Nach zehn Jahren ist er zurück: Hannibal Lecter, kultivierter Psychoanalytiker und gleich auch einer der zehn meistgesuchtesten Männer der Welt. Denn Lecter ist eine Killermaschine, ein Kannibale. Sein letztes Auftreten, Anfang der 90er Jahre, war eindrucksvoll und umstritten:
Die harten Szenen aus "Das Schweigen der Lämmer" boten Anlaß zur Kontroverse. Nicht oft sah man in Hollywood-Produktionen derart deutliche Aufnahmen von verwesten und zerstückelten Leichen. Den Oscar gab’s trotzdem.
Im Jahre 2001 kehrte Hannibal, the Cannibal, auf die große Leinwand zurück. Und zum ersten Mal stand seine Person im Vordergrund. War er noch in "Roter Drache" nur Nebenfigur und Berater des telekenetisch begabten FBI-Agenten Graham, mauserte er sich in "Das Schweigen der Lämmer" zum intelligenten Protagonisten, der ein kaum zu übertreffendes Psycho-Katz-und-Maus-Spiel mit seiner Partnerin Jodie Foster veranstaltete. Doch auch in Das Schweigen der Lämmer diente Lecter nur als Berater, er geriet erst gegen Ende des Filmes zur frei umherlaufenden Bedrohung.
Doch nun ist es anders: Hannibal Lecter flaniert auf den schönen Straßen der italienischen Stadt Florenz, beeindruckt als gebildeter Bibliothekar und scheint völlig frei dem schönen Leben verfallen zu sein. Doch der Schein trügt: Der Millionär Mason Verger hat die satte Lösegeldsumme von 3,000,000 Dollar auf ihn ausgesetzt, in der Absicht Lecter zu foltern. Sein Haß kommt nicht von ungefähr: Lecter verspeiste Vergers Gesicht, ließ den hilflosen Mann aber am Leben. Heute ist Verger ein Krüppel und mehr als unansehnlich. Dieses Lösegeld will der italienische Kommissar Piazza für sich beanspruchen. Er ist der einzige, der Lecter in Italien erkannt hat – doch es dauert nicht lange, da gehört Piazza schon zu den Opfern des Kannibalen. Und auch Clarice Starling macht sich auf, um Lecter zu fassen – und zu retten, vor den verrückten Handlangern Vergers.
Inszenatorisch zieht Regisseur Ridley Scott alle Register, setzt aber in Punkte Härte noch einen drauf: Hannibal ist wahrlich nichts für schwache Nerven. Zwar setzt er in den meisten Szenen auf Suspense, kann aber durch ein paar Splatter-Szenen derart schockieren, daß dieser Schock noch einige Stunden vorhält. Seine Darsteller sind durchweg gut: Hopkins genießt seine Rolle als brutalen Lebemann, Giancarlo Giannini gibt eine tolle Vorstellung und auch Ray Liotta und Gary Oldman (total als Mason Verger entstellt) machen ihre Sache mehr als gut. Nur Julianne Moore kann nicht an Jodie Fosters geniale Mischung aus Kühlheit und Sensibilität heranreichen. Dass mag daran liegen, daß Moores gute Szenen erst zum Finale hin kommen, in denen sie ihre Erotik spielen lassen kann. Sowieso wird sich daß Finale, aufgrund seiner (für Hollywood überraschend konsequent in Szene gesetzte) Ekelsequenz, in alle Gedächtnisse sämtlicher Zuschauer einbrennen.
Alles in allem ist Hannibal ein fabelhafter, wenn auch ungewöhnlich krasser Thriller, kaum mit seinen Vorgängern zu vergleichen. Jeder Lecter-Film ist nun mal eine Klasse für sich.