Review
von Mountie
"Hannibal" ist in vielerlei Hinsicht eine Enttäuschung. Zunächst einmal kann man nicht nur dem Film die Schuld daran geben, denn Thomas Harris' Vorlage glänzte schon nicht durch eine ausgereifte Story, sondern unterhielt hauptsächlich durch immer absurder werdende Morde und Charaktere. Für den Film wurden zwar einige Storyelemente getilgt (vor allem am Ende) aber im Großen und Ganzen hielt man sich an die eher schwache Buchvorlage. Das größte Problem des Films stellt die Engagierung von Ridley Scott dar. Scott schafft es keine Sekunde die morbide und trostlose Spannung des Vorgängers zu ereichen. Ein Grund dafür ist, Scotts Unfähigkeit seinen Charakteren Tiefe und Authentizität zu verleihen. So ist es ihm zu verdanken, daß aus der fragil aber doch unbeirrbar wirkenden Clarice Starling aus dem Vorgänger, eine arrogante, distanzierte, Karrierefrau geworden ist. Offenbar stellt sich Scott unter einer starken Frau (Feministin) genau diese Eigenschaften vor (siehe "G.I. Jane"), sehr zu mißfallen des Publikums. Denn Starling wirkt in dieser Form dermaßen unsympathisch, daß sie als Identifikationsfigur nicht mehr funktionieren kann. Das Problem ist, daß keine Figur aus ihren vorgefertigten Klischeerollen ausbrechen kann, und somit ist es kaum interessant die jeweiligen Figuren über die Klinge springen zu sehen. Da haben wir mit Paul Krendler einen misogynen und homophoben Regierungsbeamten (sprich einen richtiger Arsch) der seine Machtspiele mit Starling versucht zu spielen. Alleine diese Rolle ist unnötig und dient wohl nur dem Zweck eine weitere Figur spektakulär und selbstgerecht von Hannibal ermorden zu lassen. Denn war Hannibal im letzten Film noch ein unberechenbarer Psychopath der kein Mitgefühl oder Gnade kannte, wird hier aus ihm ein selbstverliebter Dandy der nach (s)einem moralischen System mordet. Er ermordet nur offensichtlich schlechte Menschen, wie den über Leichen gehenden Polizisten Pazzi, oder den schon angesprochenen Paul Krendler. Die offensichtliche Legitimierung von Hannibals Taten ist zwar bedenklich aber viel schlimmer ist, daß dadurch jegliche Faszination die von ihm ausging im Keim erstickt wird, und damit aus der hochinteressanten Figur nur einer von vielen "Filmkillern" wurde.
Also konzentriert sich Ridley Scott auf das was er kann. Statt einer klugen Story haben wir einmal mehr überästhetische Bilder. Wir sehen Starling, gleich einer "C.S.I." Folge im bläulichen Gegenlicht recherchieren, und Florenz ist wunderbar kitschig als Hannibals Unterschlupf eingefangen. Und statt Suspense ersäuft uns Scott mit Goreszenen, die zwar manchmal ihre Wirkung ereichen aber vor allem am Ende nur noch zum schmunzeln stimulieren, und überhaupt viel zu häufig eingesetzt wurden. Die Charakteristischste Szene ist wohl, als Hannibal jemanden den Bauch aufschlitzt, und die satt glänzenden Eingeweide auf dem nassen Boden von Florenz klatschen. Die Szene ist virtuos und astethisch, gleich eines Werbespots eingefangen. Hatten die wenigen Gewaltdarstellungen bei "Das schweigen der Lämmer" noch eine extrem verstörende und beängstigende Kraft, so verkommt "Hannibal", selbst in seinen ausufernden Splatterszenen zu einer öden "Style over Substance" Nummernrevue. Den Schauspielern kann man hier kaum einen Vorwurf machen. Julian Moore macht aus ihrer eindimensionalen Klischeefeministen Rolle das beste was möglich ist, und Anthony Hopkins erfüllt fast alle Eigenschaften einer Horrorfilmfigur alà Freddy Krüger und ist damit zwar kein Vergleich zu seiner Vorgängerrolle, aber unterhält zumindest ganz gut. Einzig Gary Oldman (kaum zu erkennen) hätte das Potential gehabt aus seiner recht interessanten Figur (Mason Verger) mehr zu machen. Doch leider wird jene viel zu früh und unspektakulär eingeführt, auf das im weiteren Verlauf jegliches Interesse verpufft. Alles in allem ist der Film zwar überdurchschnittlich unterhaltsam, verliert sich aber, wie so oft bei Scott immer wieder in seinen stylisch fast arrogant inszenierten Aufnahmen.
Zumindest hat der Film, wie sein Vorgänger, die Grenzen von Gewaltdarstellung im Mainstreamfilm weiter rauf geschoben. Schwacher Trost, aber immerhin.