Review

Hmm... eine Komödie um einen jungen Schwarzen, der ein Geschäft von seinem Vater übernommen hat und dieses kurzerhand wegen Geldmangel an einen schmierigen Businessman weiterverkauft, bevor ihn moralische Gewissensbisse kneifen und er alles daran setzt, das Geschäft zurückzubekommen. Klingt verdammt modrig. Ein weiterer Streifen mit Zielpublikum Kleinkind, der in ein paar Jahren mal ins Sonntagsnachmittagsprogramm verbannt wird ob seiner unglaublichen Beliebigkeit.

Mooooment, nicht so schnell. Denn der gute Tim Story hat tatsächlich eine Story zu erzählen.

Was hat es eigentlich mit diesen Barbershops auf sich? So ganz genau kenne ich die Hintergründe auch nicht, da müsste man wohl mal die sozialkulturellen Hintergründe der afro-amerikanischen Bevölkerung der USA durchforsten. Aber grob gesagt, dient der Friseursalon den schwarzen Minderheiten seit eh und je als Kulturtreffpunkt. Das Haareschneiden an sich gerät dabei in den Hintergrund, vielmehr wird die geschäftliche Transaktion dazu verwendet, sich auszutauschen. Die „Friends“ haben ihr „Central Perk“-Café, die schwarzen US-Amerikaner gehen in Barbershops. Der Friseurberuf eignet sich für diesen Zweck besonders, denn rein wirtschaftlich ist dieser Zweig für die große Masse nur wenig lukrativ. Genau genommen ging es früher auch immer mehr um die Rasur; eine Sache, die der aufgeklärte Homo Oeconomicus nun selbst in die Hand nimmt. Die reine Dienstleistung verliert damit an Bedeutung. Also Rohr frei für die Schwätzchen. Man geht nun zum chillen und quatschen hin, während die Rasur nur so nebenbei läuft.

Filmhistorisch wurde schon früh festgelegt, wie ein solcher Barbershop auszusehen hat. Man kennt sicherlich diese Slapstick-Stummfilme, wie sie auch schon bei den Simpsons in einer Itchy- und Scratchy-Episode persifliert wurden. Technisch hat sich seitdem natürlich viel getan, aber das Bild ist immer dasselbe geblieben. Nach wie vor konnte man in Filmen wie „Der Prinz aus Zamunda“ immer mal wieder in einer Nebenhandlung einen Barbershop sehen, bei dem bevorzugt hagere, ältere Männer einem fülligen Bärtigen die Haare schneiden, während im Hintergrund ein noch Fülligerer und Bärtigerer saß und die Dialoge zwischen den ersten beiden kommentierte. Da sich also in all den Jahrzehnten nicht sehr viel an dem Bild geändert hat, spielt hier wohl die Tradition eine große Rolle.

Und die Tradition ist es, die in Tim Storys „Barbershop“ im Mittelpunkt steht.

Bei aller Tradition tickt die Uhr natürlich weiter, weshalb Ice Cube in der Hauptrolle zu sehen ist, der einen jungen, ambitionierten Kerl namens Calvin spielt. Ein junger Kerl, der den Barbershop seines Vaters geerbt hat und der zum Treffpunkt für seine Freunde geworden ist. Hier sind wir beim Kernstück, denn Tim Story konzentriert sich gemäß der Philosophie der Grundidee auf die gemütlichen Belanglosigkeiten, die sich im geöffneten Laden abspielen. Damit wird die einfache Freude am Leben zelebriert und eine grundlegend optimistische Weltanschauung an den Tag gelegt, wie sie sich nur in der Banalität des Normalen zeigen kann. Keine Ziele, kein Streben, sondern das zwanglose Hineinleben in den Tag.
Das größte Problem, gleichzeitig jedoch die größte Stärke des Films liegt darin, diese Einfachheit für den Zuschauer interessant darzustellen. Das A und O sind hier natürlich die Schauspieler und die Dialoge, die gerade nach einem Blick auf den Cast doch sehr positiv überraschen. Sieben sehr unterschiedliche Figuren begleiten uns als fest Angestellte bzw. festgewachsene Kunden durch den Film und interagieren so miteinander, dass es nie wirklich langweilig wird. Differenzen untereinander machen den Pfeffer aus, gehen aber nie unter die psychologische Oberfläche; schließlich sollte „Barbershop“ weniger ein Psychodrama als vielmehr eine Sozialstudie werden, und das ist durchaus gelungen. Beinahe in kurzen Einzelepisoden werden Sinn und Unsinn des Alltags dargelegt. Terri Jones (Eve) ist stinksauer, dass jemand ihren Apfelsaft getrunken hat, der alte Eddie (Cedric the Entertainer) stößt auf wenig Gegenliebe bei der Darlegung seiner ehrlichen Meinung in Bezug auf historische Ereignisse, während Jimmy James (Sean Patrick Thomas) in einen Konflikt mit dem einzigen weißen Angestellten des Barbershops gerät, der sich aufführt wie der schwärzeste Schwarze.
Kreuz und quer verteilen sich hier die Kommunikationsfäden in meist urkomischen Dialogen. Diese nützen natürlich nur dann etwas, wenn sie von sympathischen Darstellern vorgetragen werden. Gar keine Bedenken hatte ich bei Hauptdarsteller Ice Cube, der zwar als Geheimagent „xXx“ mopsig-grimmig-fehlbesetzt wirken mag, für die Rolle des Calvin aber goldrichtig ist. Bedenken hatte ich bei Gangsta-Bride Eve, die zwar für mich nach wie vor keine Berechtigung hat, in Filmen mitzuspielen, hier aber erstaunlich un-unsympathisch rüberkommt und nicht wirklich störend auffällt. Ein „Cedric the Entertainer“ war mir bisher kein Begriff, seinem Namen zufolge scheint er aber aus der gleichen Ecke wie Chris Rock zu kommen, und insofern macht er hier seinem Namen alle Ehre. Er erfüllt hier wunderbar authentisch die alte Klischeerolle des zeitunglesenden, dicken, alten Clowns aus dem Hintergrund, der jeden Satz mit einer witzigen Bemerkung kommentiert. Sean Patrick Thomas bleibt etwas profillos, erfüllt im Duell mit Troy Garity aber seinen Zweck.
Der Regisseur arbeitet an diesen Stellen gerne mit Nahaufnahmen des jeweils Sprechenden und unterlegter Musik aus dem HipHop- und R'n'B-Bereich, die aber nur sehr dezent das Geschehen untermalt und damit auch für HipHop-Gegner erträglich bleibt. Teilweise scheint sich Tim Story in dieser seichten Atmosphäre zu verlieren, denn mitunter wirken die Dialoge einen Tick zu weit geführt, so dass man sie sich trotz ihres erheblichen Unterhaltungsfaktors ein wenig kürzer wünschen würde. Aber in dem Moment, indem es fast schön störend wird, schneidet Story glücklicherweise immer an den angehängten Nebenstrang.

In diesem murkst sich ein gut aufgelegter Anthony Anderson durch die Straßen Chicagos und versucht, mit einem Komplizen einen gestohlenen Geldautomaten zu knacken. Dieser Erzählstrang ergibt einen angenehmen Kontrast zu den weitgehend in einem Raum spielenden Vorgängen rund um Calvin und glänzt mit wohldosierter Action und Situationskomik, die Anderson natürlich aus dem Handgelenk schüttelt wie nix. Inhaltlich zeigt dieser parallel verlaufende Weg zweier Gangster die fruchtlose Alternative zur Tradition des Barbershops und damit das Scheitern des Kommerzialismus gegenüber der Würdigung alter Werte. Zusammengeführt werden die beiden Handlungsstränge am Ende durch den fiesen Geschäftsmann, der den Barbershop aufgekauft hat (Keith David). Erfreulich ist es, dass dieser nicht öfter als notwendig ins Spiel kommt. Nur beim Vertragsabschluss, der Rückforderung des Ladens und im Finale findet er Verwendung, und das ist gut so. Wenn man noch zwischenzeitlich zusätzlich in sein Büro geschnitten hätte, während er gerade Pläne ausheckt, wie er den Barbershop umbauen will, hätte das wohl nicht wirklich genützt.

Und tatsächlich trennt sich „Barbershop“ gerade im strukturellen Aufbau von der Art Film ab, die man nach der Inhaltsangabe im ersten Abschnitt erwartet hätte. Der Regisseur schert sich kaum um die Filmdramaturgie und legt alles darauf an, das Feeling wiederzugeben, das sich bei einem Besuch in Calvins Laden einstellen würde. Da dieses Feeling auf Nichtigkeiten aufgebaut ist, kann der gewöhnliche Aufbau eines abendfüllenden Spielfilms gar nicht das Ziel sein, denn hier würde gelten, dass man auf ein Ziel zusteuert. Und genau das ist es, was in der Geschichte um Calvin und seine Buddies eben nicht zum Zuge kommen soll. Möglicherweise sind die angesprochenen leichten Mängel im Timing der Szenen daher nichts als die Konsequenz dieser Zielsetzung. Insgesamt hat man den Spagat aber sehr gut hinbekommen, denn „Barbershop“ funktioniert einerseits wie ein Film und versprüht andererseits doch Authentizität, die den Zuschauer zu einem Insider werden lässt.

Tim Storys erster großer Film ist also Optimismus und Lebensfreude pur. In beinahe anmutiger Ironie auf seinen Nachnamen verschwendet der Regisseur die Zeit nicht damit, eine bedeutungsschwangere Geschichte zu erzählen, sondern er versucht, ein Gefühl zu rekonstruieren, das sich im Dialog mit bestimmten Kommunikationspartnern unter bestimmten Gegebenheiten ergibt. Gleichzeitig ist dies ein Hinweis auf den Wert von Tradition, Freundschaft und Ehrlichkeit gegenüber den wertlosen Faktoren Reichtum, Macht und Gier. Viele sympathische Darsteller, angeführt vom charismatischen Ice Cube, lassen das Geschehen vor Witz und Freude sprühen und machen den Zuschauer zu einem Teil von ihnen.
Man muss ja nicht immer auf etwas hinauswollen...
7,5/10

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