Review

Season 1 + 2

Season 1
erstmals veröffentlicht: 17.01.2016

“Penny Dreadful” ist ein alter englischer Begriff für Groschenromane. Ein wenig führt das in die Irre, wenigstens was die Machart betrifft: Würde man intuitiv von einer pulpigen, hastig abgedrehten Scareshow ausgehen, vielleicht sogar von einem postmodernen Ansatz, so wird die Produktion gegenteilig von geschmackvollem Interieur und Kostümen bestimmt, die zum gestiegenen Anspruch des heutigen Serienpublikums passen. Dabei kommt bourgeoise Ausstattung im Theatermilieu ebenso zur Geltung wie das Rustikale der niederen Klassen, die im Aufbruch befindliche Industrialisierung und sogar ein Hauch von abseitigem Westernflair.

Packt man Vampire, Werwölfe, Exorzismus, Frankenstein und Dorian Gray in eine Staffel, kann die inhaltliche Klasse freilich mit der ästhetischen nicht mehr mithalten, und so bildet sich schon bald ein gewaltiges Problem: Die Handlungsgeflechte greifen ineinander, verkomplizieren sich und werden ein Stück weit albern, ohne dass man sich durch die Inszenierung zu dieser Albernheit bekennen würde. Anstatt das Durcheinander von Handlungssträngen also als kreative Verrücktheit zu feiern, kommt man nicht umhin, ihre fast zufällig erscheinende Anordnung zu kritisieren.

Von unterschiedlicher Qualität und Intensität sind dann auch die diversen Themen: Während Werwölfe nur am Rande vorkommen, werden die Vampire als größte, wenngleich schlafende Macht inszeniert, die vor allem in der ersten und letzten Episode eine tragende Rolle spielen. Der Frankenstein-Part birgt erwartungsgemäß den größten Drama- und geringsten Horror-Anteil. Bezeichnend, dass die Hauptdarsteller Eva Green und Josh Hartnett mit all diesen Strängen irgendwie in Verbindung stehen, aber gar nicht mal zentral in ihnen verkehren: Green bieten sich allerhand Gelegenheiten zum extremen Overacting, verwandelt sich ihr Gesicht speziell in einer Séance- und einer Austreibungsszene doch in eine Fratze des Wahnsinns mit irre rollenden Augen. Sie ist Gegenstand einer eigenen Psychoanalyse und nimmt am Restgeschehen, den eigentlichen Groschengeschichten, nur abseitig teil, wirkt durch ihre stetige Wandlung vor allem in jeder Episode wie eine andere Person; mal der Vamp, mal die Unschuldige, mal die Unzurechnungsfähige. Auch Hartnett hat im Grunde seines Herzens anderes zu tun als Vampire zu jagen, ist doch eine Liebesgeschichte mit Billie Piper als sterbender Prostituierter an ihn gebunden.

Dabei sind die darstellerischen Leistungen im Grunde ebenso stark wie die Präsentation der Serie. Abgesehen von den Hauptakteuren ist beispielsweise Reeve Carney als Dorian Gray genau richtig gecastet – gutaussehend, charmant, Sehnsüchte ausstrahlend und dennoch von kalter, toter Aura umgeben. Die beiden Darsteller der Frankensteinmonster sind ebenfalls herauszuheben, gerade auch der kürzer in Erscheinung tretende Alex Price, der die wohl einzige wirklich positive Figur der Serie spielt.

Neben dem kunstvollen Vorspann weiß sich die erste Staffel außerdem über Highlight-Momente hervorzuheben, die oftmals durch gelungene Kameratricks realisiert werden, wenn etwa ein abgetrennter Kopf im Fokus steht und plötzlich an anderer Stelle etwas hervortritt, oder wenn ein Vampir mit einem gelungenen Kameraschwenk innerhalb von Sekunden seine Position auf unnatürliche Weise verändert. Greens gelegentliches Überziehen, das auf bizarre Weise dann doch dem Titel gerecht wird, kann man durchaus ebenfalls zu den Schauwerten zählen. Doch trotz der handwerklich starken Umsetzung wäre ein Bekenntnis zu einer Ausrichtung wünschenswert gewesen: Entweder Groschenroman oder Hochliteratur.
(5/10)


Season 2
erstmals veröffentlicht: 03.02.2019

Groschenromane mögen vielleicht davon leben, dass ihre reißerischen Geschichten völlig unverbindlich und zusammenhanglos miteinander in einen Kontext gesetzt werden. Der ersten Staffel von "Penny Dreadful" hat diese Vorgabe nicht viel gebracht. Das unkontrollierte Nebeneinander der berühmtesten Monster des viktorianischen Zeitalters erwies sich als großes Manko, wusste man den 10-Cent-Appeal der Konzeptidee doch kaum organisch in die edlen Produktionswerte einzubinden. Rückblickend wurde je nach Geschmack zu wenig Ironisches in die Präsentation gelegt oder eben einfach nicht genug Mühen in die Verknüpfung der Subplots, je nachdem, ob man die sensationelle Variante bevorzugte oder die geschmackvolle. Zurück blieben interessante Ansätze aus zweierlei Denkrichtungen, die sich gegenseitig egalisierten - und damit eine Serie, die auf hohem Niveau viele Möglichkeiten vergab.

Die zweite Staffel bietet diesbezüglich ein deutlich verbessertes Feintuning. Sie stellt somit in Aussicht, dass sich Pulp und Prunk nicht ausschließen müssen. "Penny Dreadful" sieht immer noch exquisit aus, nimmt die Schicksale der Geplagten nach wie vor ernst und weiß das wilde Durcheinander von Themenfeldern diesmal doch erstaunlich gut unter einen Hut zu bringen. Es ist fast so, als habe man das Spielfeld einmal neu sortiert und ließe das Repertoire an Figuren einfach von Neuem beginnen. So sind nun Charaktere fest miteinander verbunden, die zuvor nur am Rande miteinander agierten (Eva Green als Vanessa Ives und Josh Hartnett als Ethan Chandler), andere nehmen gleich ganz neue Rollen ein (Billie Piper als Lady Frankenstein) oder vertiefen die Anlagen, die sie in Staffel 1 etablierten (Rory Kinnear als Frankenstein-Kreatur, Reeve Carney als Dorian Gray). Der dominante Main Plot rund um eine vampirische Bedrohung wurde im gleichen Verhältnis gegen einen diabolischen Hexenzirkel ausgetauscht. Und siehe da, plötzlich fließt alles ineinander. Spielend scheinen sich die Handlungsstränge zu umschlingen, selbst wenn sie ihrer Anlage nach unvereinbar erscheinen. Ab der sechsten Epsidoe explodieren als Folge dessen immer wieder kleine Höhepunkte innerhalb der Dramaturgie, bis zur finalen Konfrontation in Episode 10 ein nicht mehr endendes Feuerwerk. Visuelle Highlights wie der Blutball aus Episode 6 sind dabei ebenso behilflich wie die schaurig-schönen Settings, ein Hexenhaus in den Moorfeldern beispielsweise, ein Wachsfigurenkabinett oder die liebevoll ausgestattete Schlosskulisse.

Das alleine sorgt bereits für eine satte Aufwertung. Besiegelt wird diese noch durch das seltene Gefühl, einen runden Abschluss erleben zu dürfen. Nachdem alle Paukenschläge verklungen sind, wird nämlich auf Cliffhanger-Orgien verzichtet und die Energie stattdessen in gelungene Abschlüsse mit feinen Zwischentönen gelegt. Selbst, wenn keine dritte Staffel mehr gefolgt wäre, hätte der zweite Band also einen würdevollen Weg gefunden, den Buchdeckel zu schließen.
(7/10)

weitere Staffelbesprechungen können folgen.

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