Der blinde Witwer und Vietnam-Veteran Ambrose bezieht auf Drängen seines Sohnes Will ein Häuschen in der betreuten Ruhestands-Siedlung Crescent Bay. Bereits in der ersten Nacht im neuen Heim werden sowohl Ambroses Nachbarin als auch sein treuer Blindenhund vermeintlich von einem herumstreifenden wilden Tier angegriffen und getötet. Tatsächlich keimt in Ambrose jedoch schnell der Verdacht auf, dass in Wahrheit ein Werwolf schon seit längerem die Gegend unsicher zu machen scheint und wohl auch schon mehrere Bewohner auf dem Gewissen hat. Der Ex-Soldat organisiert sich darauf hin Silber-Munition für Revolver und Schrotflinte und beginnt damit, sich auf die unvermeidliche nächste Vollmondnacht vorzubereiten... "Late Phases" ist ein eher ungewöhnlicher Vertreter des Werwolf-Subgenres, der nach dem flott-blutigen Einstieg ins Geschehen über weite Strecken den Horror-Part der Handlung in den Hintergrund schiebt, und stattdessen ausführlich den mal wirklich abseitig angelegten Protagonisten porträtiert, der von Charakter-Kopf Nick Damici mit beinahe schon Charles Bronson-artigem Flair verkörpert wird: blind, im Senioren-Alter, mit Ecken und Kannten und so gar nicht ins übliche Teenager-Schema passend. Die Mitt-80er-Stephen King-Adaption "Der Werwolf von Tarker Mills" schwebt einem, nicht nur wegen der körperlich behinderten Hauptfigur (dort der Junge im Rollstuhl, hier der blinde Vietnam-Vet), die sich zwangsweise mit einem Werwolf herumplagen muss, permanent als Referenz im Hinterkopf herum, es gibt hier ebenso einen prominent gefeaturten Priester (wie immer dezent gruselig gemimt von Tom Noonan), der im späteren Verlauf noch handlungsrelevant wird... und den besagten Vergleich entscheidet "Late Phases" deutlich für sich. Adrián García Bogliano, der seit über fünfzehn Jahren an 'ner ganzen Reihe von niedrig budgetierten, südamerikanischen Genre-Filmen werkelt (mit dem ungeschliffenen 2012er-Rohdiamanten "Here Comes the Devil" als bisherigem Höhepunkt), gibt mit "Late Phases" sein englischsprachiges US-Debüt und kann damit endlich in einem etwas solideren Produktions-Rahmen als bisher die inszenatorischen Muskeln spielen lassen und das Potenzial ausschöpfen, das man ihm seit jeher zugetraut hat. Die ohne jedweden CGI-Einsatz entstandenen Make Up-Effekte und Transformations-Szenen (sehen spitze aus!) sowie die zotteligen Werwolf-Kostüme (sehen charmant-trashig aus!) kennzeichnen das Ganze dennoch unumwunden als liebevoll gestalteten B-Film mit rauem Flair, dem vor gelackter Hollywood-Ware der Vorzug zu geben ist. Am überraschendsten ist aber doch, dass splatterige Action hier nur kurz zu Beginn und etwas ausgedehnter im Finale das Bild bestimmt. Der primäre Eindruck, den man von dem Film mitnimmt, ist ob der stillen Charakter-Momente, der realistisch geschilderten zerrütteten Vater/Sohn Beziehung zwischen Ambrose und Will, sowie der mehr oder minder zwischen den Zeilen abgehandelten Kritik am Verhalten der Gesellschaft gegenüber ihren älteren Mitbürgern (der doppeldeutige Titel "Late Phases" bezieht eben sich nicht nur auf die Mondphasen, sondern auch auf den späten Lebens-Abschnitt der aufs Abstellgleis geschobenen Crescent Bay-Bewohner) einer von Wehmut und Melancholie. Ich lege trotzdem meine Hand dafür ins Feuer, dass das hier der beste Werwolf-Streifen seit "American Werewolf" ist... und der hat mittlerweile auch schon vierzig Jahre auf dem Buckel. Beinahe ein Meisterwerk.
9/10