Review

Dieser Film ist ein Paradebeispiel dafür, wie ein Thriller mit guten Schauspielern (stimmt leider nicht ganz), aber einer nicht so guten Handlung (stimmt leider schon) doch noch unterhalten kann. Anthony Hopkins macht seine Sache sehr gut, die Rolle des gebildeten und ebenso grausamen Soziopathen macht den Eindruck, als wäre sie extra für ihn geschrieben worden, obwohl er insgesamt schlechter spielt als in "Das Schweigen Der Lämmer". Die anderen Schauspieler sind gut bis solide, Ray Liotta spielt den korrupten Polizisten Paul Krendler gut, aber ich meine, er hätte ihn besser spielen können, Gary Oldmann (kaum zu erkennen) stellt den entstellten und rachesüchtigen Millionär Mason Verger überzeugend dar.
Ganz besonders hervorzuheben ist Giancarlo Giannini. Er spielt den habgierigen, aber dennoch auf eine gewisse Weise sympathischen Inspector Rinaldo Pazzi derart gut, dass das Zusehen ein Genuss ist, wenn Lecter und er aufeinandertreffen. Dass er ungefähr nach der Hälfte des Films das Zeitliche segnet, bringt zwar die Handlung voran, allerdings verschwindet damit auch der einzige Schauspieler, der Hopkins ebenbürtig ist.
Damit zu Julianne Moore. Meiner Meinung nach ist sie vollkommen fehlbesetzt. Nach dem furiosen Anfang schafft sie es nicht, ihrer Agentin Clarice Starling die Tiefe zu geben, die diese Figur gebraucht hätte. Neben der in einer Szene total übertriebenen Gewaltdarstellung (siehe unten), sind das die zwei größten Mankos des Films, die ihm aber viel Potential nehmen. Moore spielt viel zu oberflächlich, um auch nur annährend an Jodie Foster ranzukommen.
Aus der vorsichtigen, immer konzentrierten, aber dennoch mutigen Agentin ist eine zähe Figur geworden, die sich am liebsten mit Vorgesetzten anlegt. Sie passt sich keiner Situation an, von ihrer charmanten Art (die Jodie Foster exzellent im Vorgänger vermittelt hat) ist nur noch Ansatzweise etwas zu merken.
Man könnte sich auch Bruce Willis als Hannibal Lecter vorstellen, das wäre meiner Meinung mit diesem Besetzungsdesaster vergleichbar.
Für diesen gravierenden Fehler ziehe ich zwei Punkte ab.
Nun zur Handlung: Die Geschichte fängt sehr gut inszeniert an, verliert aber in der Mitte an Spannung. Leider genau da, als Hopkins und Giannini ihr "Katz und Maus Spiel" spielen. Am Schluss des Films ist die Handlung total vorhersehbar. Aber nun gut, Spannung ist zumindest ansatzweise vorhanden, gerade nach dem Durchhänger in der Mitte, in der Giannini von Hopkins umgebracht wird (übrigens meiner Meinung nach einer der Höhepunkte des Films) und nach circa 3/4 des Films, als kurz vor dem Finale die italienischen Riesenwildschweine in Aktion treten.
Was schade ist, ist, dass das Verhältnis zwischen Starling und Krendler zwar als angespannt dargestellt wird, Ridley Scott hätte es dennoch etwas ausbauen können.  
Für den Durchhänger und die insgesamt nicht ganz überzeugende Handlung ziehe ich zwei Punkte ab.  
Noch ein Satz zu der Regie: Scott filmt sehr gut, er fängt das Filmgeschehen fast schon perfekt ein - der Mann versteht sein Handwerk. Mit der Filmmusik und der schauspielerischen Leistung Hopkins und Gianninis sind das die drei größten Stärken von "Hannibal".
Wie er ein Paradebeispiel dafür ist, dass talentierte Charaktermimen viel rausreißen können, so ist er leider auch ein Paradebeispiel dafür, dass eine vollkommen überzogen Gewaltszene, die zudem noch das Ende von "Hannibal" ausmacht, einen Film im wahrsten Sinne des Wortes kaputtmachen, beziehungsweise den Eindruck, den man von dem Film behält, schmälern, kann.

!!SPOILER ANFANG!!
War so eine Szene wirklich nötig? Muss man wirklich zeigen, wie einem (noch lebendem, aber unter Drogen gesetzten) Menschen die Gehirndecke abgenommen wird, Teile des Gehirns entfernt werden und dieser Mensch dann noch mit Stücken seines eigenen Gehirnes gefüttert wird? Olaf Ittenbach Fans werden so etwas wohl belächeln, aber Leute, die Sachen wie diese nicht gewöhnt sind, wird so eine Szene wahrscheinlich negativ in Erinnerung bleiben.
!!SPOILER ENDE!!

Die restlichen Gewaltdarstellungen sind zwar explizit, aber nicht übertrieben und ordnen sich gut in das Filmgeschehen ein. Das “Keine Jugendfreigabe” Kennzeichen der FSK ist also gerechtfertigt.


Für die (leider) zahlreichen Mängel des Films ziehe ich insgesamt fünf Punkte ab.
Als Fazit kann ich nur sagen, dass man nicht zu große Erwartungen an “Hannibal”  haben sollte. Für mich ist er auf jeden Fall eine mittelgroße Enttäuschung.

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