Während Lucio Fulci für einige seiner Werke fast einhellig Lob erntete, für andere fast einhellig gebasht wurde, so ist „Das Haus an der Friedhofsmauer“ umstritten.
Der englische Titel „The House by the Cemetery“ ist etwas passender, da der Friedhof im Film nur erwähnt wird und man zwei, drei Gräber sieht (eines davon allerdings in der Hausdiele), die Friedhofsmauer an sich aber nie zu sehen ist. In der Tradition der damals aktuellen Slasherfilme wird hier zu Beginn erstmal ein junges Pärchen weggehäckselt, was zwar nichts mit der Handlung zu tun hat, aber immerhin schon für den gory Einstieg sorgt.
Im Folgenden geht es dann um den Wissenschaftler Norman Boyle (Paolo Malco), der mit Frau Lucy (Catriona MacColl) und Sohnemann Bob (Giovanni Frezza), besagtes Haus von einem via Selbstmord verstorbenen Kollegen übernimmt. Die Erscheinung eines Mädchens warnt Bob via Telepathie und das ist nicht die einzige Stelle, an der man Kubricks ein Jahr zuvor entstandenen „Shining“ deutlich trapsen hört (man achte darauf wie es abgefilmt wird, wenn Bob sein ferngesteuertes Auto über den Teppich rasen lässt).
Am Ziel erfährt die Familie, dass das Haus früher einem gewissen Dr. Freudstein gehörte – eine weitere unheimlich subtile Anspielung in dem Film. Natürlich geht das Ganze nicht lange gut und die unheimlichen Zwischenfälle häufen sich…
Mit ganz rudimentären Anleihen bei Lovecraft-Storys geht „Das Haus an der Friedhofsmauer“ ins Rennen, wobei die Kurzgeschichten des guten Mannes eh sehr häufig ein- und denselben Plot etwas variierten. Mehr auf Spuk denn auf Splatter bedacht ist der Film für Fulci-Verhältnisse recht zurückhaltend und der Bodycount eher niedrig gehalten. Erwischt es dann aber mal ein Opfer, so suppt es wirklich ordentlich und töfte handmade – tatsächlich kann man von rein handwerklicher Seite nicht viel an „Das Haus an der Friedhofsmauer“ rummotzen, selbst die Fledermausattacke ist für den Drehzeitpunkt gar nicht mal schlecht gemacht.
Fulci konzentriert sich hier vor allem auf ausdrucksstarke Bilder, ein Dario Argento ist er nicht, aber er hat Ideen, z.B. ein Kamerafahrt auf einem Frühstückstablett oder die eigenwillige Beleuchtung durch die Buntglasscheiben. Leider stehen all diese Bilder nicht im Dienste einer sonderlich spannenden Geschichte: Das Böse schlägt mal hier, mal da zu, dazwischen sieht man wahlweise Familie oder Kindermädchen seltsame Indizien entdecken, aber dramaturgisch passt das alles nicht übereinander. Des Rätsels Lösung ist eh wie vom Zuschauer von Anfang an erwartet, nur wie Norman bei seinen rudimentären Recherchen urplötzlich darauf kommt, dass entzieht sich jedweder Kenntnis.
Vor allem aber sind es die Logiklücken, durch die man Friedhofsmauer quer hindurch schieben könnte. Das Kindermädchen putzt eine gewaltige Blutspur im Haus ohne Fragen weg, was wohl als Andeutung gedacht ist, dass sie eventuell mit drinsteckt – da sich der Verdacht nicht bewahrheitet macht die Szene allerdings kaum Sinn. Warum keiner darauf kommt, dass der Keller wohl mit Grund zugenagelt war, warum man immer wieder dorthin geht, selbst wenn man um die Gefahr weiß, wie das abrupte Ende gedacht ist – all das sind Fragen, die man dem Film besser nicht stellt. Und wenn man eine bissige Fledermaus auf der Hand hackt, dann sticht man am besten mit der Schere von oben drauf ein – ist ja nicht so, als könne man durch die Fledermaus hindurch stechen.
Durchwachsen sind die Darstellerleistungen. Paolo Malco und Catriona MacColl als Ehepaar spielen ganz ordentlich, angenehm geheimnisvoll Ania Pieroni – schade, dass dies keinen Sinn in der Narration macht, egal wie viele extreme Nahaufnahmen der Augen Fulci in den Film knallt. Ebenso untalentiert wie nervig Giovanni Frezza als dauernd quengelndes, overactendes Balg, der die Zuschauergeduld ein ums andere Mal extrem strapaziert.
„Das Haus an der Friedhofsmauer“ ist recht einfallsreich inszeniert, handwerklich kompetent in Szene gesetzt und teilweise ordentlich gespielt – nur leider ziemlich mau geschrieben. Konfus, unlogisch und ohne brauchbaren Spannungsbogen (trotz ein paar schweißtreibender Einzelszenen), das stimmt nur teilweise glücklich.