Review

"Pompeii" gehört zu den wenigen Orten der Geschichte, die eine sofortige Assoziation auslösen - Vulkanausbruch, vollständige Zerstörung, aber auch Ausgrabungsstätte und hervorragend erhaltener Lebensraum aus dem ersten Jahrhundert nach Christus. Einen solchen Ort im Film wieder auferstehen zu lassen, lag nah - schon Sergio Leone führte in dem 1959 entstandenen Film "Gli ultimi giorni di Pompeji" (Die letzten Tage von Pompeji) Co-Regie, in dessen Mittelpunkt Steeve Reaves als römischer Legionär stand, der in einen Konflikt um verfolgte Christen hineingezogen wird.

Mit solchen Problemen wollte sich "Resident Evil" - Regisseur Paul W.S.Anderson nicht auseinandersetzen, sondern verfilmte eine Story, die einfach die populärsten Elemente aus dieser Zeit zu einem Potpourri der Antike zusammenfügte: unter der Drohkulisse des kurz vor dem Ausbruch stehenden Vulkans agieren fiese, machtgierige Römer, vertreten durch Kiefer Sutherland als Senator Corvus, der keine Hemmungen hat, Frauen und Kinder niederzumetzeln. Ihm gegenüber steht der edle, muskelbepackte Kämpfer Milo (Kit Harington), der als Kind als Einziger seines keltischen Reitervolks ein Massaker überlebte und von den Römern als Gladiator zu mörderischen Gefechten im Zirkus gezwungen wird. Als sein Gegner wurde der bisher unbesiegte Hüne Atticus (Adewale Akinnuoye-Agbaje) auserwählt, der später zu seinem Freund wird, und als Love-Interest fungiert die schöne, heutige Modelmaße aufweisende Tochter aus gutem pompejischen Hause, Cassia (Emily Browning), die ihr Herz sofort an Milo verliert.

Mit historischen Verhaltensmustern haben diese, aus dem aktuellen Girlie/Helden-Katalog stammenden Charaktere nichts zu tun. Milo verbreitet auch nach jahrzehntelanger Gefangenschaft und Unterdrückung den Eindruck eines frisch aus dem Fitnessstudio mit angeschlossenem Haarstyling-Studio entsprungenen Jünglings, der noch genug Zeit für eine anständige Ausbildung hatte, um das hochgestellte Töchterchen mit Einfühlungsvermögen und Nahkampftechnik beeindrucken zu können. Cassia, deren Kleidergröße wenig Überlebenschancen in dieser Zeit versprochen hätte, verhält sich wie eine moderne, finanziell unabhängige junge Frau, die mit den reichen Schnöseln in Rom nichts anfangen kann und lieber mit einem Gladiator (genregerecht von den Römern „Wilder“ oder „Sklave“ gerufen) anbändelt, der sich als "Pferdeflüsterer" entpuppt. Auch ihre toleranten Eltern stehen trotz massiver wirtschaftlicher Interessen solchen Neigungen ihrer Tochter nicht entgegen und widersetzen sich dem Ansinnen des Senators, die hübsche Cassia heiraten zu wollen.

Angesichts dieses Verzichts auf jede Authentizität überrascht es nicht mehr, dass die Stadt Pompeji ebenso frei ersonnen aus den Tiefen der Computertechnik auferstanden ist und sich nur rudimentär an die archäologischen Erkenntnisse hält. Neben dem beeindruckenden Stadion und dem überdimensionalen, direkt am Fuße des Vesuv gelegenen Elternhaus der holden Cassia wurde der ursprünglich im Landesinneren gelegenen Stadt ein schicker Hafen samt direktem Meerzugang zugefügt, um neben dem Vulkanausbruch auch noch Tsunami-Feeling zu verbreiten. Dank des pulsierenden Bergs und ständiger Gefechte, bleibt der Body-Count zwar hoch, aber die Kamera sieht nicht explizit hin und zuviel Blut wird auch nicht vergossen - das antike Katastrophendrama sollte schließlich noch familientauglich bleiben.

Die Intention der Macher ist wenig geheimnisvoll. Mit moderner 3-D Technik sollte der berühmte Vulkanausbruch publikumswirksam in Szene gesetzt werden, der 79 nach Christi zur Zerstörung Pompejis führte. Eine unterhaltende Story um dieses Ereignis zu spinnen, ist legitim, aber die Macher setzten zu sehr auf eindimensionale, sich vorhersehbar entwickelnde Charaktere aus dem Kino-Baukasten, weshalb der Film trotz des behaupteten Bezugs zur Antike austauschbar bleibt und getragen vom Bombastsound im Hintergrund zunehmend an Attraktivität verliert. "Pompeji" macht auf der großen Leinwand zuerst einiges her und wird sein Popcorn-Publikum finden, aber letztlich spielt es hier keine Rolle, ob es sich um einen Vulkanausbruch oder ein Alien-Raumschiff handelt - hauptsache es kracht schön und den Protagonisten fliegen die CGI-Brocken um die Ohren. (4/10).

Details