Tatort: Strandgut (1972)

Finke die Zweite

Nach dem gelungenen Einstand in "Blechschaden" setzen die Macher bezüglich des Settings noch einen drauf: Kommissar Finke ermittelt nun auf Sylt! Inkognito!!!! Heute auch "undercover" genannt!!!!!!!

Nach dem trüben Dorf Sieverstedt ist das doch ein Gewinn für den kleinen Kommissar, der mit der Kapitänsmütze auf dem Kopf und dem feschen Wolf Roth im Gepäck als reicher Bauunternehmer zwei fiesen und gewissenlosen Schurken auf die Schliche kommen soll, die mit barbusigen Lockvögeln und Fotoapparat reiche Geschäftmänner aufs Korn nehmen. Sleazy! Und der eine von denen ist dann auch noch Rolf Zacher. Na, dann kanns ja losgehen!

Leider scheint Kommissar Finke mit dem Begriff "verdeckter Ermittler" wenig anfangen zu können, denn als allererstes stellt er sich dann eben mal als "Kommissar Finke, Kripo Kiel" vor. Mmh, der Schuss ging dann schon mal kräftig daneben. Biosynthetische Masken, eine erdachte und bis ins Detail verinnerlichte Biographie? Das brauchte man 1972 alles noch nicht. Trotzdem versucht er, als sein alter-ego (zu erkennen an der Kapitänsmütze) die Aufmerksamkeit der noch unbekannten Bösewichte zu erheischen und vertreibt sich die Zeit am FKK-Strand. Sleazy!! Wenn man heute um die Homosexualität von Klaus Schwarzkopf weiß, erhalten die Strandszenen mit dem knackigen (und hier immer noch dunkelhaarigen) Loverboy Wolf Roth irgendwie eine komische Note. Sleazy!!! Aber das kann auch an meiner verschrobenen Wahrnehmung liegen. Natürlich werden die beiden Ganoven rechtzeitig gewarnt und lassen sich von der Kapitänsmütze nicht irreleiten!

Nachdem der Plan der Polizisten nicht aufgeht, droht die Geschichte um Erpressung zu versiegen. Aber Moment: Das ist ein Tatort! Wo ist die Leiche? Gottseidank werden dann noch in letzter Not zwei Frauenleichen in zeitlich taktisch klugem Abstand an Land gespült. Und für Finke gibts eine harte Nuss zu knacken.

Auch hier wird wieder aufgefahren, wenn es um bekannte Gesichter oder vielmehr Stimmen geht und wir sehen und hören

- Wolfgang Kieling, der als Arzt ruhig etwas mehr den "Bert" hätte raushängen lassen können, um Komik einfließen zu lassen

- Reent Reins, der hier zwar noch kaum nach Don Johnson klingt, dafür aber mit seiner Frisur die gewaltigste Waffe im Repertoire hat

- Ingeborg Schöner, die tatsächlich ihrem Namen alle Ehre macht und so eine gewisse 70er-Sexyness ausstrahlt

- die Hemden von Rolf Zacher, die trotz dessen Schlankheit immer zu klein sind, so dass die Knöpfe jeder Zeit drohen, zum Geschoss zu werden (*spannend*).

Ein Highlight ist die Filmmusik, die sich bereitwillig der Schwülstigkeit hingibt, um, nicht ganz ohne Ironie, die idyllische Insellandschaft in ihrer ganzen Romantik auch hörbar zu machen.


Starke Momente:

Als Finke im Café zahlen will, heißt es "Zwei Kaffee und zwei Stück Kuchen, das macht dann 16 Mark 40" und er schaut einen Moment erschrocken drein ob des horrenden Preises, den er für den Snack zu löhnen hat. Das waren noch Zeiten! Man liegt da heutzutage auf Sylt und in Bestlage wohl so bei 20 Euro + Pfandbrief auf das Erstgeborene.


Die beste Aussage kommt von den beiden fiesen, miesen, dreckigen  Erpresserschweinen, als diese von Finke verhört werden:

"Nee, Mord ist bei uns nicht drin."

Na, dann ist ja alles gut. Dafür dürfen die beiden mit einem schönen 911er Targa wie wild über die Insel brettern. Auch in die Nobel-Disco, wo sich alles tummelt, was für die Handlung relevant ist. Yeah! Die Siebziger, baby! Ich habe da zwar noch nicht gelebt, aber es muss wohl genau so gewesen sein!

Die allerbeste Aussage kommt dann aber von Finke selbst:

"Ich glaube, ich kaufe mir jetzt doch eine Badehose."


FAZIT

Wolfgang Petersen geht seinen Weg mit Kommissar Finke weiter und zeigt sich als Freund des blanken Busens. Was im Vorgänger noch wie beiläufig einfloss, entwickelt hier langsam System! So frivol ging es also 1972 in deutschen Wohnzimmern zu. Die Telebar auf dem Tisch und Titten im TV! Es geht doch jetzt bestimmt ins rammelige Rotlichtviertel, wenn es heißt:


Kommissar Schmutz-Finke will return in

"Jagdrevier"