einen hat Peter glücklich gemacht: Max ist ein großer Fan und wird von dem Treffen inspiriert, was seine fanatische Spider-Man-Fixierung nur noch extremer macht. Erfreut Peter zu sehen, aber unglücklich ist auch sein Jugendfreund Harry Osborn (Dane DeHaan): Dessen Vater Norman (Chris Cooper) liegt im Sterben und teilt Harry mit, dass er an der gleichen Krankheit leidet. Viele Baustellen für die Hauptfiguren also, was bereits erahnen lässt, warum die Fortsetzung Überlänge besitzt.
Bei einem Zwischenfall bei Oscorp stürzt Max in einen Bottich voll manipulierter Zitteraale, doch stirbt nicht daran, stattdessen ersteht als Electro auf. Dummerweise harmonieren Superkräfte und eine labile Persona nicht – die Stadt hat bald einen neuen Superschurken…
Leider keinen besonders überzeugenden und das ist nicht gut für einen Film, der mit Untertitel „Rise of Electro“ heißt. Max Dillon wirkt wie eine Imitation der Riddler-Figur aus „Batman Forever“ und wirkt daher deplatziert in der sonst weitaus bodenständigeren, um Realitätsnähe bemühten Reboot-Reihe um den Spinnenmann. Seine Motivation ist mau, wenn seine Verehrung für Spider-Man in Hass umschlägt, weil dieser ihn bei einem außer Kontrolle geratenen Machtdemonstration ausschaltet, seine Psychose wirkt simpel wie aufgesetzt ins Drehbuch geklatscht und auch sonst ist er einfach ein blasser Gegenspieler, auch wenn Marc Webb ihn immerhin in Szene zu setzen weiß: Es gibt Aufnahmen aus Electros Sicht, für den die Welt ein reines Energienetzwerk ist, während der Soundtrack an zwei Stellen die Stimmen, die Max hört, in einer Art Song einblendet, um dessen Verwirrung auch akustisch begreifbar zu machen.

Wesentlich interessanter ist da Harry als zweiter Hauptfiesling des Films, der hier direkt zum Green Goblin wird – durchaus nachvollziehbar motiviert durch die Krankheit, die sein Leben zu verkürzen droht und die Oscorp-Führungsriege, die ihn bei der ersten Gelegenheit entmachtet. Wie schon beim Vorgänger laufen alle Fäden bei diesem Konzern zusammen, der Waffentechnologien erprobt, die weitere Spider-Man-Gegner erschaffen werden – Vultures Flügel und Dr. Octopus‘ Arme sind bereits in einem Labor zu sehen, womit man leider deutlich erkennt, dass „The Amazing Spider-Man 2“ deutlich auf das „Sinister Six“-Spin-Off hinarbeitet. In diesem Geiste steht auch der seltsame Scherge, der schon in der Abspannszene des Vorgängers auftaucht und sich hier mit Harry zusammentut, wie auch der Kampfanzug, der aus Aleksei später Rhino macht.
Allerdings merkt man auch, dass über diese Franchisebestrebungen das eigentliche Drehbuch in den Hintergrund gerät. Dabei wirkt „The Amazing Spider-Man 2“ noch nicht einmal bösewichtmäßig überfrachtet, denn es gibt mit Electro und dem Green Goblin zwei Fieslinge, die später auch kooperieren, während Rhino einen besseren Gastauftritt hat (er kommt tritt quasi rahmend in der ersten und der letzten Actionsequenz des Films auf). Leider bekommt das Sequel keine richtige Balance hin, wenn Peter kurzzeitig an seinem Spider-Man-Dasein zweifelt, gerade weil er nicht weiß ob die Heldenexistenz oder die Beziehung zu Gwen wichtiger ist, die Romanze der beiden stets zwischen On- und Off-Beziehung pendelt (verstärkt durch einen drohenden Auslandsaufenthalt Gwens), man mehr über Oscorp und Peters Eltern erfährt und nebenher noch die Superschurken in ihre Grenzen verwiesen werden müssen. Alles legitime und interessante Ansätze, die durchaus miteinander harmonieren könnten, doch das Drehbuch arbeitet sich daran eher ab als sie in eine packende Geschichte, einen ordentlichen Flow zu bekommen.
Leider ignoriert „The Amazing Spider-Man 2“ zwei der Stärken des Vorgängers. Zum einen wäre da der im Erstling zurückgefahrene Grad an Humor, der leider hier wieder mit mal mehr, mal weniger witzigen Slapstickeinlagen wieder angehoben wird. Zum anderen die Körperlichkeit in den Actionszenen, die hier größerem Bombast weichen muss: Spider-Man fängt Autos und schwingt in buntem CGI-Gewusel durch deutlich abgehobenere Kampfszenen, die manchmal unschön an Videospiele erinnern. Positiv fallen die (verhältnismäßig) bodenständigeren Szenen mit Aleksei/Rhino zu Beginn und Ende auf, schwach dagegen das Kräftemessen mit Electro, das auch schon daran krankt, dass man nie weiß wie physisch präsent und verletzlich der Fiesling ist, wann er sich entmaterialisieren kann und wann er verwundbar ist usw. Immerhin: Manchmal zaubert Webb auch in diesen Szenen starke Momente hervor, wenn er in Freeze-Frame-Einlagen mit den Möglichkeiten von 3D experimentiert, den eingefrorenen Kampfplatz abschwenkt und dem abgehobenen Geschehen immer ein wenig Plastisches abgewinnt.

Es ist schade, dass das Drehbuch so ein auf Fortsetzungen ausgerichtetes Kuddelmuddel ist, denn immer wieder zeigt „The Amazing Spider-Man 2“ starke Momente. Die Wiederannäherung der Jugendfreunde Harry und Peter, jeder mit einem Geheimnis und der eigenen Identität hadernd, beide über die Väter und Oscorp verbunden – auch Harry ist mal wieder einer dieser tragischen, schuldlos Schuldigen des Spider-Man-Universums und das wesentlich überzeugender als Electro. Aber auch die Beziehung von Peter und Gwen, die weder mit- noch ohneeinander so richtig können, die lebensnahe wie spritzige, aber auch ernste Beziehungsgespräche führen, nimmt in Einzelszenen für sich ein, gerade mit Blick auf das mutige Ende des Films, das nach all dem CGI-Gekloppe noch einen berührenden emotionalen Höhepunkt zu setzen weiß.
Andrew Garfield ist ähnlich gut wie im Vorgänger als frecherer Spider-Man der neuen Generation, der hier aber immer wieder mit der eigenen Verantwortung zu kämpfen hat. Erneut glänzt Emma Stone als starke Frau an der Seite des Helden, während Sally Field routiniert Tante May gibt. Dane DeHaan liefert eine starke Vorstellung als Harry ab, Chris Cooper ist in seinen wenigen Szenen kongenial und launig kommt Paul Giamatti in seiner ungewohnt prolligen Rolle daher. Da wirkt Jamie Foxx dann besonders blass mit seiner ebenso verhuschten wie unfreiwillig komisch frisierten Max-Dillon-Performanes sowie seiner bestenfalls routinierten Electro-Darstellung.

Bleibt also ein durchwachsenes Sequel zum Reboot, teilweise reichlich uneben in der Gewichtung seiner Akzente, das leider wieder mit mehr CGI-Gewusel und unpassendem Slapstick als der Vorgänger aufwartet. Zudem krankt der Film ausgerechnet an der untertitelgebenden Electro-Figur, die keinen sonderlich großen Eindruck hinterlässt. Dafür ist der Green Goblin ein guter Ausgleich, die Peter/Gwen-Beziehung sorgt für gelungene zwischenmenschliche Szenen und in Bild- und Tongestaltung, gerade in den Actionszenen erweist sich Marc Webb als einfallsreich – durchaus kurzweilig, aber auch mit einigem verschenktem Potential.

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