Staffel 1 und 2
Ich habe die Serie durch Zufall auf Netflix erspäht und dachte mir, versuchen wir das mal, diese Serie ist wohl an mir vorbei gegangen.
Zwei Staffeln später bin ich irgendwie zwiegespalten, aber wurde dennoch gut unterhalten. In der Tat ist es erstmal merkwürdig, dass diese Serie so wenig beworben wurde; im Falle von Ausstattung und Aufwand ist sie, wie von BBC gewohnt, eine echte Pracht und wenn auch sicher nicht historisch korrekt, so doch im ganzen Kontext authentisch, auch die Kostüme, es ist ein stimmiges Ganzes. Die Kameraarbeit gibt sich redliche Mühe und umschifft so gut es geht die Serienherkunft. Lediglich bei den Kampfszenen wird man daran erinnert, es hier mit dem TV-Medium zu tun zu haben, denn spektakulär sieht anders aus; die Dynamik wird mehr schlecht als recht von der hektischen Kamera vorgegaukelt, raffinierte Kämpfe gibt es nicht. Dafür viel Geballer und Szenen mit beachtlichem Statistenaufwand. Nur das kindgerechte Rating steht den flotten Scharmützeln manchmal im Weg, denn Blut fließt selten bis gar nicht, was manchmal doch groteske Formen annimmt; die Gegner werden zu Dutzenden aufgeschlitzt, doch Kleidung und Degen bleiben stets sauber. Soviel also zur optischen Form.
Die drehbuchtechnische Herangehensweise: auf Nummer Sicher. Lieber ein Klischee zuviel als zu wenig. Das kann durchaus funktionieren, schließlich hat man gewisse Erwartungshaltungen.
Die Darsteller machen weitestgehend eine gute Figur, die Musketiere selber sind schön bunt besetzt und die Rollen werden gut ausgefüllt. Selbst Luke Pasqualino, der die undankbare Rolle des soften Frauenhelden D'Artagnan spielt, verleiht seinem Charakter Glaubwürdigkeit und Charme und nicht den befürchteten Kitsch.
Warum also zwiespältig fühlen?
Anfangs kommt die Serie schwer in die Gänge und das bleibt auch die meiste Zeit der ersten Staffel. Case of the week-Episoden, bei der ein roter Faden und aufeinander aufbauende Folgen weitestgehend ausbleiben, wirken nach all den Superserien in unserer heutigen Zeit irgendwie altbacken und antiquitiert. Man ist es nicht mehr gewohnt und somit ist es gerade für Binge-Watcher eher anstrengend und frustrierend. Erst gegen Ende der Staffel kann man die Folgen in der vorgegeben Reihenfolge gucken, vorher ist es beinahe egal. Man fühlt sich zurück in die Zeit von "Xena" und Co. versetzt - nur natürlich hochwertiger und besser. Das kann man charmant-klassisch nennen oder überholt - Geschmackssache. Manchmal erlahmt die Serie regelrecht, wenn sich Folgen der Hintergrundgeschichte einer der Musketiere widmen, denn diese fallen weit weniger interessant aus, als man hofft.
Die zweite Staffel reißt das Ruder dann etwas herum und nimmt im Verlauf die Wendung zu einer durchgehende Geschichte. Das Case of the week wird fallen gelassen - und das tut der Serie plötzlich richtig gut. Ein Bösewicht wird eingeführt, die Musketiere müssen die Bedrohung und den Komplott abwenden. Es wird tatsächlich spannend und nun möchte man immer weiterschauen um zu erfahren, wie es ausgeht (auch wenn das eigentlich klar ist). Auch hier regieren Klischees und läuft meist so ab, dass die Musketiere es nie verhindern können, dass ein schreckliches Verbrechen passiert - nur um in Folge dann jedesmal zu Meisterdetektiven und unverwundbaren Kämpfern zu werden, bei denen jeder Schuss und Streich stets perfekt sitzt und die Gegner natürlich niemals treffen. Diese Diskrepanz muss man hinnehmen und vervollständigt das Retro-Bild. Hinzu kommt, dass der Charakter der Königin ein einziges Ärgernis darstellt, da sie immer das Falsche gegen jede Vernunft tut und dann alle ganz doll entsetzt sind, wenn sie mal wieder mit ihren Schnapsideen auf die Nase fliegt. Weiterhin ist der Gegenspieler mit seinem Komplott auch ein einziges Stereotyp, bei dem man sich schon beim Casting vornahm, dass es ein Blinder erkennen muss. Im Ernst, es ist nicht zu begreifen, wie der König und auch die anderen nicht merken, was der Mann da fieses veranstaltet; es ist, als wäre "The evil guy" in großen Lettern auf seine Stirn tätowiert. Hatte ich das Wort Retro bereits erwähnt? Ich tue das nochmal.
Trotz dieser Dinge tut es der Spannung glücklicherweise keinen Abbruch. Man bleibt dran, man will es zu Ende schauen. Und so ist die zweite Staffel die deutlich stärkere.
Fazit: ein wie gesagt durchwachsendes Erlebnis, das ganze Unterfangen hat starke Hochs und Tiefs, die zweite Staffel weiß eher zu gefallen. Man sollte ein Faible für das Mantel-und-Degen-Genre und eine sehr klassische, familienfreundliche Serienmachart mitbringen, um "Die Musketiere" vollständig genießen zu können. Sattsame bekannte Klischees und zu perfekte Helden geben sich die Klinke in die Hand. Keine Serie, die man sich auf seine Must-See-Liste setzten sollte, aber für nette Unterhaltung oder den kleinen Serienhunger zwischendurch nicht zu verachten. Die dritte und letzte Staffel ist gerade bei BBC angelaufen und ich werde sie mir sicher anschauen.