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„Ich hab noch nie im Leben solche Angst gehabt!“

Der Brite Pete Walker, zunächst vornehmlich Erotik-, dann Horrorfilmer, erregte in den 1970ern mit Filmen wie „Frightmare – Alptraum“ und „Das Haus der Peitschen“ Aufsehen. Zwischen seinen Filmen „Amok“ und „Verurteilt wegen Liebe“ drehte er im Jahre 1978 den Horrorfilm „Zeuge des Wahnsinns“.

Pop-Star Nick Cooper (Jack Jones, „Die unglaubliche Reise in einem verrückten Raumschiff“) hat sich zugunsten seiner Ehe aus dem Musikgeschäft zurückgezogen. Nachdem diese jedoch in die Brüche gegangen ist, kommt ihm die Erbschaft eines alten Landeshauses inklusive eines älteren Hausangestellten-Ehepaars (Walker-Stammschauspielerin Sheila Keith, „Frightmare – Alptraum“ und Bill Owen, „Satanas - Das Schloß der blutigen Bestie“) gerade recht. So beschließt er, aus seinem Penthouse aus- und dort einzuziehen, um von dort zusammen mit seinem Produzenten Webster Jones (David Doyle, „Drei Engel für Charlie“) sein Comeback zu planen – nichtsahnend, dass seine Ex-Frau Gail (Holly Palance, „Rocket Man“) ihn noch einmal aufsuchen möchte, jedoch im Penthouse von einer mysteriösen Gestalt, die sich wie eine alte Dame zurechtgemacht hat, brutal ermordet wird. Cooper bändelt unterdessen mit Doyles Angestellter Linda (Pamela Stephenson, „Les Patterson rettet die Welt“) an. Nachts im weitläufigen Landhaus vernimmt er jedoch unheimliche Geräusche, Stimmen und Geschrei. Scheinbar ist er der einzige, der sie hört. Droht er, den Verstand zu verlieren?

Walker bleibt sich treu und reaktiviert ein weiteres Mal eine Handlung um ein vermeintliches Haunted House und verschrobene alte Menschen, überholte, erzkonservative Moralvorstellungen und brutale Selbstjustiz (vgl. „The Flesh & Blood Show“, „Frightmare – Alptraum“, „Das Haus der Peitschen“). Das mag nicht sonderlich originell, aber augenscheinlich sein Lieblingsthema als Abrechnung mit einer doppelmoralischen Gesellschaft sein und wenn die Umsetzung stimmt, bin ich der letzte Genre-Fan, der sich davon nicht gern unterhalten lassen möchte. Melancholische bis unheimliche Flötenklänge zu Beginn beschwören eine mysteriöse Stimmung herauf, bevor Nicks Ex-Frau grafisch explizit von jemandem in Alter-Damen-Maskerade zerhackstückt wird. Während sich die eigentliche Handlung langsam entspinnt, der Zuschauer von Nicks Comeback-Plänen erfährt und die einzelnen Charaktere eingeführt werden, zeigt Walker immer wieder die unbeachtet auf der Treppe liegende Leiche Nicks Ex-Frau inklusive ihres Verwesungsprozesses. Erst im Laufe der Zeit erfährt der Zuschauer, um wen es sich überhaupt handelt, was direkt mit einem mittlerweile auch von Klaviermusik begleiteten Whodunit? einhergeht.

Parallel dazu soll Nick offenbar in den Wahnsinn getrieben werden, woran für den Zuschauer nie ein Zweifel, besteht, für sein Umfeld jedoch durchaus. So schaurig nicht nur das nächtliche Lauschen unheimlicher Stimmen, sondern darüber hinaus die Konfrontation mit einer Leiche vor der Zimmertür auch sind, die daraus resultierenden Dialoge sind einer von mehreren Anlässen für kleinere dramaturgische Längen. Wunderbare Suspense-Szenen gelingen Walker indes, wenn er z.B. Nicks Freund Harry die Leiche finden und selbst ins Visier des Mörders geraten lässt. Ob es hingegen zielführend ist, Webster zwischendurch als Fummeltrine zu zeigen (vermutlich um ihn zusätzlich verdächtig zu machen, was aus heutiger Sicht etwas irritiert), sei hingegen einmal dahingestellt. Bevor Nick erneut nachts eine schluchzende Stimme vernimmt, ihr nachgeht und eine verwesende Leiche im Keller findet, woraufhin er in ärztliche Behandlung kommt, wird der Zuschauer erstmals mit der in Bezug auf Partnerschaft sehr altmodischen Einstellung der Hausangestellten konfrontiert, die es unerträglich finden, dass Nick eine neue Freundin mit in das Haus bringt.

Am Ende wird dann die auch für Nichtkenner typischer Walker-Handlungen nicht sonderlich schwer zu erratende Fragen nach dem Mörder gelüftet, wobei die nach dem Motiv schon interessanter erscheint und den Film ein Stück weit aufwertet. Dass Walker es nach einigen wenigen splatterigen Gewaltspitzen hier noch einmal krachen lässt und neben Action schön-schaurige Ideen wie lebendig eingemauerte Menschen und wie auf einem Altar aufgebahrte Leichen (was sich zu einem typischen Slasher-Subgenre-Charakteristikum entwickeln sollte) einbringt, lässt Freunde der kruden Horrorshow frohlocken und versieht den Film mit einer Note von Traurig- und Bitterkeit. Auch die Schlusspointe, die sich an Websters typisch britischen Zweckoptimismus anschließt, möchte ich als gruselig und gelungen bezeichnen. Alles in allem weiß „Zeuge des Wahnsinns“ gut zu gefallen, sofern man eine gewisse Vorliebe für den Horror der 1970er im Allgemeinen und den Walkers im Speziellen hat. Allerdings muss sich Walker gefallen lassen, die Tätersuche arg einfach und sogar etwas einfallslos gestaltet zu haben; zudem hätte ich mir aufgrund der Handlung mehr Einblicke ins Pop-Milieu gewünscht – wenn man mit Jack Jones schon einen echten Schnulzensänger als Hauptrolle verpflichtet hat.

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