Ja, wer hätte das gedacht: Auch in Dänemark gilt das Gesetz der Fortsetzung im Fall eines Erfolgs. Und weil “In China essen sie Hunde” in einem Massaker endete und viele liebgewonnene Figuren dahingerafft wurden, machte man aus dem Sequel einfach ein Prequel: “Old Men in New Cars” erzählt die Zeit, bevor Arvid sich entschloss, vom netten Langweiler zum skrupellosen Verbrecher zu werden.
Arvid-Darsteller Dejan Cukic ist diesmal ausgerechnet als einziger nicht mehr im Cast; mit so ziemlich allen anderen gibt es aber ein Wiedersehen. Erneut raffen sich Harald (Kim Bodnia), Martin (Nikolaj Lie Kaas), Peter (Tomas Villum Jensen) und Vuk (Brian Patterson) zusammen, um gemeinsam ein Ding zu drehen - natürlich nur, weil Harald es so will. Die beiden Köche haben sich inzwischen eigentlich entschlossen, nur noch Köstlichkeiten zuzubereiten (wobei wir in einem Prequel zum Prequel sehen würden, dass sie früher vollwertige Komplizen Haralds waren), und Vuk will sowieso einfach nur in Ruhe gelassen werden und seinen Lebensunterhalt knapp über dem Existenzminimum halten. Aber wenn Harald was sagt, dann wird das halt ohne Gegenwehr gemacht... man kennt ja den Harald, nich?
Weshalb das Prequel “Old Men in New Cars” getauft wurde, ist mir dabei etwas unklar, denn weder hat die Handlung etwas mit alten Männern zu tun (abgesehen von Jens Okking, der den todkranken Monk spielt und die Story durch seinen letzten Wunsch überhaupt ins Rollen bringt) noch mit neuen Autos. Was man daraus lesen kann, ist eine Anspielung auf den Forsetzungsstatus des Films: So wären die “Old Men” eben die vier Kleingangster, die man ja schon aus “In China essen sie Hunde” kennt, und die “New Cars” bezeichnen eben das neue Vehikel, in dem sie sich fortbewegen, also das China-Prequel und der darin enthaltene Auftrag. Lasse Spang Olsen weiß also möglicherweise um die Gefahren, die eine Filmreihe birgt: Abnutzung, Einfallslosigkeit und keine neuen Ideen.
Glücklicherweise besitzt der Cast durch den äußerst witzigen Vorgänger genug Unterhaltungspotenzial, um ein flottes Filmchen zu garantieren, zumal damals immer wieder auf Vergangenes angespielt wurde. Der Film setzt an der Stelle ein, wo Martin und Peter ohne Haralds Einverständnis Vuk als Elektriker einstellen. Die Bande geht also quasi in Formation und rauft sich zu dem zusammen, was sie dann ist, als Arvid dazustößt: Eine Harald-Monarchie.
Zur Kompensation von Arvid stößt nun ein weiterer schräger Vogel zur Truppe, nämlich der psychisch total geschädigte fünffache (am Ende des Films sind’s mehr) Frauenmörder Ludvig (Torkel Petersson). Er ist der leibliche Sohn von Monk, dem Ziehvater Haralds, der den um diesen letzten Gefallen bittet, seinen Sohn einmal zu sehen, bevor er stirbt. Problem: Ludvig sitzt im Knast. Aber für Harald ist das kein Problem, denn wir wissen ja, wie er es liebt, schräge Dinger zu drehen, ohne Fragen zu stellen. Ein netter Kerl...
Die Story ist also nicht minder absurd als die des handlungskausalen Sequels. Olsen versteht es hier noch (im Gegensatz zum langatmigen “The Good Cop”), das von ihm selbst ins Leben gerufene Rezept zu variieren, ohne dabei wirklich mal die Qualität seines 1999er-Werkes zu erreichen. Die Eckpfeiler sind aber erhalten geblieben. So ist “Old Men in New Cars” immer noch im höchsten Maße moralisch fragwürdig, was noch intensiver auffällt als bisher. Es ist sogar etwas kurios, dass “In China essen sie Hunde” eine Freigabe ab 18 erhielt und sein Prequel schon von 16-Jährigen konsumiert werden darf; schließlich war die 18er-Freigabe nicht auf explizite Szenen, sondern eindeutig auf die Selbstverständlichkeit der Gewaltdarstellung zurückzuführen, und die ist auch unberührt an “Old Men in New Cars” haften geblieben. Doch wiederum darf man sich auch hier eingeladen fühlen, über die eigentlich menschenverachtenden Vorfälle herzlich zu lachen, was an der Konstruktion des Gezeigten liegt. Wer sich hier über politische Unkorrektheit echauffiert, wird wohl auch generell mit schwarzen Komödien nicht viel anfangen können. So mutiert Vuk, Angriffsziel diverser rassistischer Attacken des noch durchgeknallter gewordenen Harald, endgültig zur Comicfigur, als er nach schweren Unfällen im Ganzkörpergips herumläuft.
Der neue Charakter Ludvig verstärkt allerdings die Lage noch ganz extrem durch seinen Hang, Frauen umzubringen, womit er sich gut ins Filmkonzept einbringt, denn was gibt es Schlimmeres als die Demütigung des weiblichen Geschlechts? Ludvig-Darsteller Torkel Petersson versteht es dabei, die Selbstverständlichkeit seines Tuns zu demonstrieren, denn seine Rechtfertigungen nach einer Tat (“Na ja, ich kam hier vorbei und sie ist hingefallen.”) wirken nicht einmal so, als wolle er damit überhaupt jemanden überzeugen. Das wiederum überträgt sich auf Harald, bei dem nun die Reaktion auf die psychisch total kranken Anfälle Ludvigs interessant ist - er nimmt sie ganz locker hin. So sind wir wieder beim alten Thema, nämlich der Normalität im Angesicht des Verbrechens, dessen erste Charaktereigenschaft eigentlich genau das Gegenteil von Normalität ist.
Leider wird bei der Ludvig-Figur einiges verspielt, als dann die exzentrische Mille (Iben Hjejle) in sein Leben tritt, ihm den Kopf verdreht und damit alle Serienkillerfilmklischees bedient. Dass eine ganz spezielle Frau diesen verdrehten Menschen läutern kann, haben wir schon zu oft gesehen, als dass es auf eine positive Art überraschen könnte.
Die Balkanmafia rund um Slavko Labovics proletenhaften Anführer Ratko ist aber wenigstens wieder da, um von außen etwas Druck zu erzeugen, und das weinerliche Acting der beiden Köche macht auch wieder Spaß - hier handelt es sich einfach um wundervoll konzipierte Figuren, die auch beim zweiten Mal noch überzeugen können. Vuk allerdings hat durch seine fast übertriebene Malträtierung allerdings ein wenig von seinem Mitleidsappeal verloren.
Ansonsten wirkt “Old Men in New Cars” oft eher wie eine Actionkomödie als ein Gangsterfilm. Das Tempo ist ziemlich rasant und die Stunts des ersten Abenteuers werden an Aufwand klar getoppt. Die Flugzeugszenen erinnern in ihrer chaotischen Beschaffenheit manchmal gar an “Transporter 2", während der Plan zur Befreiung von Ludvig aus dem Hochsicherheitsgefängnis schon mehr von “Mission: Impossible” hat als von der simplen C4-Sprengung bei der Befreiung des Bankräubers Franz. Ob der hier gestiegene Aufwand den Film besser macht, ist fragwürdig, aber für Unterhaltung ist durch das angehobene Tempo allemal gesorgt.
Im Endeffekt entbehrt “Old Men in New Cars” der bissigen Pointe des Vorgängers, die diesen überhaupt so tiefschwarz und gemein gemacht hat. Die Fortsetzung ist etwas für diejenigen, die Harald & Co. in ihr Herz geschlossen haben und sie einfach mal wieder in Aktion erleben wollen. Cineasten, die sich neue Schübe erhoffen, werden aber wohl mit aller Wahrscheinlichkeit enttäuscht. Denn weder wird so richtig mit den Schemata einer Fortsetzung gespielt, wie man durch den Titel noch hatte annehmen können, noch wird eine sonstige Weiterentwicklung geboten. Olsen liefert eine astrein variierte Kopie seines Hits - wer mehr nicht verlangt, sollte eigentlich auf seine Kosten kommen.