"Hannibal" wäre ein wirklich guter Film, wäre er nicht die Fortsetzung von "Das Schweigen der Lämmer", die intelligente und bis ins Detail durchdachte Story des Vorgängers hat hier nicht einmal Spuren hinterlassen. Anthony Hopkins überzeugt zwar in "seiner" Rolle als Hannibal Lecter zu 100%, aber Julianne Moore bleibt weit hinter Jodie Foster zurück, v.a. aber wohl deshalb, weil die packenden Auge-in-Auge Duelle fehlen, bei denen gegenseitig Informationen austauschen. Überhaupt ist "Hannibal" komplett anders angelegt, als "Das Schweigen der Lämmer" und "Blutmond" bzw. "Roter Drache". In den beiden ersten Teilen der Reihe ist Lecter im Hochsicherheitsgefängnis und hilft den FBI-Beamten, wahnsinnige Mörder zur Strecke zu bringen, treibt dabei seine ausgeklügelten Psycho-Spielchen mit diesen.
"Hannibal" bricht hier völlig aus, die Schuld dafür liegt aber schon bei Thomas Harris, der einen eher durchschnittlichen Roman geschrieben hat und dabei nicht an grausamen Details gespart hat. Lecter ist auf freiem Fuß, hält sich in Florenz auf und lebt ein fast normales Leben, bis er auf Clarice Starling wieder aufmerksam wird und auch ein früheres Opfer, Mason Verger (Gary Oldman, auch wenn er nicht zu erkennen ist), auf seiner Spur ist. Dass Lecter nicht zimperlich mit seinen Opfern umgeht, hat man schon in den früheren Filmen gesehen, warum aber die Brutalität so eskalieren muss, ist etwas fragwürdig, weniger wäre hier mehr gewesen, weil die Splatter-Effekte die Ästhetik des Films komplett stören, vielleicht aber ist gerade das beabsichtigt, um den Kontrast zwischen dem Kunstliebhaber Lecter und dem Mörder Lecter zu verdeutlichen. Trotzdem, als Fortsetzung weiß der Film nicht zu überzeugen, Lecter hat seinen eigenen Film bekommen, in dem er sich von Anfang bis Ende austoben kann, im wahrsten Sinne des Wortes. Aber das Spielchen zwischen Lecter und Pazzi lässt schon sehr früh erahnen, dass Pazzi dieses nicht überleben kann, weil er Hannibal in keiner Weise gewachsen ist, Pazzi hat keinerlei Interesse an Lecter, nur daran, ihn für teueres Geld zu verkaufen. Dass Verger für seine bestialischen Vorhaben büßen muss, ist auch klar, und auch Crandler (Ray Liotta), der "Feind" von Starling und Lecter, muss natürlich auch sterben, und all dies wird dann auch ausführlich zelebriert. Die Hirn-Szene am Ende ist schon reichlich überflüssig, steht aber genau so im Buch. Was im Film komplett anders ist, ist dann das Ende: Im Roman befinden sich Starling und Lecter dann gemeinsam in Buenos Aires und sind offensichtlich ein Paar, Starling ist auch vom Hirn. Was im Film dann aber komplett überflüssig ist, ist die Schlussszene im Flugzeug, wo der kleine Junge vom Hirn versuchen darf.
Als eigenständiger Film hätte "Hannibal" eine höhere Note bekommen, weil Hopkins einfach der Hammer in seiner Rolle ist, wer außer ihm hätte sonst Lecter sein sollen? Aber weil es eben die Fortsetzung zum großen "Das Schweigen der Lämmer" ist, muss die Note deutlich schlechter sein, deshlab nur eine 6/10.
"Roter Drache" hat sich dagegen als würdiger "Vorgänger" ausgezeichnet, aber da war die Romanvorlage ja auch wesentlich besser