Review

Eine Fortsetzung war eigentlich nur eine Frage der Zeit, zehn Jahre nach Start des ersten Teils war es dann soweit: "Hannibal" kam endlich, die Fans jubelten, denn Lecter war längst Kultfigur. Was lag also näher, als die ganze Handlung auf ihn zu fokussieren, den schließlich liefen die Leute fast nur wegen dem Kannibalen ins Kino. Erfreulicherweise schafft Hopkins diese Last zu tragen und spielt erneut wie von Sinnen.

Als Clarice Starling ist jetzt Julianne Moore zu sehen, der Grund für Fosters Absage war ja ihre Unzufriedenheit über das Drehbuch. Ein schlechtes Vorzeichen also, denn der erste Teil hat ja vom brillanten Psychoduell Hopkins vs. Foster gelebt. Moore schafft es zu keinem Zeitpunkt, Hopkins ebenbürtig zu sein und läuft nur blass um die Nase mit einem einzigen Gesichtsausdruck durch das Geschehen zu stapfen.

Weitere Schnitzer offenbart die Story: Das Ableben einiger Charaktere ist jämmerlich vorhersehbar. Da wäre Pazzi, der natürlich aufgrund seiner Geldgeilheit dran glauben muss und dann noch Ray Liotta, der für die Rolle des korrupten Agenten so ziemlich die klischeehafteste Besetzung ist, die es gibt. Bloß die Art des Todes, jeweils von Hannibal persönlich vollzogen, ist recht einfallsreich. Der Schubser vom Balkon offenbart einen netten Gore-Effekt und das Gehirnfressen zum Schluss ist eh fast schon Kult. Im Gegensatz zum Vorgänger wird dieses Mal also richtig draufgehalten, trotzdem ist "Hannibal" nicht ansatzweise so zum fürchten wie "Das Schweigen der Lämmer".

Dazu kennen wir die Abgründe in Hannibals Charakter bereits zu gut und da er sowieso der einzige ist, der hier wirklich interessant ist, kann man das Drehbuch mal als Gurke abstempeln. Richtig große Fehler wären in etwa das ewige Verweilen in Florenz, das zwar visuell überragend ist, in dem storymäßig aber echt gar nichts passiert, man wartet bloß auf den Tod des Inspektors. Das Gleiche zum Schluss: Ein langes Hinarbeiten auf den Showdown und alles, was man zu Gesicht bekommt ist eine höchstens 30sekündige Schweinemahlzeit und eine deftige Gehirnmahlzeit, über die im Vorfeld ja so ausgiebig diskutiert wurde, dass man sie bereits in- uns auswendig kennt. Gelungen ist sie trotzdem, nur halt irgendwie enttäuschend im Vergleich zu dem, was man erwarten durfte.

Ridley Scott hat aber aus dem schwachen Drehbuch noch viel rausgekitzelt: Visuell ist der gesamte Film ein Erlebnis. Konsequent setzt er auf leicht gekünstelte Farben, was vor allem die Florenz-Sequenzen zu einem Erlebnis werden lässt. Vom kargen Look des Vorgängers ist er zwar meilenweit entfernt, aber "Hannibal" soll eh eher Mainstream-Kost sein und dafür ist das überragend.

Dank einer durchgehend edlen Optik (danke auch an Hans Zimmer für die passende Musik) und perfider Ausstattung bekommt der Film irgendwie Stil und kann so auf jeden Fall mit Atmosphäre punkten. Vom Status eines Klassikers ist das natürlich weit entfernt, sondern eher für zwischendurch geeignet. Deshalb ist "Hannibal" noch keinesfalls schlecht und die helle Aufregung vieler Fans des ersten Teils nicht ganz gerechtfertigt. Ich finde ihn nicht so interessant wie den Vorgänger, aber bisweilen trotz Vorhersehbarkeit sogar kurzweiliger (weil hirnschonender?!). Und weniger anstrengend ist er sicher auch.

Details
Ähnliche Filme