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Der kommende Mann auf dem russischen Präsidentenstuhl heißt Arkady Federov, doch niemand weiß, dass er damals, im zweiten Tschetschenienkrieg, entsetzliche Verbrechen begangen hat. Und dass er zu dieser Zeit zwei Jahre lang ein 15-jähriges Mädchen als Sexsklavin gehalten hat. Jetzt, kurz vor seinem bürgerlichen Triumph, ist Arkady Federov am Aufräumen – Jede Verbindung in die Vergangenheit muss getilgt werden, und dabei trifft es auch die Frau des einstigen Top-Agenten Peter Devereaux, die als Maulwurf an Federovs Seite installiert war. Devereaux stellt sich selbst wieder in Dienst und geht auf die Pirsch nach dem Mörder seiner Frau, der sich zu seinem Erstaunen sehr schnell als sein einstiger Schüler David Mason entpuppt. Doch parallel gibt es da etwas, was Federovs Absichten auf das hohe politische Amt durchkreuzen kann. Einen Namen, den Devereauxs Frau kannte und weitergegeben hat: Mira Filipova, das Waisenmädchen und damalige Sexspielzeug von Federov, die noch lebt, die untergetaucht ist, und nach der jetzt alle jagen. Vorneweg eine russische Killerin, welche die Spuren in die Vergangenheit löschen soll, und gleich dahinter die CIA, die Federov das Handwerk legen will. Und natürlich Devereaux, der lernen muss, dass in der CIA jemand sitzt, der an Federov unter Umständen ganz eigene Interessen haben könnte, und der Mila Filipova nicht lebend zurücklassen will. Unter keinen Umständen.

Im September 1999 wurden in Moskau unter mysteriösen Umständen zwei Hochhäuser gesprengt. Über 300 Menschen kamen ums Leben, und dieses schreckliche Ereignis diente dann als Begründung für den zweiten Tschetschenienkrieg in den Jahren 1999 bis 2009. Heute, mehr als 20 Jahre danach, geht man davon aus, dass in Wahrheit der russische Präsident Wladimir Putin hinter diesem Anschlag steckte. THE NOVEMBER MAN bietet allerdings noch eine ganz andere Variante an, und die sorgt in Agentenkreisen dann für gewaltigen Rumor. OK, einen Innovationspreis bekommt das Drehbuch dann trotzdem nicht, denn dass die ziemlich genaue Hälfte der CIA-Mitarbeiter böse Absichten hat, und die andere Hälfte nichts anderes zu tun hat als der ersten Hälfte das Handwerk zu legen, das weiß der geneigte Action-Fan ja schon lange. Und dass es in erster Linie einzelgängerischen Agenten immer wieder gelingt diese Bösewichte kaltzustellen, das ist auch nichts Neues.

Aber im Film ist oft der Weg das Ziel, und dieser Weg ist hier, wie in so vielen anderen Actionern der letzten 20 Jahre, mit Schießereien, Explosionen und Handlungstwists am laufenden Band garniert. Im Prinzip also nichts anders als das, was alle anderen generischen Actionfilme seit spätestens dem Jahr 2000 ganz genauso gemacht haben: Fehlende innere Logik wird mit Geballer und Gewumms und ach so exotischen europäischen Schauplätzen übertüncht, und vernünftige Stories oder gar zusammenhängende Abläufe werden als störend empfunden. Soweit nichts Neues, aber was NOVEMBER MAN dann doch noch über den Durchschnitt hebt sind zum einen die in diesem Genre unverbrauchten Hauptdarsteller: Wenn Pierce Brosnan seinen James Bond so gegeben hätte wie er hier den Devereaux spielt, wäre ihm erheblich mehr Rückhalt in der Fanszene gewiss gewesen. Ein mürrischer und brutaler Klotz mit dem Charme eines Holzfußbodens, der deutlich auf den Spuren des frühen Sean Connery wandelt, und mit seinen grauen Schläfen und dem Hang zum massiven Körperbau tatsächlich einen Hauch von Realismus in das abgehobene Spektakel bringt. Und es ist auch einmal schön anzusehen, dass auch der Held so eines Films nicht davor zurückschreckt, unbeteiligte Dritte vom Leben in Richtung Tod zu befördern, um zu seinem Ziel zu kommen. Charmant ist in diesem Zusammenhang auch die Anspielung auf den Anti-Helden in Alfred Hitchcocks TOPAS, der ebenfalls Devereaux hieß, ist der NOVEMBER-Devereaux doch schließlich nur durch sein Pech im Leben sowie durch die Herausstellung in der Hauptrolle der Held – Die Sympathien gehören eher anderen Darstellern. Olga Kurylenko an Brosnans Seite und Luke Bracey als das Teilzeit-Gegenüber David Mason zum Beispiel, die beide sehr überzeugend wirken, genauso wie die vielen Nebendarsteller aus den Balkanländern, die erfrischend und engagiert aufspielen.

Auch überzeugend sind die Handlungsschauplätze. Moskau kennt man, aber Belgrad? Ich hätte nicht gedacht, dass die Stadt so schön ist! Einzig, dass die Belgrader sich kaum wundern, wenn Männer (oder Frauen) mit großkalibrigen Wummen durch die Stadt rennen, erscheint etwas seltsam. Aber da betreten wir dann schon wieder das Reich des 08/15-Actioners mit seinem vorgegebenen Schema aus Daueraction, wenigen Verschnaufmomenten, und vielen vielen Explosionen. Trotzdem, NOVEMBER MAN hat mich entweder auf dem richtigen Fuß erwischt, oder er hat tatsächlich Qualitäten, denn er zieht stark nach vorne und macht, bei aller Vorhersehbarkeit, durchaus eine Menge Spaß. Der weitestgehende Verzicht auf markige Oneliner schafft viel Grimmigkeit, was der sonnigen Urlaubsstimmung in Belgrad dann angenehm gegenübersteht und irgendwie eine recht wohlwollende Meinung erzeugt.

NOVEMBER MAN ist sicher kein Film, an den ich in zwei Tagen noch denken werde (höchstens vielleicht wegen der Szene, in der Miras Eltern in einer Rückblende erschossen werden, und die nur ein paar Tage nach dem Massaker in Burtscha in der Ukraine viel Eindruck hinterlassen hat). Aber er unterhält für 107 Minuten, und da gibt es ja nun wirklich schlechtere Gründe, sich einen Film anzuschauen, oder?

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