Dogdick
Das Jahr 2014 hat definitiv schon seine Highlights im Shockumentary-Genre abgeworfen: Auf der einen Seite veröffentlicht ein gewisser MD Thomas Cinemagore den moralisch befreitesten Film aller Zeiten und sprengt absolut jede erdenkbare Grenze und dann schickt James Bell sein Debütwerk "Dogdick" ins Rennen, welches bei mir ganz ähnliche Gemütszustände hervorgerufen hat, wie die "Bumfights" Filme. "Dogdick", ein amerikanisches Wort was umgangssprachlich soviel bedeutet wie nutzlos, ist natürlich kein Zugeständnis an die Zoophilie, sondern die wohl gestörteste und möglicherweise realste Dokumentation, über die Redneckbevölkerung in Michigan:
Sollte man demjenigen dadraußen, der in seinem ganzen Leben noch nie etwas von den USA gehört hat (reine Hypotese - ich weiß), diesen Film zeigen, so würde er glauben, das Land der Freiheit bestünde aus dem Papa Hades Klan und den Jungs von "Wrong Turn". James Bell hat nämlich über längere Zeit hinweg seine Nachbarschaft gefilmt und interviewt - ohne wirklichen roten Faden und ohne, dass für irgendjemand ein Zusammenhang deutlich werden würde. Am Ende kam dabei jedoch ein wirklich entsetzliches Gesellschaftsbild heraus: Familien, die im absoluten Dreck leben, besoffene Penner die pöbelnd über die Straße laufen, ein adipöses und geistig deutlich zurückgebliebenes Kind, welches glaubt, Herumhüpfen vor der Wii-Konsole ersetze das Rausgehen, eine Mutter, die ein Vogelküken durch die Gegend wirft um ihm das Fliegen beizubringen und Teenager, die Tierkadaver zerfleddern.
So sehr man als Zuschauer an seine eigenen, moralischen Grenzen stößt und sich fragt, inwieweit Regisseur James Bell nicht auch eine Verantwortung hat, seine Protagonisten vor der Kamera nicht vorzuführen - der Titel "White Trash Holocaust" macht Sinn. Es ist schwer, die Absicht dieser sehr nüchteren Dokumentation (welche eher wie ein verstörendes Flickenwerk verschiedener Videoaufnahmen wirkt) einzuschätzen und ebenso schnell verliert sich der Zuschauer in einem absoluten Hass gegenüber den Protagonisten. Ganz egal ob es die Eltern sind, die ihre Kinder in Messiewohnungen seelisch wie physisch verrotten lassen, aus reiner Blödheit einen Vogel töten oder in ihrer eigenen Beschränktheit absoluten Müll von sich geben - der Zuschauer wird emotional gefordert und er wird (trotz aller Besorgniss darüber, dass solche Leute in einer nicht zu verachtenden Masse im mächtigsten Land der Welt leben und wählen dürfen) wirklich froh darüber sein, solche Personen im echten Leben weder kennen zu müssen, noch gar dazuzugehören.
Und genau dieser Gedanke, der sich mir mehr als nur einmal aufgedrängt hat, ist das wahrhaft Böse an "Dogdick": Überlegenheitsgedanken in Bezug auf andere Menschen sind nunmal Dinge, die in modernen Gesellschaften nichtmehr vorkommen dürfen und trotzdem packt einem das nackte Grausen, wenn man sieht, was diese Rednecks in ihrem schönen Amerika so treiben. Somit stelle ich mir die Frage, ob James Bell, der im Übrigen natürlich auch in dieser Gegend aufgewachsen ist, dem Zuschauer eines auswischen will, ganz getreu dem Motto "Und du glaubst, du bist etwas Besseres?", oder ob er die Ansichten des Zuschauers teilt und aufrütteln will.
Schlussendlich gibt es noch eine allerletzte Deutungsmöglichkeit, welche ich als die passendste erachte: James Bell hat mit "Dogdick" mit geringsten Mitteln einfach ein provozierendes Werk auf die Menschheit losgelassen und die Inhalte bzw. die Beweggründe darf sich letztendlich jeder selbst zusammenreimen. Schließlich (das erfährt man im Audiokommentar) hat auch er gegen Ende des Filmes Tierkadaver verstümmelt und somit genau das gemacht, was andere Menschen in seinem Film auch gemacht haben. Das zeigt mir, dass wenig Aussage hinter seinem Werk steckt, sondern einfach die Absicht, dem Zuschauer widerliche und unangenehme 40 Minuten zu bescheren. Und ab damit in den "hoffentlich-findet-den-Film-keiner-meiner-Bekannte-Schrank".
7/10