„Hier in dem Laden scheißen sie dir auf den Kopf und du sagst auch noch: ‚Danke für den Hut!‘.“
Zum Überraschungserfolg im deutschen Fernsehen avancierte schnell die vom britischen Format „The Office“ inspirierte Comedy-Serie „Stromberg“, die im pseudodokumentarischen Mockumentary-Stil den Büroalltag um den Leiter der Schadensregulierung der fiktiven Capitol-Versicherung, Bernd Stromberg (Christoph Maria Herbst), aufs Korn nimmt und es auf fünf Staffeln brachte. Für einen Kinofilm indes fehlte das Geld, weshalb man Ende 2011 eine Crowdfunding-Kampagne erfolgreich ins Leben rief. 2014 war es dann soweit und „Stromberg – Der Film“ kam unter bewährter Regie von Arne Feldhusen („Der Tatortreiniger“) im abendfüllenden Format ins Kino.
Strombergs Filiale der Capitol-Versicherung soll geschlossen werden. Der drohenden Arbeits- und aus seiner Sicht damit Bedeutungslosigkeit versucht Stromberg zu begegnen, indem er entgegen seines ursprünglichen Plans nun doch mitsamt Belegschaft zur 50jährigen Firmenjubiläumsfeier nach Botzenburg reist, um sich dort bei der Konzernleitung für einen höheren Posten zu empfehlen. Doch auch Dauermobbingopfer Berthold „Ernie“ Heisterkamp (Bjarne Mädel) hegt ähnliche Pläne und so kommt es zum erbitterten Konkurrenzkampf zwischen beiden mit harten Bandagen. So ganz nebenbei versucht Stromberg, seine verflossene Büroaffäre Jennifer „Schirmchen“ Schirrmann (Milena Dreißig) zurückzugewinnen. Dass die Feier im Chaos endet, besorgen aber auch Nebenkriegsschauplätze wie der mitgereiste Pflegesohn (Max Kluge) des kinderlosen Ehepaars Tanja (Diana Staehly) und Ulf Steinke (Oliver Wnuk), der aus asozialen Verhältnissen stammt und nicht wirklich bereit ist, mit den Steinkes ein heiles Familienleben zu heucheln, Strombergs Konfrontation mit ehemaligen Kollegen bzw. Konkurrenten und der ganz normale Firmenfeier-Wahnsinn…
Bereits die erste und beste Staffel hatte das Büroleben, vornehmlich das Verhalten Vorgesetzter in Person des ultimativen Egomanen, Karrieristen und Opportunisten Bernd Stromberg, hinreichend und angenehm intelligent wie subtil karikiert und damit wenn nicht alles, so doch bereits das meiste gesagt. Quintessenz: Büro ist Krieg. Die folgenden Staffeln wurden daraufhin plakativer und krawalliger, stärker auf Eskalation ausgerichtet, waren aber immer noch wirklich gute Unterhaltung und eine willkommene Abwechslung innerhalb der deutschen Fernsehlandschaft. Der Kinofilm setzt nun in sämtlichen Belangen noch einmal einen drauf und versucht, aus dem miefigen Büro-Ambiente auszubrechen, um das ganz große, kinogerechte Spektakel zu inszenieren. Den Doku-Soap-Stil, der suggeriert, dass sämtliche Aufnahmen von einem Fernsehteam stammen, das die Capitol-Belegschaft dokumentarisch begleitet, behielt man dafür bei; dieser macht sich jedoch lediglich dann wirklich bemerkbar, wenn Stromberg & Co. in Einzelszenen Statements abgeben und dabei vor hinkendsten Vergleichen nicht zurückschrecken. Dieser saukomische Sprach- und Spruchwitz ist nur ein Pfeiler des „Stromberg“-Gebildes, das ansonsten hauptsächlich auf Situationskomik von leise über herrlich kindisch (was bei Möchtegern-Alphamännchen mit Anzug und Krawatte besonders lustig ist) bis aberwitzig setzt und über eine hohe Trefferfrequenz verfügt – ganz zu schweigen von all den Seitenhieben auf die Branche und ihre Protagonisten, die ganze Steifheit des Geschäftsknigges und Verlogenheit, den Sozialdarwinismus der firmeninternen Karriereleiter, die Intrigen, die Macken und Neurosen der Mitarbeiter, die „politische Korrektheit“, die sich bei genauerem Hinsehen als bloße Fassade entlarvt etc. Gern geschieht dies in Form auf den Punkt formulierter Dialoge, die vor Einfallsreichtum nur so strotzen. Generell darf man (nicht nur) den Autoren eine grandiose Beobachtungsgabe attestieren, denn erst durch die Überzeichnung einiger Verhaltensweisen dürfte sich manch Zuschauer über deren Existenz bewusstwerden. Im Mittelpunkt steht irgendwann besagte Jubiläumsfeier, die einen guten Eindruck davon vermittelt, welch, zumindest in einem großen Rahmen wie diesem, langweiliges, vollends inszeniertes Brimborium solche Feierlichkeiten sind, und zwar exakt so lange, bis sich der offizielle Teil dem Ende nährt und die Gäste sich aus Frust, Langeweile o.ä. zu betrinken beginnen, aus ihren so lange so genau einstudierten Rollen als Anzug- und Kostümträger herausfallen und ihr wahres Gesicht zeigen. Allgemeingültigere Themen sind Midlife-Krisen insbesondere der Herren der Schöpfung, fragwürdige Alleinunterhalter (Carsten Meyer) auf Festen, auch die Verballhornung des Doku-Soap-TV-Formats.
Doch all das reichte anscheinend für „Stromberg – Der Film“ nicht, weshalb man auch Sex inkl. entblößter weiblicher Oberweiten sowie eine deftige Massenschlägerei integriert. Das ist – wenngleich zum Teil reale Ereignisse der Versicherungsmisswirtschaft Pate standen – ein bisschen Zuviel des Guten; doch im Anschluss wird’s dann gar völlig absurd, wenn Stromberg sich in seinem Opportunismus zum Arbeitskämpfer und schließlich einer Mischung aus Lenin und Che hochstilisieren lässt und damit zur bundesweiten Protestikone wird, bis er sich schließlich in die Politik abseilt. Diese im Zeitraffer ablaufenden Ereignisse scheinen mir jedoch bewusst einen anderen Stil anzunehmen und setzen sich satirisch mit der Politik und ihren Heuchlern zusammen, in die ein Stromberg ebenso gut wie in die Versicherungsbranche passt – wenn nicht gar besser. Mit dem Gastauftritt Frank-Walter Steinmeiers (Frank-Walter Steinmeier), der zunächst überflüssig und nervig auf mich, im Nachhinein jedoch wie ein schöner Seitenhieb auf die ebenso überflüssige und nervige SPD wirkt und ich mir vorstellen kann, dass Steinmeier gar nicht ahnt, in was er da hineingeraten ist, schließt sich dann der Kreis zum Prolog, denn die eigentliche Handlung war im Prinzip eine ausgedehnte Rückblende. Um es auf den Punkt zu bringen: Für Freunde der Serie ist eigentlich alles drin, wenn auch manch einer den klassischen Büroalltag vermissen wird, der nur kurz am Rande stattfindet. Sämtliche bedeutenden Charaktere der Serie geben sich noch einmal ein Stelldichein, von „Sabbel“ (Marja Beckmann) über „Tuberkel“ (Tatjana Alexander) bis Turçulu (Sinan Akku?), und zugegebenermaßen manchmal etwas ruckartige Wechsel im Verhalten zeigen die Ambivalenz der Rollen, die ohne unzweifelhafte Sympathieträger auskommen, und ihre Unberechenbarkeit auf. Ich habe im Kino mitunter schallend gelacht, habe mich einmal mehr über Christoph Maria Herbsts großartige schauspielerische Leistung gefreut (nicht zu vergessen Bjarne Mädel!) und hatte noch Stunden später den Ohrwurm „Lass das mal den Papa machen“ von Stefan Raab im Ohr. Eine gelungene Leinwand-Portierung der Serie, von der man allerdings nicht den leiseren Humor der ersten Staffel erwarten sollte, die allerdings trotzdem viel zwischen den Zeilen bzw. Bildern zu lesen bietet. 7,5 von 10 Firmenwerbespotpremieren gebe ich noch unter dem Eindruck des Kino-Spaßes stehend, kann mir aber gut vorstellen, dass das Spektakel in den eigenen vier Wänden dann doch etwas einbüßt, denn Krawall und Absurdität ersetzen im Zweifelsfall dann eben doch nicht den Charme des Subtileren.