Mit einigen An- und bildhaften, kognitiven Verknüpfungen gerade in den in Japan spielenden Szenen an Takashi Miikes Lesson of the Evil (2012) versehen, schöpft das Nachfolgeprojekt vom Regieduo Timothy "Timo" Tjahjanto and Muhammad "Kimo" Stamboel aus der gleichen Quelle der zwiespältigen Faszination für das Geschehen und das Innenleben von Serien- bzw. Massenmördern. Hier wie dort als Psychogramm und gleichzeitig Thrillerdrama um den Weg dahin und den Weg weiter in die seelische Misere hinein und hinaus, wird durch ein vermehrt ruhiges Folgen der Hauptperson auch zuweilen die Identifikation, umso verstörender zwischenzeitlich auch die Sympathie, nicht unbedingt das Verständnis, aber das Mitfiebern in brenzligen Situationen, das zwiespältige Zugehörigkeitsgefühl gesucht:
Jakarta. Als der frühere Journalist und nunmehr als Kameramann degradierte Bayu Aditya [ Oka Antara ] des Nachts auf der Heimfahrt von seiner in Trennung lebenden Frau Dina [ Luna Maya ] von zwei Räubern im Taxi überfallen und bedrängt wird, kann er in höchster Not und Wehr die Angreifer töten. Durch den Vorfall schwer geschockt und vollends aus der Bann geworfen, beschließt der durch den Verlust von Frau, Kind und Job in die Ecke gedrängte Mann, sich auch dem Verursacher seiner Kündigung, dem korrupten Politiker Dharma [ Ray Sahetapy ] mit dem eben gemachten Erfahrung von Gewalt zu nähern und zu bedrohen, wobei er als erstes und im Grunde ebenso aus dem Zufall heraus geboren dessen PR Manager Robert [ Epy Kusnandar ] vor die Flinte bekommt. Dabei erregt er die Aufmerksamkeit des in Japan lebenden Nomura Shuhei [ Kitamura Kazuki ], der das Töten von zumeist jungen Frauen als Kunstwerk betrachtet und zelebriert und in dem indonesischen Gegenüber einen Seelenverwandten sieht.
Zeit und Gelassenheit wird sich genommen mit der Zeichnung der beiden Figuren, die lange Zeit nur einzeln, aber verbunden durch die Kommunikation miteinander durch ihr Leben und des Rest der Existenz wandern. Zwei Geschichten, die sich regelmäßig überschneiden, aber auch allein und unabhängig voneinander hätten erzählt werden können; wie zwei autarke Tätigkeiten, die erst im letzten Arbeitsprozess miteinander verbunden wurden und ein gemeinsames großes Ganzes ergeben. Der Eine braucht den Anderen nicht, hätte sonst aber tatsächlich auch wirklich Niemanden, mit dem er sich ausdrücken und das vermeintlich Gleiche teilen kann. Irrtümer in der Hoffnung der Erlösung auf einen gedanklichen Seelenverwandten liegen Beide auf, eine kurze und nur im Imaginären erlebte Zweisamkeit, die derart mit der Wirklichkeit kollidiert, dass die ganze Auflösung am Androhen ist.
Erzählt mit den gleichen inszenatorischen Mitteln, aber durch die Örtlichkeiten, das Umfeld, die Nebenspieler in diesem jeweiligen Bestehen und Dasein und so stets durch weit mehr als nur einen Bildschirm und viele Kilometer Datenkabel voneinander getrennt, ergibt sich ein Puzzle der Tragik und der Einsamkeit, des Spiel mit Psychopathie, Soziopathie und dem gestörten Vorhandensein. Dabei wird sich in den Einflüssen, nicht so sehr in den Auswirkungen von Handlungen und Reaktionen, von Taten und Ergebnisse oft mit der Nahrung von Klischees bedient, mit Ikonographien des Subgenres, in dem der Täter durchaus sein eigene Anziehungskraft auf die Opfer, auch auf die Zuschauer, die Beobachtenden seines Verhaltens, sei es durch ein einnehmendes, gerade in den Gewalteruptionen fast noch mehr durchscheinendes Äußeres, die Kraft und die Vitalität und die Potenz gewissermaßen ausübt.
Gerade Nomura wirkt meist wie ein Schaubild diverser gängiger Vorstellungen aus Buch und Film, hat ohne ein Blick auf seine Arbeitswelt, tatsächlich ohne jede anderweitige gezeigte Beschäftigung und so ohne ein Hinweis auf sein Einkommen sichtlich Geld, ist körperlich bis zu den längeren und fein geschnittenen Haaren, den schwarzen Anzügen, aber auch in Freizeitkleidung äußerst gepflegt. Verströmt den Reiz des Selbstsicheren und Unnahbaren, des auch Gefährlichen, was ihm im Umgang mit dem 'Klientel' seiner Auserwählten allerdings noch Pluspunkte und nicht die Abschreckung bringt. Genauso einfach, wenn auch entsprechend bewusst im Spiel der Schablonen damit ist Bayu das komplette Gegenteil, der Kontrapunkt, der die Regelkunde für den Protagonisten, der er trotz ebensolcher Auswüchse der Brutalität und Skrupellosigkeit zu dem geschmeidigen, aber emotionslosen Nomura dann doch ausfüllt.
So wird durch die Missetaten des Lebens gewandert und gestrauchelt, den Zufällen und Schicksalen nur knapp entgangen und dadurch auch wieder in andere Fügungen und Destinationen hinein und vielleicht auch hindurch geschlüpft. Im Vergleich zum kleineren, schockierenden Macabre (2008) ist der Nachfolger der Regisseure in gewisser Weise mit Aufwand der Produktion, Leistungen von Schauspiel und Fotographie, Extravaganz in Hinsicht der visuellen und materiellen Details, im Bewusstsein auch für zeitweise hervorbrechende Überspanntheit, weiterhin mit unangenehmen Eruptionen im Sadismus – Verbrennungen bei lebendigen Leib, das Ersticken mit einem Baseballschläger, eine Variante bereits berüchtiger Hammerszenen – gestaltet und 'belebt'. Zynismus und das Suchen nach neuen Überschreitungen und möglichen Tabus ist hier dafür im Werk der beiden Frühdreißiger doch verpönt; Szenen von schwarzen Humor sind anders als bei Miike auch in der Einzahl, aber gleichsam wie das offenherzige Bedienen an Requisite und Repertoire mit der Gattung von Film kein verbotenes Terrain.