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„Beinahe wie Soldaten, die einen Befehl befolgen!“

Im Jahre 1988 debütierte US-Regisseur Terence H. Winkless („Die Berlin-Verschwörung“) mit dem von Low-Budget-Filmer Roger Cormans Ehefrau Julie Corman produzierten Tier-/Öko-Horror-Streifen „Das Nest – Brutstätte des Grauens“ um genmanipulierte Kakerlaken. Der Film basiert auf einem Roman Eli Cantors.

„Ich bewundere diese weiblichen Küchenschaben! Sie sind fähig, sich zu vermehren, ohne dass sie dazu ihre männlichen Artgenossen brauchen!“

Die Insel-Idylle North Port: Um die örtliche Jugend zu halten und den Tourismus zu fördern, hat Bürgermeister Elias Johnson (Robert Lansing, „Der 4D-Mann“) ein Geschäft mit der Firma Intec abgeschlossen: Intec investiert auf der Insel und baut Ferienhäuser, führt im Gegenzug jedoch geheime Gen-Experimente durch. Zunächst sieht alles gut aus, doch scheinen sich die Kakerlaken plötzlich sprunghaft zu vermehren. Zeitgleich findet Sheriff Richard Tarbell (Franc Luz, „Harry & Sally“) mit seiner Jugendfreundin Beth (Lisa Langlois, „Ab in die Ewigkeit“) einen zerfressenen Hundekadaver. Bürgermeister und Intec berufen die Wissenschaftlerin Dr. Morgan Hubbard (Terri Treas, „House IV“) auf die Insel, um die Ereignisse zu untersuchen. Dr. Hubbard wird Zeugin, wie die gentechnisch manipulierten Kakerlaken statt sich selbst gegenseitig auszumerzen die übrige Fauna angreifen. Hubbard ist fasziniert und opfert der Plage eine Katze, muss aber kurz darauf mitansehen, wie die Schaben auch auf Menschen losgehen und bis auf die Knochen abnagen. Intec zieht in Betracht, die Insel mit dem hochgiftigen Rhetinom zu verseuchen, um dem Ungeziefer Herr zu werden…

„Es hat sich mit der toten Katze gekreuzt!“

Zunächst setzt Winkless auf den Ekel vor Kakerlaken und anderen Schaben, den viele Menschen bereits dann empfinden, wenn die Insekten nur vereinzelt auftreten. Zugegeben, im Kaffeebecher, wie in diesem Film zu Beginn geschehen, möchte man sie auch wirklich nicht haben. Für welch bizarre Auswirkungen die Tierchen im Rahmen dieses Films verantwortlich sind, wird deutlich, als die örtliche Bibliothek verlautbaren muss, dass über Nacht der Leim aus allen Büchern gefressen wurde und somit nun alle Seiten lose sind. Der Zuschauer weiß natürlich längst, dass dies noch die harmlosesten Auswüchse der Plage sind und so dauert es auch nicht lange, bis die ersten Lebewesen und schließlich Menschen dran glauben müssen. Die Schabenattacken finden dabei lange Zeit episodenhaft und losgelöst vom Rest der Handlung statt, die die üblichen Tier-/Öko-Horror-Genre-Charakteristika bedient: Das verschlafene Touristennest ist ebenso exemplarisch wie der klassische Konflikt zwischen monetären Interessen auf der einen und ethischen Grundsätzen auf der anderen Seite. Die personifizierte Skrupellosigkeit mimt hier Terri Treas als Dr. Hubbard, die im Stile eines weiblichen Mad Scientist gezeichnet wird. Die Rolle desjenigen, der eigentlich nichts Böses im Schilde führt, sich aber Sachzwängen ausgesetzt sieht und sich übers Ohr hauen lässt, wird Robert Lansing als Bürgermeister Johnson zuteil. Die ständig relativ laut in die Tonspur gemischten Schabengeräusche sollen ein Gefühl der Bedrohung vermitteln, auch wenn gerade keine Krabbelviecher durch die Kulissen huschen.

Soweit, so gewohnt – und so durchschnittlich, insbesondere, wenn man gar keine Phobie gegen derlei Krabbelzeug ausgebildet hat. Womit man als unbedarfter Zuschauer allerdings nicht unbedingt rechnet: „Das Nest – Brutstätte des Grauens“ mutiert im wahrsten Sinne des Wortes vom Tierhorror zum splatterigen Kreaturenspektakel mithilfe herrlicher handgemachter, glitschiger Spezialeffekte des Teams um James M. Navarra, wenn die Kakerlaken beginnen, sich mit ihren weitaus größeren Opfern zu kreuzen und monsterhafte Hybridwesen zu erschaffen. Da wird jegliche wissenschaftliche Ernsthaftigkeit der weitestgehend ironiefreien Handlung über Bord geworfen und sich ausgetobt, dass das Herz des ‘80er-Körper-/Mutations-Horrorfreunds lacht und der Film ungeahnte Unterhaltungsqualitäten entwickelt, die ihn über den Durchschnitt retten. Den gut ausgewählten Schauspielern gelingt es sogar, ihre recht eindimensionalen Rollen vernünftig auszufüllen und unfreiwilligen Trash-Gehalt zu vermeiden. Fazit: Schabig, nicht schäbig!

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