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Zumindest in finanzieller Hinsicht dürfen sich die Produzenten von White Haired Witch of Lunar Kingdom, ein gutes Dutzend verschiedener Studios und ihre Tochter-, Schwester- und weitere Unternehmen untereinander beglückwünschen, anders als ihre früheren Kollegen von A Chinese Ghost Story (2011) die richtige Entscheidung mit der Wahl einer Neuverfilmung von ’Kulturgur’ getroffen zu haben. Während dort mit einer erneuten Adaption einer heutzutage vor allem durch das Medium Film bekannten Vorlage das Ziel eines eigenen Bekanntheits- und Beliebtheitsgrades trotz vorhandener Qualitäten großteils nicht erreicht und gerade an den Kinokassen die Einbußen verzeichnet wurden, ist hier mit gleichem Ausgang das Ergebnis finanziell wesentlich positiver gehalten und mit ingesamten Erfolg besetzt. Hier wie dort und beispielsweise auch bei Painted Skin (2008) ist das Bewusstsein des Publikums und auch das Wissen der Initiatoren darum erstmal auf die vorhergehende Verfilmung und weniger auf eine weitere Bearbeitung des jeweils zugrundeliegenden literarischen Stoffes gesetzt; wobei dennoch jeweils die Bearbeitung des Buches und nicht der Vergleich der Bearbeitungen untereinander als Objekt-Rahmung gelten sollte. Basierend auf Liang Yushengs "Baifa Monü Zhuan":

Hubei Provinz, um 1620. Die Ming-Dynastie liegt in den letzten Zügen. Zhuo Yihang [ Huang Xiaoming ], ein Schüler der Wudang-Sekte, wird von seinem Lehrmeister beauftragt, dem kranken Taichang-Kaiser zur Heilung ein besonderes Geschenk nach Beijing zu überbringen. Ein Präsent, dass am Hofe allerdings von dessen Chief Eunuch Wei Zhongxian [ Ni Dahong ] gegen ein tödliches Gift ausgetauscht und Yihang fälschlicherweise prompt zum Staatsfeind Nummer Eins gemacht wird. Währenddessen wird Yihangs Großvater, der Gouverneur und General Zhuo Zhonglian [ Hu Xiaoguang ], während der Kämpfe gegen die Rebellentruppen von Jade Demon [ Fan Bingbing ] und Iron Coral [ Shera Lee ] von seinem eigenen Untergebenen Jin Duyi [ Vincent Zhao ] ermordet, und dies in den Wirren des Krieges den Vigilanten in die Schuhe geschoben. Unwissend von den gegenseitigen Vorwürfen, aber gleichzeitig gejagt von sie verfolgenden Truppen, treffen Yihang und Jade Demon in einem Geheimversteck in den Mingyue Mountains ein, wo sie sich ineinander verlieben; eine kurze Ruhepause, die durch die baldig offen tretenden Anschuldigungen allerdings schnell wieder gestört wird. Verschärft wird die Situation noch durch die militärischen Truppen, den erstmal sympathisierend eingestellten Armeekapitän Murong Chong [ Wang Xuebing ] sowie den feindlich gesinnten und den Mandschukräften zugehörigen Aixinjuelo Hong Taiji [ Kevin Yan ]. Außerdem hat Yihang seine eigene Form der Rehabilitation und Rache an Eunuchen Wei vor; ein Plan, der die Heirat mit dessen Tochter Ke Pingting [ Tanya Tong ] und somit auch scheinbaren Verrat an Jade Demons Gefühlen vorsieht.

Veröffentlicht zwischen 1957 und 1958 gilt der Text, ursprünglich herausgegeben in der Hong Konger Gazette "Sin Wun Pao", schon aufgrund der Vielzahl an Figuren, Handlungen und Komplikationen als eher in Form einer Fernsehserie und so dem breiten Erzählen in ausführlicher Form, stattgefunden in mehreren Varianten der da als The Romance of the White Hair Maiden betitelten Art ( je 1986, 1995, 1999 stattgefunden ) geeignet. Dass die Fülle an Ereignissen nicht für 100 Minuten sinnig komprimiert werden kann, merkt man dem hiesigen versuch dabei als ehestes und leider auch mit am Deutlichsten und dies zum großen Nachteil wirkend an. Sprünge in Zeit und von Ort zu Ort machen sich rasch bemerkbar und werden auch im Mittelteil nicht mehr deutlich ausgebessert und so nicht zum Besseren bewirkt; das Materielle steht dem hochwertig Formellen des genreaffinen Massen- und Popcornfilmes im Grunde stetig nach und macht einem reinen optischen Genuss, nur dem großen und teuren Blockbusterprunk ohne wirkliches Herz und Seele Platz.

Auch der ursprüngliche Vorgänger dieser Verfilmung, der leidenschaftliche The Bride with White Hair (1993) stellt nur einen Ausschnitt, einen untreuen Abriss von so viel mehr, dies aber mit eigener barockhafter und düsterer Kreativität, viel Wildheit und einer gewissen überbordenden Bildphantasie dar, was in der neuen Verpflichtung trotz allem visuellen Einsatz und gut gestalteten und erfreulich übersichtlich choreographierten Kampf- und Schlachtszenen nicht erreicht werden kann. Beauftragt mit der Regie wurde auch ein relativer Neuling auf dem Gebiet, Jacob Cheung, der Dramatiker für innere Kämpfe und die leisen Gefühle, der zwar (bei Battle of Wits, 2006) auch schon sein Talent im Umgang mit Budget und Masseninszenierung bewiesen hat, aber hier grundsätzlich an der Oberfläche des Geschehens bleibt und gerade das Tiefe und Verborgene dahinter nie zu entdecken vermag.

Cheung hat immerhin das Auge für das richtige Design, wechselt er von der anfänglichen Reinheit des Geschehens, in dem Alles weiß und sauber und wie aseptisch ist alsbald doch zu einem raueren und wind- und wettergegerbten Aussehen, dass in Zwischenzeiten auch mit kleineren Ausflügen zu Fantasieräumen und -erscheinungen und damit den Zusatz zum Wuxia erhält. Die Konstellation für Mehr ist ebenso wie die geeigneten Stätten, darunter der Kaiserpalast, die Tempelbauten der Wudang-Berge, die Unterkunft der Aussätzigen im Fels gehauen, und von Regenbogen und Wasserfall und strahlendem Sonnenschein umgeben da, und sind sowohl die Architektur zum Anfassen als auch die Effekte des Vorgaukeln gut ausgewählt und umgesetzt. [Tsui Hark taucht als Artistic Consultant in den Stabangaben auf.] Das Geld ist auf der Leinwand, fest investiert und dennoch gut angelegt; etwas, was man von der Wahl der beiden Hauptdarsteller hinsichtlich ihrer Popularität wohl – angesichts der Einspielergebnisse von etwas über 60 Mio USD, ca. das Vierfache der sichtlich gut genutzten Produktionskosten – auch behaupten könnte, in dem Fall aber dem Film selber nicht hilfreich, sondern ziemlich am Schaden ist.

Denn die höchst verkitschte Liebesgeschichte, die nun einmal im Vordergrund und mit dem Satz von der "Liebe als dem tödlichsten Gift" zusätzlich als These hervorgehoben und zur Argumentation und Diskussionen bereitstehend ist, scheitert nicht nur in den meisten Belangen, sondern ist de facto nur als Behauptung und niemals gegenständlich im Sinne von gefühlsmäßig vorhanden dar. Beide Akteure sehen höchstens ansprechend aus, aber haben keinerlei Chemie miteinander und noch nicht einmal als autarke Lebewesen, was die Erzählung mit all ihren Sprüngen und Löchern und dem allgemeinen Desinteresse noch mehr in die Beliebigkeit zwingt.

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