Nick Stahl spielt einen jungen Schüler, der bessere Schulnoten will und braucht, um auf einer Militärakademie aufgenommen zu werden. Doch dann trifft er einen ehemaligen Lehrer, gespielt von Mel Gibson, dessen Gesicht bei einem Unfall, bei dem einer seiner Schüler ums Leben kam, entstellt wurde. Er bittet den abgeschieden lebenden Einsiedler, der bei den Einheimischen im Verdacht steht, sich am verstorbenen Schüler vergangen zu haben, ihm Nachhilfe zu geben, woraufhin sich seine Noten verbessern und er ein freundschaftliches Verhältnis zu seinem Lehrer aufbaut. Doch dann erfahren seine Eltern und die Polizei, mit wem er regelmäßig verkehrt.
Noch bevor sich Mel Gibson, Anfang der 90er hauptsächlich als "Lethal Weapon"- und "Mad Max"-Actionheld bekannt, mit dem überaus erfolgreichen "Braveheart" auch als Regisseur einen Namen machen konnte, nahm er bei seinem Debüt "Der Mann ohne Gesicht" auf dem Regiestuhl platz, wobei er auch hier selbst die Hauptrolle übernahm. Dabei kann sich Gibsons Charakterdrama sowohl inszenatorisch als auch darstellerisch sehen lassen.
Gibson erzählt seine Geschichte ausgesprochen ruhig, bewahrt dabei einen langsamen, unaufgeregten Erzählstil, womit er die Entwicklung der ungewöhnlichen Freundschaft glaubhaft vermitteln und die Charaktere tiefer konstruieren kann. So stellt er auch die familiären Verhältnisse des jungen Schülers dar, sein problematisches Verhältnis zu seiner großen Schwester, den Verlust des Vaters, weswegen er in dem Lehrer schließlich auch eine Vaterfigur sieht und auch seine Bemühungen, auf der Militärakademie aufgenommen zu werden, tragen dazu bei, dass ein glaubhaftes Portrait eines jungen Schülers entsteht, der praktisch darauf wartet, entsprechend gefördert zu werden.
Auf der anderen Seite wäre da der entstellte Lehrer, über dessen Vergangenheit man zunächst einmal nicht sonderlich viel erfährt, lediglich die Gerüchte der Dorfbewohner geben die eine oder andere unsichere Information preis. Die Frage, woher die Verletzungen stammen und wieso der Mann, der scheinbar mit Herz und Seele Lehrer war, seinen Beruf schließlich aufgegeben hat, sorgen zudem für eine gewisse Spannung, während der emotionale, aber zu keinem Zeitpunkt kitschige Film, auf dramaturgischer Ebene ebenfalls mitunter fesselt.
Die ganz großen Momente fehlen dem Drama dabei zwar, sodass man zu keinem Zeitpunkt den Eindruck bekommt, ein echtes Meisterwerk zu sehen, zumal der Polt dann doch recht kalkulierbar verläuft und sich kleinere Längen nicht abstreiten lassen, aber es ist definitiv ein guter Film, der eine emotionale Atmosphäre mit seiner einfühlsamen Musik und den beiden hervorragenden Darstellern durchaus zu kreieren vermag.
Und auch darstellerisch macht Gibson eine gute Figur. Er ordnet sich der Story unter, sodass Nick Stahl in der zweiten Hauptrolle nicht zum Statisten verkommt und spielt seinen Charakter glaubhaft und sympathisch, wobei er vor allem anfangs sehr geschickt eine suspekte Facette an diesem aufrecht zu erhalten weiß. Dabei agiert er sehr gefühlvoll, bleibt jedoch absolut authentisch und zeigt keine übertriebenen Sentimentalitäten. Daneben zeigt Nick Stahl in seiner ersten größeren Rolle ebenfalls eine gelungene Vorstellung, die der von Mel Gibson in nichts nachsteht, sodass die beiden Hauptdarsteller das Drama über weite Strecken tragen können, während auch die Nebendarsteller keinen Grund für Beschwerden hinterlassen.
Fazit:
"Der Mann ohne Gesicht" ist ein gelungenes Charakterdrama, das mit seinen beiden starken Hauptdarstellern und seiner gefühlvollen Inszenierung überzeugt und unterhält, auch wenn es nicht zu den ganz großen Momenten reicht.
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