Review

Russell Crowe spielt Noah, der von Visionen einer nahenden Sintflut geplagt wird, mit der Gott die Menschheit vernichten will. Er erhält den Auftrag, eine Arche zu bauen, um zwei Exemplare von jeder Tierart zu retten, gerät kurz vor der Katastrophe aber in Konflikt mit den anderen Menschen, die ebenfalls Zuflucht auf seiner Arche suchen.

Seit der letzten Hochphase der Bibel-Verfilmungen in den 1950ern sind einige Dekaden vergangen, aber bekanntlich kommt ja alles wieder. So ist „Noah“ erst der Anfang, „Moses“ wird wohl noch dieses Jahr folgen, weitere Bibel-Verfilmungen sind derweil in Planung. Nachvollziehbar ist die Idee der Studios, das Genre wiederzubeleben durchaus, da zunehmend auch ältere Zuschauer ins Kino gelockt werden sollen, die tendenziell eher weniger an „Captain America“ oder diversen Jugendbuchverfilmungen interessiert sind. Außerdem kann man die alttestamentarischen Geschichten mit ihren Wundern, Katastrophen und Kriegen in 3D zeigen, was noch größere Gewinne verspricht. Einer Modernisierung bzw. Neuinterpretation bedürfen die Stoffe, die teils mehrfach verfilmt wurden, im Jahr 2014 aber sicherlich. Hierfür hat man im Fall von „Noah“ mit Darren Aronofsky eigentlich den richtigen Mann gefunden, einen Regisseur mit eigenem Stil und großem Einfallsreichtum, von dem hier letztlich noch mehr zu erwarten gewesen wäre.

Aber von vorn: „Noah“ wird trotz seiner beachtlichen Lauflänge zu keinem Zeitpunkt langweilig, weil Aronofsky das Erzähltempo hochhält. In der ersten Filmhälfte stehen Noahs Visionen und der Bau der Arche gegen die Widerstände der anderen Menschen im Vordergrund, in der zweiten Filmhälfte entwickelt sich dann ein Psychokrieg zwischen Noah und seinen Familienmitgliedern auf der Arche, was das Geschehen insgesamt abwechslungsreich gestaltet. Hier zahlt sich dann aus, dass Aronofsky seinen Noah als einen getriebenen, manischen Charakter konstruiert, der vom Gedanken besessen ist, die Menschheit endgültig von der Erdoberfläche zu tilgen, wobei er vor seinen eigenen Nachkommen nicht Halt macht. Sein Noah, der einem regelrechten Wahn verfällt, erinnert eher an die Protagonisten anderer Aronofsky-Filme wie „Pi“ oder „Black Swan“, als an die Figur aus der biblischen Vorlage, worin eine Stärke des Films liegt, der so weniger vorhersehbar, spannender und interessanter ausfällt. „Noah“ ist zum Glück keine zweistündige Bibelverfilmung geworden, die der Vorlage treu bleibt und den Gutmenschen Noah feiert.

Auch an anderen Stellen entfernt sich Aronofsky weit von der biblischen Vorlage, manchmal zum Vorteil des Films, manchmal aber auch zum Nachteil. Zu den besten Szenen gehört die Schöpfungserzählung Noahs, die mit den Bildern der Evolution unterlegt wird. Ob einem dagegen die Idee mit den Wächtern, den gefallenen Engeln, die Noah beim Bau der Arche unterstützen, gefällt oder nicht, bleibt eher Geschmackssache, wenngleich so für zusätzliche Schauwerte und ein wenig Action gesorgt wird, die den Film etwas auflockert. Dass der von Ray Winstone verkörperte Anführer von Noahs Feinden mit auf die Arche kommt und einen Sohn Noahs gegen den Vater aufhetzt, ist dagegen ein Subplot, der den Film ausbremst. Der dramaturgische Dreh- und Angelpunkt ist der innerer Konflikt Noahs, der die Bewahrung der Schöpfung gegen das Glück seiner Kinder und Enkel abwägen muss und nicht Noahs Sohn, der auf die schiefe Bahn gerät. Wenn sich diese beiden Handlungsfäden schließlich überschneiden wird das Geschehen dann unnötigerweise etwas hektisch und wirr.

Weitaus ärgerlicher ist aber, dass Aronofsky sich nicht so recht entscheiden kann zwischen einer gewagten Neuinterpretation, zu der er durchaus interessante Ansätze liefert und einer vorlagentreuen Bibel-Verfilmung. Während die Sünden der Menschen deutlich und eindringlich aufgezeigt werden und die Evolutionsgeschichte in das Geschehen integriert wird, wird des Öfteren die Bibel direkt zitiert und am Ende allzu pathetisch ein pulsierender Regenbogen in Szene gesetzt. So folgen immer wieder Szenen aufeinander, die nicht so recht zusammenpassen wollen, Aronofsky hätte die große Distanz zur Vorlage besser durchgehend beibehalten. Letztlich wechseln Sequenzen, die überhaupt nichts mit der Vorlage zu tun haben mit Szenen, die von einem christlichen Fundamentalisten stammen könnten.

„Noah“ ist dennoch ein ansehnlicher Film geworden, der übers Mittelmaß hinauskommt. Dies ist vor allem den Schauwerten geschuldet, den guten Effekten, den weiten Landschaften Islands, die gekonnt in Szene gesetzt werden, der gelungenen Inszenierung der Sintflut und einigen wohldosierten Action-Sequenzen und Kampf-Szenen. Besonders gut sind die Visionen Noahs visualisiert, da Aronofsky hier ähnlich bedrückende Bilder wie in seinem Meisterwerk „Requiem for a Dream“ findet. Hiervon hätte es ruhig ein wenig mehr sein können. Außerdem überzeugt der Cast auf ganzer Linie. Russell Crowe spielt Noah sehr souverän und zeigt eine große Leinwandpräsenz, mit der er den Film über die volle Lauflänge trägt. Überhaupt ist der australische „Gladiator“ mit seinem Charisma für Rollen dieser Art regelrecht geschaffen. Daneben überzeugen auch die Nebendarsteller, besonders Jennifer Connelly und Ray Winstone.

Fazit:
Zwar kann sich Darren Aronofsky nicht so recht zwischen einer gewagten Neuinterpretation des Bibelstoffs und einer pathetischen Inszenierung dessen entscheiden, dennoch ist „Noah“ eine durchaus sehenswerte Bibel-Verfilmung geworden. Der Film, der einen manischen, getriebenen Noah zeigt, ist unterhaltsam, bildgewaltig inszeniert und darüber hinaus auch gut gespielt.

70%

Details