Review

Das Wichtigste zuerst: Sie haben es leider verrissen.

Man hatte zehn Jahre Zeit für eine Fortsetzung und das hebt die Erwartungen von Lesern und Zuschauern natürlich beträchtlich. Gut, ich war gestern einer dieser Zuschauer und ich mußte mir im Anschluß eingestehen, daß "Hannibal" kein guter Film ist. Keine echte Katastrophe, aber eben auch keine würdige Fortsetzung und schon gar kein guter Film.

Meiner Ansicht nach liegen die Hauptschwierigkeiten des Films in einer allzu schwachen Vorlage, ich laste aber auch Regisseur Ridley Scott an, schwere Patzer eingebracht zu haben.
Dagegen steht ein sichtlich gelöster Hauptdarsteller Anthony Hopkins, der mit einer Menge Charme, Spaß und Eleganz seine erfolgreichste Rolle wieder aufnimmt. Er ist natürlich das Zentrum des gleichnamigen Films, Hannibal the Cannibal. Wenn er die Szene betritt, beherrscht er sie auch gleich und deswegen sind wir nicht zuletzt ins Kino gegangen. Doch hier knüpft auch gleich die Hauptschwäche des Films an. Die Omnipräsenz Hannibals führt dazu, daß ihm gegenüber alles und jeder nur zu blaß wirkt und darunter leidet die gesamte Konstruktion. Denn hier fehlt es an einem angemessenen Gegner, der dem Zuschauer einen Konflikt und die daraus resultierende Spannung verschafft. Jodie Foster vollbrachte dies im Original, doch die Rolle der Clarice Starling ist in "Hannibal" mehr schmückendes Beiwerk, als wirklich in die Handlung integriert. So läuft alles über Hannibal und da wir schon von vornherein wissen, daß er am Ende nicht dran glauben muß, ist das Spannungsmoment nicht eben groß.

Die große Stärke des ersten Films, die tiefgründigen, verschachtelten, nicht so leicht zu durchschauenden Charaktere, die, um das Serienkillerrätsel lösen zu können, mit dem Teufel paktieren - für die gibt es in Hannibal kein Equivalent. Es geht nur um die Jagd auf Dr.Lecter, durchgeführt von seinem einzigen überlebenden Opfer, Mason Verger und seinen Handlangern, sowie von Starling.
Verger verliert, das steht bereits fest, was also sollte uns denn nun wirklich noch interessieren, außer einigen Bonmots Lecters, wenn er mal wieder jemanden aufschlitzt.

Ich dachte, ich würde nach "The Cell" so etwas nie wieder wünschen, aber ich hätte doch lieber noch einen, den ersten Film kopierenden, hinzugefügten, netten Serienkillerplot gehabt, dann hätte auch Starling etwas zu tun gehabt.
So holpert die Handlung ohne starken roten Faden von einem Set zum nächsten, wobei die Vorgänge in Florenz noch am interessantesten und optisch attraktivsten sind. Leider krankt hier schon die Spannung an der Vorhersehbarkeit, denn der Polizist Pazzi ist nun mal in keiner Szene ein ernstzunehmender Gegner. Wechselt dann die Handlung in die USA, führt man notgedrungen die Hauptdarsteller in einem mehr gewollten als gekonnten Dreh (beinahe) zusammen, woraufhin Lecter dann endlich von Verger gefangen wird. Doch auch hier folgt kein Kniff, kein toller Einfall, nicht einmal ausreichend Tiefe: Lector bleibt cool, als wüßte er bereits, daß Starling ihn rettet und so gerät der sorgsam aufgebaute Schweine-Showdown zu einer witzlosen 30-Sekunden-Szene. Was bleibt, ist also das finale Wiedersehen, das ja laut der Presse ach so schockierend ausgefallen ist. Leider hat der geneigte Zuschauer (also ich und alle übrigen, die sonst nicht nur Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen sehen und ihrem Freund ins Kino gefolgt sind) bis dato schon längst die Geduld verloren und betet um einen Clou. Der kommt auch, doch nur in Form eines netten Gore-Effekts, von dem wir wiederum alle schon in der Zeitung gelesen haben. Tatsächlich ist die Szene so skuril angelegt und leidet derart unter der Sedierung von zwei Dritteln der Anwesenden, daß sogar Hannibals Aktionen nur wie zäher Kaugummi wirken, die dazwischengeschnittenen anreisenden Polizeiautos fallen da nur noch ärgerlich auf. Am Ende flieht Lecter wieder einmal und läßt Clarice Starling einfach so zurück, ohne Nachbearbeitung, ohne beruflichen Folgen, ohne Schicksal und ohne Zukunft. Starling war für diesen Film eh nicht von Bedeutung und nichts zeigt die Verachtung für diesen Charakter so deutlich wie die Behandlung am Schluß. Das letzte Wort gehört Hannibal und es ist ein dummer Nachzieher in der Tradition des Orginals.

Vielleicht hätte man doch einem gewieften Drehbuchautor drei Jahre Zeit geben sollen, um eine angemessene Vorlage zum Nachzieher zu erschaffen. Stattdessen wartete alles geduldig auf Thomas Harris, nur hatte der äußerst wenig Lust, irgendetwas zu schreiben und so wirkt der Inhalt von Hannibal leicht lustlos heruntergerotzt, betont nur durch Gore-Szenen, die irgendwie in ein Vehikel Handlung eingebaut werden mußten. Was der Drehbuchautor dann aus der Vorlage gemacht hat, nennt man wohl Filterung, denn er konzentriert sich auf alle wesentlichen Details und folgt dem Roman bis auf den Schluß. Leider sollte das ein Drehbuchautor gerade nicht machen, denn wie man einen mittelmäßigen Roman (Schweigen der Lämmer fällt gegen den Roten Drachen doch sehr ab) zu einem extrem spannenden Drebuch umarbeiten kann, hat Ted Tally beim Erstling bewiesen. So bleibt das Flickwerk des Romans der des Films, ein Streifen ohne eine einzige Überraschung, die sich in den Film gut einfügt.

Wenn es an einer Vorlage hapert, muß natürlich der Regisseur ran, um das Werk zu retten, doch Ridley Scott kann bei Hannibal wirklich nicht viele Pluspunkte verbuchen. Visueller Regisseur, der er nun einmal ist, legt er auch hier Wert auf die Komposition beeindruckender Bilder, was ihm meisterlich gelingt, solange die Handlung sich in Florenz aufhält. Sonst aber beherrscht Tristesse die Szenerie und macht sich sogar störend bemerkbar.
Die Arena für Hannibals Hinrichtung ist schwach konstruiert und die Szenerie in der Union Station, als Hannibal Clarice per Handy steuert, farblos und erzwungen, ohne jeglichen visuellen Einfallsreichtum. Darüber hinaus entwickelt sich die Handlung nur schleppend, immer wieder erfolgreich behindert durch die opernhafte Musik, mit der das Werk bis zur letzten Szene zugekleistert ist.

Im Falle von Mason Verger begeht Scott sogar den Über-Fehler, diese verachtenswerte Kinderschänderfigur mit dem Hackfleischgesicht auf seinen bloßen Anblick einzureduzieren, der von Anfang an, ohne Steigerung, ständig frontal in die Kamera gehalten wird, bis er nicht mehr dämonisch, sondern comichaft wirkt.
Darüber hinaus ist es äußerst ärgerlich zu bemerken, daß obwohl er Lecter-Kenner ist und um seine Gefährlichkeit weiß, nur drei Männer engagiert, um die Hinrichtung abzusichern, was natürlich auch prompt schief geht. Über Vergers Ende breiten wir mal den dramaturgischen Mantel des Schweigens... (Ich möchte der Vollständigkeit halber noch hinzufügen, daß der Film bei weitem nicht so blutig ist, wie er angeblich sein soll und wir über die FSK ab 18 mal herzlich lachen sollten. Was gezeigt wird, ist nett, aber für den Film nicht essentiell, denn auch das Original kam mit dem besser zurecht, was es NICHT zeigte.)

Bliebe nur noch Julianne Moore als Starling, der Notnagel für Jodie Foster und so wie der Film Clarice als flach konstruiertes Relikt des ersten Teils mit sich schleppt, ohne ihr etwas Gehaltvolles zu tun zu geben, wirkt auch Moore, als wüßte sie (zurecht) nicht, was sie mit dem Part anfangen soll. Ohnehin nicht sehr ausdrucksstark, bringt sie den Film mit einem einzigen Gesichtsausdruck hinter sich, was die Farblosigkeit der Rolle nur noch mehr Auftrieb gibt. Moore war offensichtlich eine Notwahl, die akzeptiert wurde, weil man keinen Star neben Hopkins wirklich brauchte.
Auch das Casting von Ray Liotta als Krendler war ein Schuß in den Ofen, denn wenn ich einen undurchsichtigen Gegenspieler brauche, suche ich mir keinen Akteur, dem man das korrupte Arschloch auf hundert Meter Entfernung ansieht und bei dem man nur auf die kreative Spielart der Hinrichtung warten kann.

Was bleibt, ist Hopkins.
Okay, von dem bekommen wir reichlich und es ist fast alles hervorragend, soviel steht fest.
Deswegen sind wir natürlich auch ins Kino gegangen.
Aber wir wollten auch einen Kampf der Giganten, den Rückkampf Starling/Lecter.
Den haben wir nicht bekommen.
Und eine One-Man-Show wollte ich nicht sehen.
Daher muß ich den Film mit ganz knapp 5/10 bewerten, und da ich für eine würdige Fortsetzung 8/10 veranschlagt hatte, ist "Hannibal" klar unter dem Soll.
Ich denke, das wird jeder für sich herausfinden müssen. Aber sagt später nicht, ich hätte euch nicht gewarnt.

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