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Daß sich Kakerlaken rund um das kleine, beschauliche Inselstädtchen North Port vor der Küste New Englands wohlfühlen, ist von Beginn an offensichtlich; die widerlichen Kreaturen scheinen allgegenwärtig zu sein. Daß das Kakerlakenproblem jedoch derart bizarre Ausmaße annimmt und völlig außer Kontrolle gerät, überrascht dann doch ein wenig. Schließlich galten die genetischen Experimente, welche die Wissenschaftler des mächtigen Konzerns Intec Research & Development durchführten, als sicher und ungefährlich. Tja, schade, daß sich die listigen Schaben nicht daran hielten und ihre Evolution prompt in eine andere Richtung lenkten, wie die Intec-Angestellte Dr. Morgan Hubbard (Terri Treas, Alien Nation) sehr bald feststellt. Bürgermeister Elias Johnson (Robert Lansing, Empire of the Ants) hatte natürlich nur das Wohl der idyllischen Insel im Sinne, als er den lukrativen Deal ausgehandelt hat. Nun guckt er dumm aus der Wäsche, als sich die Zahl der Vermißten erhöht, abgenagte Tierkadaver gefunden werden und seltsam sirrende, klackende Geräusche zu hören sind. Trotzdem zögert er, rigorose Maßnahmen gegen die fleischfressende Bedrohung zu ergreifen; seinen beunruhigten Sheriff Richard Tarbell (Franc Luz, Ghost Town) pfeift er unwirsch zurück, und selbst seiner eben zu ihm zurückgekehrten Tochter Elizabeth (Lisa Langlois, Class of 1984) verschweigt er die Gefahr, in der sie alle schweben. Die ist sogar größer, als er es sich in seinen schlimmsten Alpträumen ausmalen könnte. Denn die Kakerlaken mutieren...

Im Jahr 1988 durften sich gleich zwei Filme berechtigte Hoffnungen darauf machen, die beliebte Kategorie "blutigster und ekligster Tierhorrorfilm des Jahres" für sich zu entscheiden: Juan Piquer Simóns Slugs, muerte viscosa (Slugs) sowie Terence H. Winkless' The Nest (Das Nest - Brutstätte des Grauens). Welches Werk bei diesem Duell letztendlich als Sieger hervorgeht, ist Geschmackssache und liegt im Ermessen des jeweiligen Rezipienten. Die beiden Streifen schenken sich jedenfalls nichts. Für The Nest sammelte man eifrig Kakerlaken von den Straßen, um sie dann effektvoll vor der Kamera zu platzieren und wild umherkrabbeln zu lassen. Zahlreiche Schaben nutzten da natürlich die sich bietende Gelegenheit, ihren Häschern zu entkommen und sich abzusetzen, weshalb es im Studio, in dem der Film zum Teil gedreht wurde, in den nächsten Jahren Probleme mit den kleinen Rackern gab. Im Film werden die Viecher gut eingesetzt. Erst eine Kakerlake hier, dann eine da, und schließlich wuseln sie hektisch übereinander bzw. um und über ihre bedauernswerten Opfer. Der Clou bei The Nest ist, daß er sich nicht nur darauf beschränkt, die ekelhaften Kreaturen auf Menschen und Tiere zu hetzen (in einer bemerkenswert fiesen Sequenz läßt Frau Doktor die Killer auf ein kleines, süßes Kätzchen los!), sondern daß es zu grotesken Mutationen bei Mensch und Tier kommt. Die Kakerlaken können sich nämlich in das "verwandeln", was sie fressen. Nur daß diese Mimikry nicht sonderlich überzeugend gelingt.

Bei den Mutationsszenen ließen die SFX-Leute ihre Phantasie spielen und bastelten wunderbar absurde Kreaturen, die von der Machart her stark an die Monster aus Filmen wie The Resurrected oder The Fly erinnern. Die Transformationssequenz von Mensch zu Kakerlakmutant ist beeindruckend und begeistert mit dem einen oder anderen drastischen Moment; das aus der Höhle flutschende Auge ist z. B. ein echter Hingucker! Bei der Gestaltung der Queen hat man dann leider etwas über die Stränge geschlagen, sodaß dieses groteske Biest eher die Lachmuskeln strapaziert als daß es für Grauen sorgt, aber an den beiden anderen Wesen gibt es kaum etwas auszusetzen. Das ist tolle Old-School-Low-Budget-SFX-Kunst, lange vor dem Zeitalter der Computer Generated Images. Eine Handvoll saftiger Goreszenen, der eine oder andere perfide Einfall sowie ein paar gut getimte Schockmomente runden den Streifen adäquat ab, sodaß Freunde von klassisch strukturierten, blutigen Tierhorrorschockern gut bedient werden. Inhaltlich gibt es kaum Überraschungen. Die Figuren, wie der aufrechte Sheriff, der hinterhältige Bürgermeister, die verrückte Wissenschaftlerin oder der kauzige Kammerjäger, sind allesamt Stereotypen, mit denen man nicht wirklich mitfiebern kann. Selbst Lisa Langlois bleibt leider blaß; da hat sie in Les liens de sang (Blutsverwandte), Class of 1984 (Die Klasse von 1984) oder Deadly Eyes (Night Eyes) wesentlich mehr Eindruck hinterlassen. Vielleicht lag es am unerfreulichen Dreh der (Julie) Corman-Produktion, daß sie nicht zur Höchstform aufgelaufen ist. (*)

Das größte Problem von The Nest (welcher übrigens auf einem Buch von Eli Cantor basiert) sind allerdings die sonderbaren Humoreinschübe, auf die Terence H. Winkless (Rage and Honor) meinte, nicht verzichten zu können. Mit den schrägen Figuren, allen voran Kammerjäger Homer (Stephen Davies), komme ich ja noch klar, weil die das Geschehen auf witzige Weise auflockern, ohne sich zu sehr in den Vordergrund zu drängen. Aber die Café-Szene geht gar nicht. In dieser reichlich deplatzierten, die vorherrschende Stimmung völlig zerstörenden Sequenz erklingt plötzlich der bekannte Song La Cucaracha (gesungen von Regisseur Winkless selbst), während Kellnerin Lillian (Nancy Morgan) zig Kakerlaken auf mannigfaltige Weise ins Jenseits befördert. Bei dieser verkrampft auf witzig getrimmten Szene, die bestenfalls für einen Lacher gut ist, wähnt man sich auf einmal in einem anderen Film, so sehr beißt sie sich mit dem Rest des Streifens. Um The Nest in Punkto Action etwas aufzupeppen, ohne das Budget zu belasten, griff man kurzerhand auf Stock Footage von Humanoids from the Deep (Das Grauen aus der Tiefe, 1980) zurück. Die Kameraarbeit bewegt sich auf ebenso solidem Niveau wie die diversen Sets (sehr schön: das Nest in einer Höhle, mit einigen von der Decke hängenden Eiern); lediglich Rick Conrads musikalische Untermalung ist so schwach, daß man sie schon wieder vergißt, während man sie noch hört. Immerhin stört sie nicht. Läßt man also die paar negativen Aspekte außer Acht, so bekommt man mit The Nest ein flottes und überaus unterhaltsames Tierhorrorhäppchen serviert, das Fans von Creature Features der etwas blutigeren bzw. ekligeren Art bestens munden sollte.

(*) Im Interview The Beauty and the Beasts mit der Website The Terror Trap spricht Lisa Langlois von "a VERY unpleasant experience" in Bezug auf den Dreh. Weiters berichtet Langlois, die für The Nest die Hauptrolle in The Fly II (1989) sausen ließ, daß man alles versuchte, um bei der Duschszene ihre Brüste auf Zelluloid zu bannen, obwohl ihr im Vertrag zugesichert wurde, daß sie einen Bodysuit zur Verfügung gestellt bekäme. Von dem war am Set natürlich weit und breit nichts zu sehen. Also tapte sich Langlois kurzerhand ihre Nippel, bevor sie in die Dusche stieg, um zu verhindern, daß ihre Brüste im Film landeten. Frau muß sich nur zu helfen wissen. Den Produzenten und deren Speichelleckern gefiel das gar nicht; sie bezeichneten die Aktrice als "schwierig" und machten ihr am Set fortan das Leben schwer.

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