Review

Das Sequel zum Horrorklassiker “Frankenstein” gilt unter vielen Experten als ein solches aus der seltenen Gattung derjenigen Sequels, die ihren Vorgänger zu übertreffen vermögen. Dieser Einschätzung kann man sich durchaus anschließen, ist “Bride of Frankenstein” doch alles in allem spritziger, einfallsreicher, aufwändiger, komplexer und themenübergreifender als sein großer Bruder.

Regisseur James Whale, der schon den ersten Teil realisiert hatte, wollte es eigentlich auch bei diesem belassen. Nun traue ich mich gar nicht, dies auszuschreiben, aber lobet das Testpublikum, das dem Regisseur in Sachen alternatives Ende ins Handwerk pfuschte, und lobet die Masse, die nach mehr giert, wo es Gefallen an einer Sache gefunden hat, was aus künstlerischer Sicht in der Geschichte des Films ja nicht immer gut gegangen ist. “Frankenstein” wäre mit dem Tod Frankensteins in der brennenden Mühle, also ohne den sinnlosen nachgedrehten Epilog mit dem sich auskurierenden Wissenschaftler in der Schlussszene sicherlich der bessere Film gewesen, aber so bescherte uns das Schicksal nun einen erneuten Klassiker, der obendrein zu den besten Filmen gezählt wird, die Universal in den 30er Jahren zu bieten hatte.

Handlungstechnisch hat man sich inzwischen ziemlich weit von der ursprünglichen Idee der Entstehung des Monsters und den daraus resultierenden faszinierenden Diskursen gelöst. Obgleich Teile der aufgebrachten Dorfmeute im Film immer wieder darauf hinweisen, dass es ja eine aus Leichenteilen gemachte Kreatur ist, die hier gejagt wird, steht dieser wissenschaftlich begründete Grundgedanke des Romans nicht mehr länger im Vordergrund. Die erneut von Boris Karloff hervorragend verkörperte Kreatur sollte sich im zweiten Teil weiterentwickeln und die Eierschalen ihrer Entstehung abstreifen, um sich nun mit der Welt und ihren Schikanen auseinanderzusetzen. Das Monster steht diesmal vollkommen im Zeichen der Wandlung, provoziert durch die Umwelt. Damit wäre auch endgültig die “abnormal brain”-Problematik aus dem ersten Teil abgeschlossen: Whale zeigt ein für allemal, wie ein Lebewesen durch sein Umfeld zu bestimmten Handlungen gedrängt wird, nicht durch seine genetische Beschaffenheit.

Nach einem kleinen Clou aus der Eröffnungssequenz, die Mary Shelley und Frankensteins Braut mit einer neuen Verbindung ausstattet, knüpft die Handlung durch eine Rückblende direkt an die Handlung aus “Frankenstein” an. Wir sind wieder bei der brennenden Windmühle und bemerken zunächst einmal einen verwunderlichen und auch gewöhnungsbedürftigen atmosphärischen Stimmungswandel: Wo das Original sich in Sachen Humor fast vollständig zurückhielt, bringt das Sequel durch schrullige Charaktere plötzlich enorm viel Ironie ein. Whale schneidet geschickt in die Masse und pickt sich scheinbar zufällig ein Individuum aus dem Mob heraus, um es in ihrer Reaktion auf die langsam ausbrennende Mühle zu beobachten. Isoliert von allen Einflüssen scheint es sich hier um eine verrückte alte Schachtel zu handeln, die ihre sich Vorurteile offenbar schon vor langer Zeit zurechtgelegt hat. Dieses alte Waschweib, das auch ohne Rücksicht auf Verluste als solches dargestellt wird, wird von der Kamera nun eine ganze Zeit lang verfolgt, während das Monster durch eine Wasseransammlung im Keller der Mühle überlebt hat, den Vater des im ersten Teil getöteten Mädchens und dann auch die Mutter aus seiner Verzweiflung und Verwirrung heraus umbringt, bis es vom Mob wieder eingefangen und eingesperrt wird. Die Reaktion des Weibs wird penibel verfolgt, und anhand der übertriebenen Darstellung der Schauspielerin und ihrer Dialoge wird eine Komödie aus dem Film, wo immer sie auftaucht. Whale macht sich gezielt lustig über die blinden, eingeengten Handlungsschemata von Menschen, die in Massen handeln und nicht mehr dazu in der Lage sind, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden.

Diese komödiantischen Aspekte verschwinden zwar später zugunsten der Dramatik, sorgen in der Anfangsphase aber für ein ordentliches Tempo und viel Abwechslung. Zugleich sorgt Charles D. Hall für stimmungsvolle, kreative Kulissen, die gerade zum Ende hin “Frankenstein” deutlich sichtbar übertreffen. So ist “Bride of Frankenstein” durchgehend der temporeichere, optisch attraktivere Film, auch wenn die “Gruselschloss bei Sturm”-Atmosphäre anfangs noch etwas unter der Komödie leidet - das sind Kompromisse, die man so wohl hinnehmen muss.

Für Karloffs Figur entwickelt sich die Geschichte beinahe zu einer frühen Form eines Road Movies, wird sie von den Drehbuchautoren doch hinaus in die Welt geschickt, um dort Erfahrungen zu sammeln, was selbstverständlich für die obig angesprochene Grundidee positiv zum Tragen kommt. Bewusst wird das Monster von seinem Schöpfer und damit von seinen Ursprüngen durch eine parallele Erzählweise abgetrennt, um eigene Erfahrungen mit der Welt zu machen und nicht unter künstlichen Bedingungen das von ihm eigentlich ungewollte Leben (“I love dead... hate living”) zu schmecken. Der Grundtenor bewegt sich deutlich gen Sozialanalyse und gleicht streckenweise gar schon einer Kaspar Hauser-Situation. Das tragische Wesen des Monsters tritt stärker ins Bewusstsein des Publikums, wann immer sich Frankensteins Kreatur lächelnd und gutmütig hinterrücks einem unbedarften Menschen nähert, um diesen anschließend durch sein reines Äußeres zu Tode zu erschrecken und damit abgewiesen zu werden - was im Endeffekt den Gemütszustand der Wut hervorruft. Dabei verurteilt Whale nicht etwa blind die Menschen, die eine solch unbegründete Furcht vor dem Monster zeigen. Die vermeintlichen “Opfer” des Monsters sind in Motive der Unschuld gehüllt - der Vater ist nur ein trauernder Mann, der Rache für sein Kind will, und das junge Mädchen im Wald hegt keinerlei düstere Gedanken, als es voller Lebensfreude mit ihren kleinen Zieglein durch das Grün spaziert. Und doch erschrecken diese wenigstens von Geburt aus guten Menschen vor der entstellten Kreatur, die sich ihnen entgegenstellt - es ist die Kollaboration im sozialen Austausch, die nicht nur das Monster, sondern auch die Menschen zu grausamen Taten zwingt.

Es bedarf nun eines blinden Menschen, um das Monster auf ein Lebewesen stoßen zu lassen, das ihm nicht von vornherein mit Hass und Furcht begegnet, eines Mannes, der nicht über die Instrumente zur Vorurteilsbegründung verfügt. An dieser Stelle des Films scheiden sich nun die Geister, ob die Entwicklung, die das Monster durch diese Begegnung macht, nicht einen Schritt zu weit geht, und sie tut es vielleicht sogar. Denn das Monster, das sich bislang nur durch Grunzlaute verständlich machen konnte, erlernt die Fähigkeit der mündlichen Kommunikation, und mit ihr einher geht die Fähigkeit der Differenzierung zwischen bestimmten Sachverhalten, eine logische, vollkommen rationale Einschätzung weltlicher Gegenstände konkreter (Zigarre, Wein, Brot, Feuer) oder abstrakter (Freund, gut, böse) Herkunft. Dieser Schritt, übrigens gar nicht mal so unähnlich dem, den George A. Romero Jahrzehnte später mit “Day of the Dead”, dem dritten Teil seiner Zombie-Trilogie gewagt hat, hat leider durchaus Konsequenzen für die atmosphärische Dichte des Films. Durch die zunehmende Vermenschlichung der Kreatur verliert diese einen Teil ihrer mysteriösen, fremdartigen Ausstrahlung und damit auch einen Teil ihrer Wirkung auf das Publikum. So sehr sich Karloff, der übrigens gegen Textpassagen für seine Figur war, mit seinem gut aufgelegten Schauspiel auch dagegen anstemmen mag, an die umfassende Leinwandpräsenz, die er noch 1931 erreicht hatte, kommt er nicht mehr heran. “Frankenstein” mag daher im Gesamtbild aus atmosphärischer Sicht der wirkungsvollere Film sein. Was hier aber gerne vergessen wird, ist der Umstand, dass Whale die Atmosphäre seines Erstwerks durchaus hätte rekonstruieren können, wenn er gewollt hätte. Sie wurde lediglich ein Stück weit geopfert, um neue Elemente einbauen zu können, die dem Sequel rückblickend einen Mehrwert verschafften. Defizite gegenüber dem Original entstanden also wahrscheinlich nicht aus Unvermögen, sondern lediglich als Resultat eines Kompromisses zur Neuerfindung der von Mary Shelley erdachten Geschichte.

Diese Neuerfindung hat ihre Entsprechung in der Titelfigur, der “Bride of Frankenstein”, die über weite Strecken nur als theoretischer Gedanke vorkommt, bis sie am Ende auf Drängen des Monsters in die Praxis umgesetzt wird. Dieses Drängen folgt aus den Erfahrungen, die es bei seiner Reise durch die Landschaft machte, als ein Resultat der Feststellung, dass es “gute” und “böse” Dinge auf der Welt gibt. Die Tatsache, dass das Monster aus seiner eigenen Lage nicht gelernt hat und stattdessen nur ein weiteres Exemplar seiner unglücklichen Gattung fordert, macht die vollkommene erzählerische Genialität dieses Films aus, welche “Frankenstein” an bestimmten Stellen noch fehlte. Aus “gut” und “böse” wird so eine graue Masse, denn in der Absicht, Gutes zu tun (vor allem für sich selbst, aber es ist in erster Linie keine egoistische Handlung: Das Monster folgert seine Entscheidung ganz einfach aus der simplen Gleichung “Freundschaft = gut”; es wägt nicht etwa Vor- und Nachteile für sich selbst ab), stürzt das Monster nur ein weiteres Lebewesen in das gleiche Unglück, das es selbst durchleben musste. Der Moment der Erkenntnis schlägt ein, als sich beide gottlos erschaffenen Kreaturen erstmals gegenüberstehen. Das einmal mehr spektakuläre Finale mit einer Sprengung der Burg folgt dieser Erkenntnis und führt ein logisches und stimmiges, wenn auch vorhersehbares Ende mit sich, das - wie schon beim Original - durch Testvorführungen noch einen verstärkten Happy End-Touch zugeteilt bekam.

Unerwähnt bleiben sollte zuletzt auf keinen Fall die tricktechnische Meisterleistung, die hier bisweilen zu sehen ist. Während Ken Strickfaden die Sets mit allerlei Gerätschaften und pyrotechnischen Effekten füllte, die “Frankenstein” locker in den Schatten stellen, erschufen John Fulton und David Horsley eine unglaubliche Bildmanipulation in einer Szene, in der Dr. Pretorius (Ernest Thesiger) Dr. Frankenstein (wieder Colin Clive) davon überzeugen will, eine weibliche Kreatur aus Leichenteilen zum Leben zu erwecken. Zu diesem Zweck führt er kleine Männchen in Einmachgläsern mit sich, die er anlehnend an die Naturwissenschaften (im Gegensatz zur Gottspielerei) erschaffen hatte. Die hier gebotenen Effekte sind für das Alter der Filme unglaublich und werden lange Zeit State of the Art gewesen sein: Die putzigen kleinen Männchen büchsen aus ihren Gläsern aus und Pretorius schnappt sie sich zwischen Daumen und Zeigefinger und setzt sie wieder in ihr Gemach. Mit dieser tricktechnischen Genialität wird im Subtext auch erneut der Streit mit religiös motivierten Zensoren deutlich, denn auch diesmal verzichtete Whale nicht auf seine “Gotteslästerung” und auch diesmal blieb der Film leider längere Zeit nicht von Schnitten befreit.

Was mich betrifft, ist “Bride of Frankenstein” im Vergleich mit “Frankenstein” der noch bessere Film, weil er nicht nur optisch attraktiv und auf höchstem Niveau umgesetzt wurde, sondern auch erzählerisch in Sphären vorstößt, von denen man noch vier Jahre vorher wohl kaum zu träumen gewagt hätte. Massive Ungereimtheiten sind eigentlich kaum zu finden, und am Ende fügt sich alles mit einer Harmonie zusammen, die “Frankenstein” noch gefehlt hatte. Der jedoch hat in Sachen Atmosphäre sicherlich die Nase vorn, präsentiert er das Monster doch deutlich mysteriöser und gewissermaßen auch faszinierender. Man sollte selbst entscheiden, welche Richtung man bevorzugt.

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