kurz angerissen*
Schon wenn sich das Märchenbuch im Rahmen der klassischen Klammer einer Gutenachtgeschichte öffnet, spiegelt sich die Liebe zu Ausstattung und Design in der feinporigen Haptik der kunstvoll gefertigten Buchseiten wieder. Eine Holzrose schimmert als exklusiv angefertigter Deckelaufsatz im wechselnden Licht und gibt seine Fasermarmorierung zu erkennen, während zarte Staubflocken durch den Aufschlagwind in die Luft gewirbelt werden. Dann transformiert sich eine gemalte Szene langsam in eine Realaufnahme, deren Künstlichkeit in dieser Geschichte keineswegs fehl am Platz ist. Die darauf folgende Bewegung führt fließend mitten in die Handlung und man ist selbst im Märchenland angekommen.
Um so etwas zu erleben, schaut man sich wohl Filme von Christophe Gans an. Der Eskapismus wird geradezu verschwenderisch bedient in seiner Variante von Gabrielle-Suzanne de Villeneuves Märchenklassiker, dessen Disney-Trickfilmadaption allerdings immer noch nachhallt. Im Optischen überzeugt Gans auf voller Ebene; selbst manch künstlich wirkende Sequenz, insbesondere jene in den Wäldern, akzeptiert man ohne Zögern, weil der Film niemals vorgibt, naturalistisch sein zu wollen. Die Sets im Schloss überzeugen mit umwerfenden Details, gleichwohl offenkundig jene Sets meist für mehrere Szenen herhalten, damit sich der ganze Aufwand auch lohnt.
Weniger überzeugend hingegen fällt das inhaltliche Resümee aus: Die Beziehung zwischen der Schönen und dem Biest fällt unter dem Strich arg unterkühlt aus, insbesondere die endgültige Liebeserklärung kommt wie aus heiterem Himmel, da sich das Drehbuch bis hierhin kaum mit den Gefühlen der Hauptfigur auseinandersetzt, sondern lediglich mit affektgesteuerten Reaktionen auf die Geschehnisse. Léa Seydoux erscheint in diesem Zusammenhang, gleichwohl sie optisch gut zu Vincent Cassel passt, auch nicht unbedingt als Idealbesetzung, lässt sie doch trotz ihres jugendlichen Aussehens das Unschuldige im Blick vermissen, das man der Figur unterstellen würde; vielmehr wirkt sie in einigen Momenten manipulativ und intelligent-verschlagen. Das Biest auf der anderen Seite, prinzipiell ansprechend zum Leben erweckt (offenbar mit einer Mischung aus Maske und Computerunterstützung, ähnlich wie in „Wie die wilden Kerle wohnen“) und von Cassel physisch grundsätzlich sehr präsent gemacht, strahlt viel zu wenig Bedrohung aus. Selbst die Disneyvariante wirkte in gewissen Szenen bedrohlicher. Dabei ist doch gerade der schmale Grat zwischen der bestialischen und der menschlichen Erscheinung des Biests der Kern der Geschichte. Die wegen der deutschen Produktionsstätte gecastete Yvonne Catterfeld hingegen schlägt sich in einer Nebenrolle erstaunlich gut.
Lässt man also der Optik den Vorzug, kann Gans' "Die Schöne und das Biest" durchaus in den Bann ziehen - für eine wahrhaft überzeugende Adaption hingegen bleibt der Jekyll-und-Hyde-Faktor und die damit verbundene Liebesbeziehung einfach zu unterentwickelt.
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